Freitag, 19. April 2024

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Causa Pofalla
"Die Deutsche Bahn braucht kein weiteres Vorstandsmitglied"

Es sei fraglich, was Roland Pofalla als Vorstand für die Bahn bewirken könne, da er bisher nicht mit Kenntnissen auf dem Feld geglänzt habe, sagt Anja Smetanin, Sprecherin des Verkehrsclubs Deutschland, im DLF-Interview. Das Gehalt könne viel sinnvoller an anderer Stelle eingesetzt werden.

Anja Smetanin im Gespräch mit Thielko Grieß | 06.01.2014
    Thielko Grieß: Wir bleiben erst einmal bei einem zweiten, bei einem weiteren Verkehrsthema, das viele bewegt: Die Pläne für eine Maut auf deutschen Autobahnen für Pkw. Alexander Dobrindt von der CSU ist neuer Verkehrsminister und hat damit die nicht ganz leichte Aufgabe übernommen, ein Konzept zu ersinnen, wie das gehen kann, ohne dass gegen Vorgaben verstoßen wird. Die Europäische Union verlangt bekanntlich, Inländer gegenüber Ausländern nicht zu bevorzugen, und Dobrindts Parteichef, Horst Seehofer, hat stets angekündigt, kein Inländer müsse am Ende mehr zahlen. Dobrindt setzt nun angeblich auf eine Vignette.
    Den möglichen Wechsel Ronald Pofallas zur Deutschen Bahn und die Skizze von Ideen für eine mögliche Vignette für Pkw auf deutschen Autobahnen nehmen wir jetzt mit ins Interview mit Anja Smetanin, Sprecherin des Verkehrsclubs Deutschland. Guten Tag, Frau Smetanin!
    Anja Smetanin: Guten Tag!
    Grieß: Haben Sie den Eindruck, der Deutschen Bahn fehlt ein Vorstand, der sich um politische Kontakte kümmert?
    Smetanin: Nein. Die Deutsche Bahn braucht kein weiteres Vorstandsmitglied, das ist absolut unnötig. Und wenn wir jetzt über Pofalla sprechen, dann ist einfach die Situation gegeben, dass Herr Pofalla bisher nicht mit Bahnkenntnissen überhaupt in Erscheinung getreten ist. Und wenn es jetzt um die nächsten wichtigen anstehenden Termine bei der Deutschen Bahn geht, ist absolut fraglich, was Herr Pofalla für die Deutsche Bahn da bewegen kann.
    Grieß: Um welche Termine geht es denn?
    Smetanin: Unter anderem wird im April im Europaparlament über noch mal die stärkere Trennung von Gleisnetz und -betrieb gesprochen. Dafür sprechen wir uns vom Ökologischen Verkehrsclub auch aus. Die Deutsche Bahn möchte das verhindern. Aber hier hat Herr Pofalla noch überhaupt keine Kenntnisse über die Materie.
    Grieß: Fürchten Sie denn, dass zum Beispiel ein möglicher Vorstand die Politik der Bahn dahingehend weiter vertritt, dass der Konzern integriert bleibt, das heißt, dass das Netz, also die Gleise und die Weichen, dass das alles im Besitz der Deutschen Bahn bleibt.
    Smetanin: Ganz genau, das ist das Ziel der Deutschen Bahn, deshalb nutzt man auch die Kontakte zu der Politik. Aber ob das nun geschehen kann, das ist wirklich einfach fraglich.
    Grieß: Halten Sie die Deutsche Bahn für zu sehr politisch bestimmt?
    Smetanin: Also, wir haben ja schon immer gesagt, dass es uns wichtig wäre, dass der Bund sich als Miteigentümer der Deutschen Bahn um das Unternehmen auch kümmert. Aber nicht über diese Art und Weise, was die Deutsche Bahn jetzt plant für die Zusammenarbeit mit Herrn Pofalla. Es wäre vielleicht besser, wenn die Bundesregierung einen Posten installiert mit einem Experten für die Bahn, damit einfach der Ausbau der Schieneninfrastruktur vorangeht, dass die Deutsche Bahn zu einem Unternehmen wird, wo Fahrgäste ja mehr die Bahn nutzen auch.
    Grieß: Nun zahlt aber ja auch der Bund zum Beispiel jedes Jahr einige Milliarden, um damit etwa den Nahverkehr, den Regionalverkehr zu unterstützen. Da ist es doch nur legitim, wenn die Politik sagt, dann wollen wir aber auch ein Wörtchen mitreden.
    Smetanin: Ja, sie kann ja gerne ein Wörtchen mitreden, aber eben dann mit einem Bahnexperten.
    Ziel nach 20 Jahren Bahnreform "noch immer nicht erreicht worden"
    Grieß: Die Deutsche Bahn hat 20 Jahre Bahnreform, na ja, zu feiern oder zumindest darauf zurückzublicken, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschehen ist, seit der Privatisierung, obwohl die Anteile ja noch nicht verkauft sind. Die gehören nach wie vor alle dem Staat. Wo sehen Sie die Deutsche Bahn zurzeit?
    Smetanin: Wir fangen mal so rum an, dass wir feststellen müssen, nach 20 Jahren Bahnreform ist das große Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, noch immer nicht erreicht worden. Es gibt zwar Zuwächse in allen drei Sparten, das heißt im Güterverkehr, Fernverkehr, im Nahverkehr, aber der Modal Split hat sich noch nicht verändert.
