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Cartoons
Der Fisch hat immer fünf Striche

Im Internet ist er mit seinen minimalistischen Zeichnungen von melancholischen Pinguinen, philosophierenden Raben oder existentialistischen Fischen bekannt geworden: Meta Bene. Dahinter steckt Robin Thiesmeyer. Er hat nun sein erstes Buch herausgebracht, "Es gibt mehr Sterne als Idioten", heißt es.

Von Oliver Kranz | 16.03.2016
    Ein Rabe sitzt auf einem Ast und blickt nach oben. Was er denkt, steht groß in einer Textblase: "Es gibt mehr Sterne als Idioten." – Das klingt wie ein Kalauer, meint aber mehr.
    "Erst mal macht es ja ein Bild auf: Schau dir lieber die Sterne an, als die Idioten. Das ist eigentlich der Trost. Aber dann holt es einen in einen Abgrund hinein, wenn man sich überlegt, wie viele Sterne es eigentlich sind."
    Robin Thiesmeyer liebt Texte mit doppeltem Boden. Er hat Philosophie, Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus studiert. Als Zeichner ist er Autodidakt.
    "Jede Figur wird immer mit den gleichen Strichen gemalt. Die Schabe besteht immer aus sieben Strichen: zwei für die Flügel, drei für die Beine und zwei für die Fühler. Und der Fisch hat immer fünf Striche. Einen für den Körper, zwei für die Seitenflossen und zwei hinten. Und so hat jedes Tier seine Regeln. Das darf nicht erweitert werden."
    Robin Thiesmeyer setzt auf konsequenten Minimalismus. Je einfacher das Bild ist, desto größer wird der Interpretationsspielraum für den Betrachter. Zwei Pinguine stehen auf einer weißen Fläche – ein großer und ein kleiner. Sagt der Große: "Das hier wird alles mal Dir gehören."
    Doch außer den Pinguinen ist auf dem Bild nichts zu sehen. Man blickt auf weißes Papier.
    "Das Bild habe ich auch im Winter gepostet, als es gerade frisch geschneit hatte und dann wird es gleich kombiniert. Manche sagen: endlich hat es geschneit und teilen das Bild und manche nehmen es einfach für sich war. Die buddhistische Verneinung des Besitztums. Man könne ganz viel herein interpretieren."
    Und: Wenn Besitz nichtig ist, ist auch der Gedanke an den Tod nicht fern.
    "Das ist ja auch eine Quelle für Humor, weil es einen immer wieder auf den Boden holt… Egal, womit man sich beschäftigt, wie man sich gerade fühlt oder wie andere sich aufführen. Wenn man das runter bricht auf die Sterblichkeit, dann wirkt es schnell lächerlich."
    Die Stimmung, die die Cartoons verbreiten, ist die einer entspannten Melancholie. Doch Robin Thiesmeyer verschmäht auch Kalauer nicht und einfach wirkende Pointen. Zwei steif dastehende Kraniche lässt er zum Beispiel sagen: "Es sind die kleinen Dinge, die uns glücklich machen." - "Zum Beispiel?" - "Endorphine."
    "Man sagt das ja so einfach vor sich hin: "Es sind die kleinen Dinge, die einen glücklich machen." - Das ist ein furchtbar profaner Spruch und man meint dann: das Bier nach Feierabend oder die Kinder, die einen anlächeln. Aber wenn man es wörtlich nimmt, stimmt es halt auch."
    Bekannt geworden ist Robin Thiesmeyer mit seinen Cartoons, als er beschloss, sie auf Twitter zu veröffentlichen – jeden Tag ein neues Bild. Inzwischen ist er bei Zeit-online unter Vertrag und liefert für die Kolumne Freitext wöchentlich kleine Bilderserien.
    "Das wird auch von manchen Leuten, die mich schon kennen, abgelehnt, habe ich jetzt in den Kommentaren gelesen. Andere finden das natürlich wieder gut. Es ist ein Experiment und vielleicht ist es wert, dass noch auszudehnen."
    Das Experiment besteht darin, dass Thiesmeyers Figuren auf einmal nicht nur da sein und coole Sprüche machen müssen – sie müssen in eine Geschichte eingebunden werden. Bei den vielen Beschränkungen, die Robin Thiesmeyer sich auferlegt hat, ist das eine Herausforderung. Die Tiere haben zum Beispiel keine Gesichter.
    "Ich habe irgendwo mal gelesen, dass der menschliche Geist darauf angelegt ist, überall Gesichter zu erkennen. Das ist etwas, was ich auch gerne mache: irgendwo zwei Augen drauf malen, auf den Mülleimer, und schon sieht er aus, wie Grobi aus der Sesamstraße. Das lasse ich weg, weil die Technik das nicht hergibt und dann auch, wenn man es vielleicht trotzdem hineininterpretiert."
    Bei den Zeichnungen, die jetzt als Buch erschienen sind, funktioniert es auf jeden Fall: Der philosophierende Rabe wirkt melancholisch, die Küchenschaben, die über die Seiten krabbeln, unruhig, die Schwalben im Gleitflug äußerst beschwingt. Und was die Tiere sagen, zielt voll aufs Leben – es ist witzig, banal und tiefsinnig zugleich.