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Causa Pofalla
Grünen-Chefin Peter: "Brauchen Karenzzeiten von mehreren Jahren"

Grünen-Chefin Simone Peter verlangt Aufklärung über den angeblichen Wechsel von Ex-Kanzleramtschef Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn. Wenn über einen Posten im Bahn-Vorstand schon während Pofallas Amtszeit beraten worden sein sollte, wäre dies eine "Postenschacherei", sagte Peter im Deutschlandfunk.

Simone Peter im Gespräch mit Silvia Engels | 06.01.2014
    Silvia Engels: Nach wie vor haben weder der ehemalige Kanzleramtsminister Pofalla von der CDU noch der deutsche Bahn-Vorstand bestätigt, dass der CDU-Politiker tatsächlich auf einen Vorstandsposten bei dem Staatsbetrieb wechselt. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn gab vielmehr gestern eine Presseerklärung heraus: Danach habe er bei seiner letzten turnusmäßigen Sitzung keine Kenntnis zur Erweiterung des Vorstands oder eines neuen Vorstandsressorts. Das würde zur Meldung des Magazins "Der Spiegel" und der Nachricht von der Zeitung "Die Welt" passen, wonach die Personalie Pofalla auf Widerstand in Teilen des Bahn-Aufsichtsrates stößt. Doch ein komplettes Dementi der Wechselpläne Pofallas gibt es auch nicht.
    Und am Telefon ist Simone Peter. Sie ist eine von zwei Vorsitzenden der Grünen, guten Morgen, Frau Peter!
    Simone Peter: Guten Morgen, Frau Engels!
    Engels: Glauben Sie, dass der Wechsel von Kanzleramtschef Pofalla – das war er jedenfalls bis vor wenigen Wochen – zur Deutschen Bahn in die Vorstandsebene doch nicht kommt?
    Peter: Zunächst mal sind wir daran interessiert, ob und seit wann diese Personalie bei der Bahn behandelt wird, seit wann das bekannt ist, hat Herr Pofalla tatsächlich schon während seiner Amtszeit als Kanzleramtsminister diesen Wechsel vorbereitet, das wäre jetzt mal in erster Linie von Interesse. Wenn hier Entscheidungen gefallen sind beziehungsweise Entscheidungen vorbereitet wurden, dann müssen das Bahn und Politik, sprich die aktuelle Bundesregierung, doch sehr, sehr schnell aufklären im Interesse der Öffentlichkeit.
    Engels: Die Zeitung "Die Welt" zitiert heute auch Vorstandsmitglieder, die diese Personalie mit Skepsis sehen. Könnte das Ansehen der Bahn im Fall des Wechsels leiden?
    Peter: Ich meine, das Ansehen der Bahn, aber auch der Politik, die ja immer wieder mit Politikverdrossenheit auch zu kämpfen hat, würden darunter sehr leiden. Wenn es tatsächlich so ist, dass Herr Pofalla den Wechsel vorbereitet hat, selber in Personalentscheidungen der Bahn, hohe Positionen, sprich den Aufsichtsratsvorsitzenden, mitbeteiligt war und dort auch Interessen der CDU durchgesetzt hat, dann ist das doch eine Postenschacherei, die grundsätzlich negativ zu bewerten ist und die damit eben auch für einen schlechten Ruf für beide Seiten sorgt. Da ist eine sehr unglückliche Verquickung von Wirtschaft und Politik vorhanden, die man nur mit langfristigen Karenzzeiten überwinden kann.
    Engels: Langfristige Karenzzeiten werden schon länger angemahnt. Vor einigen Wochen hatten Sie über den Wechsel von CDU-Staatsminister von Klaeden zu Daimler gesagt, das habe mehr als nur ein Geschmäckle. Was wäre denn nun der Fall Pofalla?
    Peter: Na ja, es ist schon im wiederholten Falle, erst von Klaeden, jetzt Pofalla aus dem Kanzleramt, Wechsel in die Wirtschaft, etwas, was mehr ist als nur Eine-Hand-wäscht-die-andere. Ein enger Austausch zwischen Wirtschaft und Politik. Wir wollen den Lobbyismus, der vonseiten der Wirtschaft in die Politik reinragt, bekämpfen. Das heißt zum einen – das ist ja auch schon von uns durchgesetzt und gefordert worden – das Öffentlichmachen, welche Aufsichtsratsgehälter, sonstige Einkommen von Politikern wahrgenommen werden, angenommen werden. Das Zweite ist, dass es langfristige Übergangszeiten geben muss, nicht nur eine kurze Abkühlzeit, wie das Herr Grube im Fall Pofalla benennt, von wenigen Monaten, sondern Karenzzeiten von mehreren Jahren, damit diese enge Verquickung aufhört.
    Engels: Wie lang sollte diese Karenzzeit sein? 18 Monate wie auf EU-Ebene bei den Kommissaren?
    Peter: Also, ich meine, das ist eine Minimumfrist. Man sollte über zwei bis drei Jahre nachdenken.
    Engels: Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Stegner hat am Wochenende argumentiert, es sei kein handfester Skandal, wenn ein Regierungsmitglied zu einem Staatskonzern wechsele, gravierender sei es, wenn man direkt in die Privatwirtschaft gehe. Wollen Sie da auch einen Unterschied machen?
