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"Carlsen vom Schach"
Norwegen feiert WM-Titelverteidiger

Magnus Carlsen hat durch einen Sieg im Tiebreak seinen Titel als Schach-Weltmeister verteidigt. In drei Partien mit verkürzter Bedenkzeit ließ er seinem Herausforderer Fabiano Caruana keine Chance. Magnus bleibt auch in Norwegen der Größte.

Von Carsten Schmiester | 29.11.2018
    181128 Magnus Carlsen of Norway celebrates with the trophy after the tie-break game of FIDE World Chess Championship 2018 between Magnus Carlsen and Fabiano Caruana on November 28, 2018 in London. Photo: Jon Olav Nesvold / BILDBYRüN / kod JE / 160368 PUBLICATIONxNOTxINxDENxNORxSWExFINxAUT Copyright: JONxOLAVxNESVOLD BB181128JE030
    Imago (imago sportfotodienst)
    Der Vorname passt. Obwohl, eigentlich ist er noch zu bescheiden. Denn dieser Magnus ist mehr als nur der "Große". Er ist und bleibt der "größte" Schachspieler der Welt und Norwegens ganzer Stolz. Die Nachricht seiner erfolgreichen Titelverteidigung war Aufmacher in sämtlichen norwegischen Nachrichtensendungen: "Magnus Carlsen verteidigt den Weltmeistertitel. Am Ende war er stärker als Fabiano Caruana."
    "Ich bin sehr froh, das war gute Arbeit heute", sagte Carlsen, und legte kurz darauf im Interview mit dem Sender NRK nach: "Das war ein schweres Spiel und anfangs hatte ich nicht das Gefühl, dass ich auch nur nahe am Sieg war. Von wegen "heute ist mein Tag". Ich fühlte mich eher nahe an einer Niederlage. Ich war sehr angespannt, aber am Ende zum Glück der Bessere!"
    Mozart und Model gleichermaßen
    Ein genialer Stratege, bejubelt die norwegische Presse ihren "Mozart des Schachbrettes", so wird er in seiner Heimat oft genannt. Morgen wird er 28, das beste Geburtstagsgeschenk hat er sich selbst gemacht. Zu Hause ist er ein Popstar, der Schachmillionär mit Ecken und Kanten. Er steht im Ruf, ein absolutes Genie zu sein, aber auch arrogant und eigenwillig.
    Sein Name ist längst auch eine Marke. Er wirbt als Model für einen Jeanshersteller, wird von seinen PR-Leuten inzwischen ganz bewusst als "männlich" inszeniert, wohl um dieses gelegentlich Bubihafte zu kontern. Und dann gibt er sich wieder betont "menschlich", wie in dieser Talkshow.
    "Ich bin schon sehr oft nervös. Man hat ja alle möglichen Gefühle im Laufe so einer Partie. Ich bin dann nervös oder zufrieden, manchmal auch stolz oder völlig irritiert, wenn ich schlecht spiele. Aber natürlich, ich habe versucht, nicht zu viel mit meinen Gesichtsausdrücken zu verraten."
    Wut als Erfolgsrezept
    Cool bleiben, cool sein – das ist Magnus Carlsen, spätestens seit seinem ersten Weitmeistertitel 2013. Ein Supertalent, das früh von der Familie gefördert worden ist und bis heute auch von ihr maßgeblich getragen wird. Die Familie gibt ihm genau die Kraft, die er den Gegnern mit seinem Spiel raubt. Er ist wie eine Würgeschlange, sagen sie, er nimmt dir die Luft zum Atmen. Und setzt dabei eiskalt auch auf seine eigene negative Energie: "Ich glaube, dass es mir hilft, wenn ich schlechte Laune habe, dass ich ihre Kraft ins Spiel einbringen kann. Das darf natürlich nicht zu weit gehen, wir müssen ja immer noch Schach spielen. Aber dieses taktische Wütendsein, das hilft mir schon."
    "Diese dummen Fehler"
    Nein, dieser Magnus Carlsen ist keiner, den man einfach so mögen muss. Aber schon einer, dem man seine gelegentliche Kälte und Kauzigkeit nachsieht, dem viele Norweger mit einer Mischung aus etwas Kopfschütteln und ganz viel Bewunderung begegnen. Kopfschütteln, weil er ja doch irgendwie anders ist, mit einer kurzen Unterbrechung angeblich immer noch solo, blanke Bewunderung dagegen für seine Klasse und seine ebenso ehrliche wie ehrgeizige Selbstsicht. "Naja, laut Weltrangliste bin ich der Beste. Aber ich meine, auch wenn das so ist und ich oft die Turniere gewinne, dass ich immer noch ziemlich unnötige Fehler mache. Wenn ich diese dummen Fehler vermeiden könnte, dann würde ich noch viel besser werden und die Schachwelt noch deutlicher dominieren."