Donnerstag, 28. März 2024

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CDU-Außenexperte Röttgen
"Nordkorea geht es darum, sein brutales Regime zu schützen"

Nur durch das Zusammenwirken der USA und Chinas könne das Nordkorea-Problem gelöst werden, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im Dlf. Mit seiner Rhetorik wolle US-Präsident Donald Trump vor allem China verdeutlichen, dass es Nordkorea eindämmen müsse.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Peter Kapern | 10.08.2017
    Norbert Röttgen spricht während eines Interviews in seinem Bundestagsbüro vor einer Bücherwand.
    Norbert Röttgen während eines Interviews in seinem Bundestagsbüro (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Peter Kapern: "Feuer und Zorn" werde Nordkorea treffen, so US-Präsident Donald Trump. Diplomaten in aller Welt schütteln den Kopf und die normalen Menschen halten den Atem an. Und Nordkorea? Nordkorea legt im Krieg der Worte nach!
    Und bei uns am Telefon ist Norbert Röttgen von der CDU, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Morgen, Herr Röttgen!
    Norbert Röttgen: Guten Morgen, Herr Kapern!
    Kapern: Herr Röttgen, "Feuer und Zorn"! Muss uns da jetzt langsam angst und bange werden?
    Röttgen: Also, die Lage ist ernst, sie wird auch zunehmend ernst mit den militärisch-technischen Fortschritten, die Nordkorea macht. Und bei meiner Einschätzung bleibt es dabei, trotz der Rhetorik des Präsidenten, der etwas ausspricht, was undenkbar ist – andere haben sich ja anders eingelassen, wie der amerikanische Außenminister –, dass es nur eine Lösung gibt für das Nordkorea-Problem durch das Zusammenwirken von den USA und China. Aus meiner Sicht bleibt es bei aller Rhetorik des Präsidenten bei dieser Grundeinsicht. Vielleicht, das ist interpretiert, vielleicht dient alles dazu auch, um China zu verdeutlichen: Ihr müsst langsam ernst machen auch damit, Nordkorea einzudämmen.
    "Ein undenkbares Szenario"
    Kapern: Sie sagen, es bleibt bei dieser Grundansicht. Aber es stellt sich ja die Frage, ob diese Grundansicht auch tatsächlich bei Donald Trump vorherrscht! Man kann sich bei der Wortwahl, die er da an den Tag legt, ja auch vorstellen, dass er mit Schaum vorm Mund und zittrigem Finger vor dem roten Knopf sitzt!
    Röttgen: Ja, das ist sozusagen ein Angstszenario. Trotzdem glaube ich es nicht. Er begibt sich ja sozusagen auf das Sprachniveau seines Gegenübers in Nordkorea, eines Diktators. Darum ist das mit nichts zu rechtfertigen, ich will es auch nicht irgendwie sozusagen in einen Sinnzusammenhang bringen, trotzdem bin ich davon überzeugt, dass alle, die dort Verantwortung tragen, wissen, dass das, was Trump gesagt hat, ein undenkbares Szenario ist. Es ist ja auch die Andeutung sozusagen eines Nukleareinsatzes doch gemacht worden, wie es auch von nordkoreanischer Seite ja ausdrücklich angedroht wird. Das halte ich für völlig undenkbar, weil eine undenkbare Katastrophe das beinhalten würde. Und darum, glaube ich, ist es im Kern und am meisten ein Verhalten, das zeigen soll und vielleicht auch zwingen soll andere Akteure, nun ernst zu machen und nicht Nordkorea weiter zuzuschauen, wie die Atomwaffe gegen die USA entwickelt wird.
    Kapern: Herr Röttgen, solche Dinge, die Sie gerade mehrfach als undenkbar bezeichnet haben, sind schon geschehen. Warum sind sie dann undenkbar?
    Röttgen: Nein, sie sind so nicht … Es gibt für das, was wir dort sehen, kein historisches Beispiel, weil es eine Katastrophe ist, die keinen Gewinner erzeugen würde. Es wäre nur unermessliches Leid für Hunderttausende von Menschen und darum ist das irrational. Präsident Truman, der Präsident, der verantwortlich war für Hiroshima und Nagasaki und die Entscheidung doch getroffen hat, hat in seiner Abschiedsrede gesagt: Einen Atomkrieg zu beginnen, ist für einen vernünftigen, einen rationalen Menschen undenkbar. Das war seine Abschiedsrede nach seiner Amtszeit und das ist bis auf den heutigen Tag richtig.
