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CDU beharrt auf Plänen zur Kindergelderhöhung

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verteidigt die Forderung seiner Partei nach einer Erhöhung des Kindergeldes gegen Kritik des Koalitionspartners SPD. "Wir wollen die Schwelle zum Hartz-IV-Bezug senken, indem wir die direkten Kindergeldleistungen erhöhen", sagte er. Die SPD hingegen wolle "Umverteilung zwischen den Familien", das werde es mit der Union nicht geben.

Moderation: Stefan Heinlein | 11.02.2008
    Stefan Heinlein: Noch sind die Wunden des hessischen Wahlkampfes nicht gänzlich vernarbt; schon droht neuer Streit innerhalb der Koalition. Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in Hamburg riskiert die CDU erneut einen offenen Schlagabtausch mit den Sozialdemokraten. In der Hansestadt wird die Parteiführung heute eine Erklärung verabschieden: Mehr Kindergeld ab dem kommenden Jahr, so das Versprechen. Der SPD wird dies allerdings nur wenig gefallen, denn die Genossen wollen einen ganz anderen Weg der Familienförderung einschlagen. Die politische Schlacht um die richtige Familienpolitik geht damit in eine neue Runde. ( MP3-Audio , Beitrag von Sabine Adler)

    Am Telefon begrüße ich jetzt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Guten Morgen!

    Ronald Pofalla: Guten Morgen, Herr Heinlein!

    Heinlein: Herr Pofalla, geht es Ihrer Partei so schlecht? Müssen Sie Wahlkampfgeschenke verteilen, um in Hamburg zu gewinnen?

    Pofalla: Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Wir werden im Herbst das Existenzminimum und die Berechnung des Existenzminimums von Seiten der Bundesregierung zu überprüfen haben, und es ist jetzt schon absehbar, dass es hier zu Veränderungen kommt. Und wenn es zu Veränderungen auf der Ebene des Existenzminimums kommt, muss das Auswirkungen auch auf die Zahlungen des Kindergeldes haben. Dieser Zusammenhang ist evident und durch das Bundesverfassungsgericht vorgegeben.

    Heinlein: Aber bisher, Herr Pofalla, war doch die Absprache, dass die Koalition gemeinsam im Herbst über die Kindergelderhöhung entscheidet. Warum preschen sie jetzt vor?

    Pofalla: Die SPD hat über ihre Kommission, die sie eingesetzt hat und die Herr Jüttner führt, