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Caspar: Gesetze kommen der digitalen Entwicklung nicht hinterher

Die europäischen Länder müssten sich auf gemeinsame Regeln für Datenschutz einigen und den USA klar machen, wo die Grenzen seien, fordert der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Entscheidend sei der politische Wille, um die Erosion des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu stoppen.

Johannes Caspar im Gespräch mit Gerd Breker | 28.10.2013
    Gerd Breker: Kann es überraschen, oder hätten wir das nicht wissen müssen, zumindest wissen können? Hat nicht jede Botschaft schon von Anbeginn an eine Abteilung Aufklärung gehabt, die die Aufgabe hatte, das Denken und Fühlen des Gastlandes zu erforschen, einzuschätzen und nach Hause zu berichten? Kann es wundern, wenn diese Abteilung sich im Laufe der technischen Entwicklung verändert hat, aufgerüstet wurde? Wie wichtig fand man das noch im Kalten Krieg und warum sollte die technische Entwicklung mit dem Ende des Kalten Krieges aufgehört haben? Kann ja auch spannend sein, was die Freunde so denken. Die US-Botschaft in Berlin nahe dem Brandenburger Tor soll ein Spionagenest in den obersten Etagen haben.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Johannes Caspar, er ist der Datenschutzbeauftragte von Hamburg. Guten Tag, Herr Caspar.

    Johannes Caspar: Hallo, Herr Breker! Ich grüße Sie!

    Breker: In der NSA-Diskussion schimmert an allen Ecken Hilflosigkeit durch. Gibt es überhaupt völkerrechtlich irgendwelche Regelungen, die einen vor Spionage schützen können?

    Caspar: Na ja, sicher. Es gibt zahlreiche Regelungen, die sich mit dem Persönlichkeitsrecht von Betroffenen auseinandersetzen, die dieses schützen, der UN-Pakt für bürgerliche und politische Rechte etwa. Es gibt die europäische Menschenrechtskonvention, es gibt die EU-Grundrechte-Charta, das sind natürlich auch Regeln, die letztlich vor einer maßlosen, anlasslosen, unverhältnismäßigen Ausspähung schützen. Klare völkerrechtliche Abkommen, die sich auf Spionageverhinderung beziehen, sind mir jetzt so aktuell nicht bekannt, aber man kann sich natürlich dann überlegen, eine solche Regelung enthält etwa das "Five Eye"-Abkommen, das letztlich dann auch einen gewissen Schutz verspricht mit Blick auf die Beteiligten, dass man nicht von sogenannten Partnern ausgespäht wird.

    Breker: Es war ja eine Überlegung, ein bilaterales "No-Spy"-Abkommen mit den USA auszuhandeln und einzurichten. Aber ist das nicht an sich ein Witz? Wer soll das kontrollieren?

    Caspar: Ja nicht allein die Tatsache, dass man es vielleicht schlecht kontrollieren kann, ist problematisch. Der Beitritt zu einem solchen Abkommen – das "Five Eye"-Abkommen ist ja letztlich ein Relikt noch aus dem Kalten Krieg -, das würde im Grunde die Diktion nicht ändern. Man bleibt im Grunde bei der Intransparenz der Arbeit von Geheimdiensten, bei einer anlasslosen Ausspähung und Verletzung von digitalen Grundrechten von Betroffenen, seien das nun Grundrechte von Betroffenen, die außerhalb des Staatsgebietes leben, oder solche, die man dann im Rahmen eines solchen "No-Spy"-Abkommens nach wie vor kontrolliert. Ich denke, das ist die falsche Diskussion. Wir müssen uns überlegen, ob es nicht in der Tat wirklich Abkommen gibt, die völkerrechtlich ganz klare Grenzen ziehen und die auch deutlich machen, hier geht es bis zu einem Punkt und dann nicht weiter. Also keine Abkommen dazu, wie optimiere ich die Geheimdienstarbeit, sondern wie beschränke ich die.

    Breker: Ist es nicht so, Herr Caspar, dass man zugeben muss, einsehen muss und realisieren muss, dass diese rasante technische Entwicklung im Internet-Zeitalter einfach die Gesetzgebung überholt hat, nationale wie internationale Gesetzgebung hinkt dem einfach gnadenlos hinterher?

    Caspar: Ja, das ist ein Phänomen, das nehmen wir schon seit geraumer Zeit wahr, dass die Gesetze der ungeheueren Dynamik der digitalen Entwicklung nicht mehr hinterherkommen und dass dies dann auch dazu führt, dass wir es hier immer mehr mit einer Erosion des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen zu tun haben. Das ist aber nicht gottgewollt und wir können dies auch stoppen. Entscheidend ist der politische Wille, die rechtlichen Regelungen dieser Entwicklung anzupassen, und da müssen wir leider sagen, wo wir hingucken, fehlt es da an wirklich realisierten Ansätzen. Ob es im nationalen Bereich ist, ob es auf EU-Ebene ist oder ob es letztlich dann im internationalen Bereich ist, hier muss mehr getan werden.

    Breker: Sie sagen, es fehlte bislang der politische Wille. Nun ist diese Regierung ja aufgewacht, als die Kanzlerin betroffen war. Können wir denn jetzt damit rechnen, dass etwas geschieht, ernsthaft geschieht?

    Caspar: Nun, ich würde mich sehr freuen, wenn die Regierung nun aus den Ereignissen der letzten Tage die Kraft ziehen könnte, hier mehr zu tun. Es gibt hier viele Ansatzpunkte. Wenn ich mir aber anschaue, dass wir auf der europäischen Ebene die Datenschutzreform wiederum verschoben haben, und das ja auch erst ganz kürzlich, nämlich auf die Zeit nach 2014, also nach der Europawahl im Mai des kommenden Jahres, dann ist das ein falsches Zeichen. Hier müsste man eigentlich ganz klar sagen: wir brauchen eine gemeinsame Strategie, eine gemeinsame Regelungsarchitektur des Datenschutzes für alle europäischen Länder, die dann auch uns auf die gleiche Höhe bringt wie die USA und die auch klar macht, wo wir unsere Grenzen setzen, was ganz wichtig ist auch im bilateralen Verhältnis. Nur leider hat man dies versäumt und es wird jetzt verschoben auf 2015. Ich hoffe, dass es dann letztlich wenigstens zu einer solchen Regelung kommen wird.

    Breker: Die Hoffnung des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar. Herr Caspar, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Caspar: Sehr gerne! Vielen Dank, Herr Breker.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.