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Causa Böhmermann
"Wir haben ganz klare rechtsstaatliche Regeln"

Zu entscheiden, ob es zu Ermittlungen in der Causa Böhmermann wegen des Schmähgedichtes über Erdogan komme, sei Sache der Gerichte, sagte Ansgar Heveling (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses, im Deutschlandfunk. Weitere diplomatische Folgen für die deutsch-türkischen Beziehungen sieht er derzeit nicht.

Ansgar Heveling im Gespräch mit Christine Heuer | 11.04.2016
    Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU).
    Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU). (dpa-Bildfunk / Wolfgang Kumm)
    Christine Heuer: Er hat es also getan: Der türkische Präsident Erdogan möchte wegen dessen Schmähgedicht auf ihn ein Strafverfahren gegen den deutschen Satiriker Jan Böhmermann. Das hat er am Wochenende in einer förmlichen Verbalnote an das Auswärtige Amt beantragen lassen. Bei Beleidigungen gegen ausländische Organe ist so der Verfahrensweg. Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob sie einem solchen Strafverfahren zustimmt oder nicht.
    Keine leichte Entscheidung für Berlin und Anlass zum Interview jetzt mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling. Er ist Vorsitzender im Innenausschuss und zugleich Obmann im Ausschuss für Kultur und Medien. Guten Morgen, Herr Heveling.
    Ansgar Heveling: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Die Türkei fordert jetzt das Strafverfahren gegen Jan Böhmermann. Wie finden Sie das?
    Heveling: Wir haben im deutschen Strafgesetzbuch einen Straftatbestand, Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten, und da ist geregelt, dass es ein Strafverlangen geben kann.
    Ich bin der Auffassung, wir sollten jetzt bei der Frage als Bewertungsmaßstab unseren Rechtsstaat und nicht das, was die Türkei sich vorstellt, nehmen, und da bedeutet das, die Ermittlungsbehörden prüfen jetzt, ob der Anlass für eine Bestrafung bestehen könnte, und dann entscheiden Gerichte, ob dem so ist, und dem sollte man mit großer Gelassenheit entgegensehen.
    "Wir sollten auf die Stärken unseres Rechtsstates setzen"
    Heuer: Herr Heveling, Sie sagen, die Behörde prüft. Aber tatsächlich prüft ja jetzt die Bundesregierung. Das hat mich auch überrascht. Liegt es jetzt wirklich in Angela Merkels Hand, mit ihrer Entscheidung, ob es einen Strafprozess gegen Jan Böhmermann geben wird oder nicht?
    Heveling: Es gibt in der Tat eine strafprozessuale Vorschrift bei diesem Straftatbestand Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten, der besagt, dass die Bundesregierung dem Verlangen des ausländischen Staates mit einer Ermächtigung an die Strafverfolgungsbehörden die Entscheidung freigeben muss. Da muss unter anderem die Bundesregierung prüfen, ob es zum Beispiel eine Gegenseitigkeit gibt, ob das türkische Strafgesetzbuch auch eine entsprechende Vorschrift enthält oder nicht. Das sind die Vorprüfungen, die jetzt stattfinden müssen, und dann muss die Bundesregierung entscheiden, ob sie es freigibt.
    Ich bin da aber auch der Auffassung, wir sollten auf die Stärke unseres Rechtsstaats setzen. Wir haben ganz klare Regelungen bei uns in der Verfassung. Während Kurt Tucholsky noch sagen konnte, was darf Satire, alles, hat das Grundgesetz klar festgelegt, Satire darf viel, aber eben nicht alles, und Schmähkritik gehört nicht dazu. Das zu beurteilen, sind Gerichte berufen, und deswegen sollten wir den rechtsstaatlichen Weg auch gehen und deutlich machen, das ist die Art und Weise, wie wir damit umgehen.
    Heuer: Aber das setzt ja formal voraus, dass Merkel nun sagt, ja, okay, das Strafverfahren soll es geben. Sind Sie dafür?
    Heveling: Ich bin der Auffassung, dass es unabhängig von der inhaltlichen Bewertung - und die steht ...
    Heuer: Darüber reden wir gleich, über die inhaltliche Bewertung. Aber juristisch wären Sie jetzt dafür, dass Merkel sagt, ja, ist okay?
    Heveling: Wenn die Voraussetzungen, diese Gegenseitigkeit und dass wir mit dem Staat diplomatische Beziehungen unterhalten - und die Voraussetzung ist natürlich gegeben -, wenn die erfüllt sind (die stehen im Paragrafen, ich glaube, 104a ...
    Heuer: 103a!
    Heveling: ... des Strafgesetzbuches, wenn die Voraussetzungen der Strafverfolgung erfüllt sind, bin ich der Auffassung, sollte die Bundesregierung dem stattgeben. Und das bedeutet ja noch lange nicht, dass dann ein Urteil gesprochen ist, sondern das bedeutet nur, dass dann unser Verfahren in Gang gesetzt wird, und wie gesagt, wir haben da klare Gewaltenteilung und feste Regeln. Und das ist sehr differenziert bei der Frage Satire oder Schmähkritik, was man darf oder nicht darf. Da haben wir eine lange Tradition von Rechtsprechung und auf die sollten wir auch vertrauen.