    Grieß: Der was?
    Smetanin: Der Modal Split, das heißt, die Anteile, wie viel fahren mit der Bahn, wie viel nutzen das Auto, wie viel sind mit dem Fahrrad unterwegs. Diese Anteile haben sich nicht verändert, das Verhältnis ist gleich geblieben. Dass eben mehr Menschen zum Beispiel auf der Autobahn unterwegs sind, als die Bahn zu nutzen. Da sind die Verhältnisse gleich geblieben, nur der Nahverkehr verzeichnet leichte Zuwächse. Und das liegt unter anderem auch daran, dass wir unheimlich viel in das Autobahnnetz investiert haben, im Gegensatz dazu erfolgte ein Rückbau bei der Schieneninfrastruktur. Und dies muss in den nächsten Jahren verändert werden.
    Grieß: Kritisieren Sie die Preispolitik der Deutschen Bahn, jährlich die Preisschraube ein bisschen weiter anzudrehen?
    Smetanin: Das tun wir in dem Fall, wenn es keine wesentlichen Verbesserungen für die Fahrgäste gibt. Und das war bisher nicht der Fall. Es wurde immer gesagt, die Energiekosten sind gestiegen, deswegen müssen wir die Preise erhöhen. Und deswegen können wir das auch nicht rechtfertigen. Sondern, wenn allerdings passieren würde, dass wir mehr Angebot auf die Schiene bringen, dass der Ausbau der Schiene vorangeht und dadurch ein besseres Angebot für die Fahrgäste tatsächlich entsteht, dann wäre eine Preiserhöhung auch zu rechtfertigen.
    Grieß: Nun hat die Politik aber als Ziel ausgegeben, dass sie möglichst wenig zahlen muss für die Deutsche Bahn, anders als vor 20 Jahren. Das wäre dann ja nicht mehr möglich. Also dann würden die Zahlen ja ins Rote rutschen.
    Smetanin: Die Frage ist auch, wie ich die Gelder verteile. Also wofür gebe ich wiederum Geld aus. Da kommen wir wieder zurück zu der Personalie Herr Pofalla. Könnten wir dieses Geld für sein Jahresgehalt nicht viel besser an anderer Stelle einsetzen? Und dies ist sicherlich bei anderen Punkten wieder der Fall: Wo verteilen wir die Gelder hin, bauen wir große Bahnhöfe? Jetzt im Koalitionsvertrag ist zum Beispiel festgehalten worden, erst mal grundsätzlich, was positiv zu beurteilen ist, dass es mehr um den Ausbau anstatt um den Neubau gehen soll. Aber das sind auch bisher nur Absichtserklärungen, wir wissen noch nicht, was tatsächlich passiert. Und hier sollte zum Beispiel auch der Bund, die Deutsche Bahn schauen, den Ausbau der Schieneninfrastruktur wirklich in den Vordergrund zu stellen und zu schauen, wir brauchen Überholgleise, wir brauchen den Ausbau der Bahnhöfe, die Elektrifizierung muss in den Vordergrund gestellt werden, anstatt zum Beispiel ein Neubau von Bahnhöfen.
    "Pkw-Maut bleibt ökologisch einfach kontraproduktiv"
    Grieß: Kommen wir kurz noch, Frau Smetanin, auf das Thema Maut. Freuen Sie sich, dass Sie sich vielleicht demnächst eine Vignette auf die Frontscheibe kleben können?
    Smetanin: Nein, auf gar keinen Fall. Also, egal, ob das Konzept nun von Herrn Dobrindt mit der Mautstaffelung, oder, wie wir es im Dezember schon besprochen haben, die Pkw-Maut bleibt ökologisch einfach kontraproduktiv und auch ungerecht, denn sie verleitet einfach zum Mehrfahren, sie hat keine ökologische Lenkungswirkung. Denn wenn Sie regelmäßig wenig fahren, bezahlen Sie noch immer genau so viel, wie wenn Sie jeden Tag über die Autobahn mit einem großen Auto fahren. Das bleibt einfach ungerecht, auch mit einer Mautstaffelung.
    Grieß: Also auch diese Staffelung, die wollte ich gerade ansprechen, die da jetzt im Raum steht. Da ist ja einiges vielleicht auch geplant für kleinere Wagen, für schadstoffärmere Wagen. Haben Sie das schon durchgerechnet? Wiegt sich das nicht auf?
    Smetanin: Wir haben einmal durchgerechnet. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir schaffen auf der anderen Seite wieder ein riesiges bürokratisches Monster, wir schaffen mehrere Hundert Mautbeträge, und jeder Autobesitzer müsste dann erst mal zu einer Berechnungsstelle, damit sein individueller Mautbetrag errechnet wird. Das wird unheimlich viel kosten, und damit sinkt der Nutzen der Maut.
    Grieß: Anja Smetanin, Sprecherin des Verkehrsclubs Deutschland. Danke schön für das Gespräch heute Mittag und einen schönen Tag!
    Smetanin: Gleichfalls, danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.