    Ein Fernsehschirm in Südkorea zeigt US-Präsident Trump.
    Ein Fernsehschirm in Südkorea zeigt US-Präsident Trump. (dpa / AP / Lee Jin-man)
    Kapern: Sie haben eben gesagt, Herr Röttgen, Rex Tillerson, der Außenminister der Vereinigten Staaten habe sich da auch anders eingelassen als Donald Trump, um so ein wenig Sorgen zu beruhigen. Aber ich möchte daran erinnern: Rex Tillerson war es, der vor einigen Wochen schon die strategische Geduld der USA mit Nordkorea für beendet erklärt hat. Glauben Sie, dass der wirklich einen anderen Kurs fährt als Donald Trump?
    Röttgen: Wenn er einen anderen Kurs führe, hieß es ja, Trump hätte auch einen anderen Kurs. Und am Ende hat sich bislang immer noch gezeigt: Trump ist der Boss. Aber es ist auffällig, dass Tillerson, der Außenminister, völlig anders geredet hat. Er hat gesagt, in den letzten 24 Stunden hat sich die Lage nicht verändert, die Amerikaner brauchen keine Sorgen zu haben, sie können ruhig schlafen. Ich glaube, dass genau das auch der Lage entspricht. Aber – und das wiederum ist auch die Aussage, dass die Geduld endet – die Uhr läuft. Die Nordkoreaner haben in der Entwicklung einer interkontinentalen, ballistischen Rakete, die einen Atomsprengstoff trägt, überraschende Fortschritte gemacht. Es liegt auch übrigens die Vermutung nahe, dass sie das nicht aus eigenen Fähigkeiten und nicht ohne Hilfe von außen erreicht haben. Und diese sozusagen nukleare Bedrohung der USA und des US-Bodens, das ist etwas, was sozusagen Zeit- und Erfolgsdruck erzeugt. Und das ist übrigens auch das Eigentliche, was den Ernst und die Gefährlichkeit der Lage begründet, dass in gewisser Weise die Uhr läuft.
    Kapern: Woher bekommt Nordkorea Hilfe bei der Entwicklung seiner Nuklearwaffen?
    Röttgen: Das weiß ich nicht. Da kann man nur spekulieren, welche Länder ein Interesse haben zu destabilisieren.
    Kapern: Tun Sie das doch mal für uns!
    Röttgen: Ich will mich daran nicht beteiligen, öffentlich, an diesen Spekulationen. Eins ist nur klar: Man kann infrage stellen, ob China sozusagen einfach den Daumen senken kann und das Spiel in Nordkorea beenden kann in der Entwicklung, der Atomwaffe, das kann man infrage stellen, auch das Verhalten von Nordkorea gegenüber China war nicht immer nur sozusagen von Unterordnung geprägt. Aber ich glaube, China hat noch mehr Möglichkeiten, die es einsetzen kann. Es gibt ja auch positive Zeichen. Erst vor, wann war es, ein, zwei Wochen hat der UNO-Sicherheitsrat mit der Stimme Chinas und übrigens Russlands massive, zum ersten Mal wirklich massive Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea erlassen. Und jetzt geht es natürlich auch darum, dass diese auch durchgeführt und umgesetzt werden. Und auch dies mag vielleicht jetzt sichergestellt werden durch das Verhalten und die Rhetorik der USA, um zu zeigen: Leute, wir meinen es und es ist wirklich ernst, ihr müsst jetzt auch umsetzen, was ihr beschlossen habt!
    Kapern: Herr Röttgen, ich komme gleich noch mal auf China zurück. Nur noch mal eine Nachfrage zum nordkoreanischen Atomarsenal: Können sich die USA nicht damit abfinden, dass Nordkorea Langstreckenatomwaffen besitzt?
    "Eine unmittelbare, ausgesprochene nukleare Zerstörungs- und Angriffsdrohung"
    Röttgen: Davon kann man ausgehen, dass die USA sagen: Damit können wir uns nicht abfinden.
    Kapern: Warum, sie tun das doch im Falle anderer Länder auch?
    Röttgen: Genau, aber sie sagen trotzdem: Unsere Position ist die, dass wir durch dieses Land nicht nuklear verwundbar werden wollen. Das ist ja auch verständlich, ist doch klar, das ist sozusagen ein Diktator, der heute schon erklärt, ich werde morgen die Pläne zum Angriff auf Guam vorlegen. Also, das ist eine unmittelbare, ausgesprochene nukleare Zerstörungs- und Angriffsdrohung, die kein Land akzeptieren kann.