    Peter: Nein, also, wenn es jetzt darum geht, als politischer neuer Vorstand bei der Bahn die Wettbewerbsregeln auf EU-Ebene mitzubestimmen, dann sehe ich da keinen Unterschied zwischen Staatskonzern und Privatwirtschaft. Also, auch hier muss eine Distanz gewahrt sein, auch hier verlangen wir, dass der Interessenskonflikt aufgelöst wird, dass es keine so enge Verbindung gibt, zumal dann auch schon Vorbereitungen während den Amtszeiten laufen. Das ist unglücklich, ich würde diese Differenzierung nicht machen.
    Engels: Das Argument dahinter lautet ja, dass Politiker beim Staatskonzern Deutsche Bahn ja ohnehin mitreden. Warum sollte das dann so verwerflich sein?
    Peter: Na ja, mitreden ist das eine. Ich glaube, Herr Grube als Bahn-Vorstand ist ja auch eng vernetzt in die Politik. Das andere ist, wie schnell und wie eng diese Entscheidungen auch über die Ämter laufen. Also, man muss schon sehr aufpassen, dass es hier nicht an Amtsmissbrauch grenzt, wenn Personalentscheidungen so hin- und herfallen, dass eine konkrete Einflussnahme auch in den Konzernen gibt. Ich meine, man muss hier auch dafür sorgen, dass ein Abstand gewahrt ist, dass Transparenz gewahrt bleibt und dass nach Qualifikation entschieden wird und nicht nach Parteibuch.
    Engels: Sie verlangen nun Neuregelungen, was die Karenzzeiten angeht. Erwarten Sie auch etwas vom Kanzleramt?
    Peter: Das Kanzleramt schweigt auch diesmal viel zu lange. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung sagt, Herr Pofalla gehört jetzt nicht mehr der Regierung an, das interessiert uns nicht mehr. Es scheint ja doch so zu sein, dass es schon länger vorbereitet wird, die Regierung ist jetzt gerade mal ein paar Wochen im Amt. Ich verlange von Frau Merkel beziehungsweise von der Bundesregierung, dass sie dazu Stellung nimmt, dass sie auch klarmacht, welche Rolle der Bahn-Konzern hier spielt, welche unabhängige Rolle er auch einnehmen muss, auch wenn er Staatskonzern ist, muss er unabhängig handeln. Und von daher ist eine Aussage dringend notwendig, wie die Rolle von Herrn Pofalla zu werten ist.
    Engels: Und was tun Sie, wenn Frau Merkel sich nicht äußert?
    Peter: Na, wir bleiben am Ball, wir werden sie weiterhin darauf drängen. Wir haben mehrfach jetzt deutlich gemacht, dass solche Postenschacherei nicht in unserem Sinne sind, wir werden von Bahn und der Bundesregierung verlangen, hier für Transparenz zu sorgen.
    Engels: Transparenzforderung ist das eine, würden Sie auch so weit gehen, so etwas wie einen Untersuchungsausschuss anzustreben?
    Peter: Das muss man jetzt mal sehen. Man kann nicht alle paar Tage einen Untersuchungsausschuss einfordern, da haben wir jetzt mit dem Datenschutzskandal zunächst mal eine große Herausforderung. Aber es wird doch notwendig sein, dass die Bundesregierung sich äußert, dass auch die Bahn ihr Schweigen bricht. Wenn Herr Grube diese Personalie seit einiger Zeit vorbereitet, dann muss es auch in seinem Interesse sein, auch um den Aufsichtsrat für sich zu gewinnen – da scheint es ja Widerstand zu geben –, für Transparenz zu sorgen und eine qualifizierte Person einzusetzen.
    Engels: Medien berichten aber auch, dass Pofalla seine neue Position bei der Bahn, wenn es so weit kommt, ohnehin erst in einigen Monaten antreten würde. Ist damit Ihre Forderung nach Karenz nicht bereits erfüllt?
    Peter: Nein, also, wenn einige Monate heißt, bis zu Beginn der Sommerpause, dann ist das gerade mal ein knappes halbes Jahr. Das halte ich für durchaus zu wenig, vor allen Dingen, weil die Entscheidung ja offenbar schon zu Amtszeiten gefallen ist oder kurz danach, was auch immer. Wir haben mehrfach deutlich gemacht, dass wir Karenzzeiten von mehreren Jahren brauchen, um eine deutliche Abkoppelung zwischen dem Amtsausscheiden und der Entscheidung für diese Personalie in der Wirtschaft herzuleiten. Und ich glaube, daran muss man auch weiterhin festhalten.
    Engels: Politiker vieler Parteien, auch der Grünen, wechseln kurz nach ihrem Amt in gut bezahlte Wirtschaftsposten oder Beraterverträge, Joschka Fischer ist nur ein Beispiel. Klagen Politiker über so etwas nur, solange sie die Oppositionsbank drücken?
    Peter: Das möchte ich nicht hoffen, ich mache da keine Unterscheidung in Parteibüchern. Man muss natürlich genau sehen, welche Ämter und Funktionen sind das, ist das ein direkter Wechsel, ist es Beratung. Aber grundsätzlich meine ich, dass der Abstand zwischen der politischen Tätigkeit und der Wahrnehmung von wirtschaftlichen Interessen, dass der gewahrt werden muss, dass da ein Abstand sein muss, unabhängig von der politischen Couleur. Daran müssen sich auch Grüne messen lassen, das steht außer Frage.
    Engels: Simone Peter, sie ist Vorsitzende der Grünen. Wir sprachen mit ihr über den möglichen Wechsel des ehemaligen Kanzleramtschefs Pofalla auf die Vorstandsebene der Deutschen Bahn und über die gesetzlichen Regelungen, die dazu möglicherweise ausstehen. Vielen Dank für das Gespräch!
    Peter: Sehr gern, Frau Engels, tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.