    Heuer: Herr Heveling, dann reden wir jetzt inhaltlich. Welches politische Signal sendet Berlin aus, wenn es Erdogan in dieser Frage folgt?
    Heveling: Ich sehe das durchaus nicht, dass Erdogan in irgendeiner Form dann gefolgt wird, sondern es wird dem Strafverlangen des türkischen Staates stattgegeben. Das bedeutet aber noch nicht, dass ein Urteil gesprochen worden ist, und insofern kann ich da auch nur wiederholen.
    Wir haben feste Entscheidungen in der Rechtsprechung. Da werden Richter drüber urteilen. Die werden das sehr klug tun. Das haben sie in der Vergangenheit beim Thema Schmähkritik auch immer gemacht. Sehr meinungsfreiheitsfreundlich im Übrigen. Das mag auch bei uns in Deutschland nicht jedem gefallen, aber das ist dann die Kraft der Rechtsprechung und darauf vertraue ich auch.
    "Keine Strafe ohne Gesetz"
    Heuer: Aber ist es nicht egal, was der Bund bezweckt oder was Gerichte sagen, das politische Signal, Du hilfst uns gegen die Flüchtlinge, dafür darfst Du Dich in unsere Grundwerte einmischen, das da ausgesendet wird? Also ein Kotau vor der Türkei, wie Springer-Chef Matthias Döpfner sagt?
    Heveling: Dass dieser ganze Vorgang natürlich in politisch heikle Zeiten fällt, ist gar keine Frage, und dass immer dann, wenn es um die Beziehungen zu ausländischen Staaten geht, dieser Eindruck auch eine Rolle spielt, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wir haben ganz deutlich auch die Regel, keine Strafe ohne Gesetz.
    Wenn es ein Gesetz gibt, wird geprüft, und dann werden die Strafverfolgungsbehörden tätig, und das hat für mich nichts mit Kotau zu tun, sondern damit, dass wir sagen, wir haben ganz klare rechtsstaatliche Regeln und bei uns gibt es nicht die Willkür, dass irgendjemand sagt, das ist jetzt verboten oder nicht, sondern das wird festgestellt durch unabhängige Gerichte. Darauf können wir stolz sein und das sollten wir auch nach außen zeigen, dass das bei uns auf diese Art und Weise läuft.
    "Es gibt viele Felder, in denen wir ja auch mit der Türkei unterschiedlicher Auffassung sind"
    Heuer: Herr Heveling, aber trotzdem findet diese ganze Debatte ja sehr hitzig statt im politischen Raum. Also müssen wir auch politisch darüber reden. Welche Folgen hat es denn, wenn Berlin Erdogans Ansinnen ablehnen würde? Können wir uns Ärger mit Ankara überhaupt noch leisten?
    Heveling: Die Frage, ob wir uns Ärger mit Ankara leisten können, das ist in der Tat eine politische Frage. Aber wir haben ja auch an vielen anderen Stellen Auseinandersetzungen mit der Türkei und die Frage des EU-Beitritts zum Beispiel haben wir in der Vergangenheit immer sehr restriktiv gesehen und auch für die Zukunft keine andere Entscheidung in Aussicht gestellt.
    Es gibt viele Felder, in denen wir ja auch mit der Türkei unterschiedlicher Auffassung sind. Insofern könnte das an dieser Stelle auch sein, wenn man dem Strafverlangen nicht nachgibt. Aber noch einmal: Wir prüfen da die Voraussetzungen, besteht die Möglichkeit, dass man dem Strafverlangen nachgeht oder nicht. Da gibt es viele gute juristische Gründe für, das Verfahren dann auch in Gang zu setzen.
    "Es ist ein Dilemma"
    Heuer: Herr Heveling, haben wir verstanden. Trotzdem noch einmal: Politisch steckt Angela Merkel jetzt in der Prüfung, die heute oder in den kommenden Tagen dann abgeschlossen sein soll, nicht in einem politischen Dilemma? Anders gefragt: Führt die Türkei die deutsche Kanzlerin gerade ein bisschen vor?
    Heveling: Die Türkei übt an der Stelle ohne Frage Druck aus. Es wäre vonseiten der Türkei sicherlich auch möglich gewesen zu sagen, wir stellen dieses Strafverlangen nicht. Das ist gar keine Frage. Und dass das für die weiteren Beziehungen insgesamt auch nicht einfach ist, wenn man jetzt sich auf das juristische Feld begibt, gar keine Frage. Aber noch einmal aus dem Blick der Bundeskanzlerin: Es ist ein Dilemma. Aber dann auf den Rechtsstaat zu verweisen, ist auch nicht falsch.
    Heuer: Kann das Abkommen mit der Türkei am Ende an Jan Böhmermanns Schmähgedicht scheitern?
    Heveling: Das glaube ich nicht, weil es ja auch eine Vereinbarung der Europäischen Union mit der Türkei ist und nicht mit der Bundesrepublik alleine.
    Heuer: Ansgar Heveling, CDU-Abgeordneter im Bundestag, Vorsitzender im Innenausschuss, Obmann im Ausschuss für Kultur und Medien. Herr Heveling, danke für das Gespräch heute früh.
    Heveling: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.