    Kapern: Aber es ist, Herr Röttgen, wenn ich da mal kurz eingreifen darf, auch ein Diktator, dem von allen Experten immer wieder unterstellt wird, dass er eigentlich sehr rational handelt, weil er einfach nur das Überleben seines schrecklichen Regimes sichern will.
    Kim Jong-un kniet bei der Überwachung eine Militärübung.
    Kim Jong-un kniet bei der Überwachung eine Militärübung. (dpa / picture alliance)
    Röttgen: Ja, aber trotzdem würde ich … ist das immer noch nicht genug, um sozusagen Toleranz anzumahnen dafür, dass man eine nukleare Bedrohung eben gegen einen solchen Diktator hinnehmen muss. Das tun die … Also, die erste Frage ist: Können das die USA, wie haben Sie formuliert: akzeptieren, hinnehmen? Nein, ihre Politik ist, dass sie das nicht hinnehmen. Und ich finde es auch immer besser so, wenn solche Länder nicht über nukleare Fähigkeiten und Zerstörungspotenziale verfügen. Das sollte auch das Ziel der internationalen Gemeinschaft sein, übrigens auch aller in der Region Betroffenen. Ich finde, das ist völlig richtig. Das Zweite ist auch richtig, was Sie sagen: Die Einschätzung ist – aber es ist auch nur eine Einschätzung, eine Interpretation –, dass es im Kern Nordkorea und dem Diktator darum geht, durch nukleare Zerstörungsfähigkeit anderer, vor allen Dingen Angriffsfähigkeit gegenüber den USA sein Regime, sein diktatorisches, brutales Regime zu schützen.
    "China ist auf Stabilität ausgelegt"
    Kapern: Sie haben eben gesagt – es kommt mir jetzt auf China an –, China müsse, auch wenn die Möglichkeiten möglicherweise eingeschränkt sind, jetzt endlich tun, was es denn kann. Da stellt sich ja die Frage: Warum sollte China das wollen? In dem Moment, wo China sagt, wir übernehmen jetzt die Eigentümerschaft für die Problemlösung, hat es ja ein Problem am Bein!
    Röttgen: Also, Eigentümerschaft hat China auch, je mehr sich die Lage ernst zuspitzt und entwickelt. Es gibt eine lange Grenze zwischen Nordkorea und China, China hat an Destabilisierung und schon gar von kriegerischer Eskalation in seiner Nachbarschaft und Region überhaupt kein Interesse, China ist auf Stabilität ausgelegt, es hat selber innere Schwierigkeiten, kann also solche Konflikte außen nicht gebrauchen. Und darum gibt es, je mehr es sozusagen auch eskaliert, ein zunehmendes chinesisches Interesse, diese Eskalation zu beenden. Das drückt sich ja auch in einem durchaus veränderten Verhalten Chinas aus.
    Kapern: Das Sie woran erkennen?
    Röttgen: Zum Beispiel in dem eben erwähnten Beschluss des Sicherheitsrates für wirklich dem Beschluss nach massive Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea.
    Kapern: Andererseits hat der Botschafter Chinas bei den Vereinten Nationen kürzlich gesagt: Wenn die USA ein Problem mit Nordkorea haben, dann sollen sie doch miteinander reden!
    Röttgen: Genau, das sagen sie auch, aber eben … Das stimmt auch, was Sie sagen, aber man sieht eben, dass es jetzt trotzdem zu dieser Sicherheitsratsentscheidung gekommen ist, die eine Veränderung ist in der Politik. Derartig massive Sanktionen, die vor allen Dingen Exportverbote betreffen, von denen vor allem wiederum China betroffen ist, hat es noch nicht gegeben. Die sind mit der Stimme Chinas beschlossen worden und auch mit einer öffentlichen Kommentierung Chinas, die auch sich gegen Nordkorea und sein Programm wendet.
    Kapern: Und Europa ist dann in der Zuschauerrolle?
    Röttgen: Also, um es nüchtern und ehrlich zu sagen: Ja.
    Kapern: Norbert Röttgen war das, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags. Herr Röttgen, vielen Dank für das Interview, ich wünsche Ihnen einen guten Tag!
    Röttgen: Ich danke Ihnen, Herr Kapern!
    Kapern: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.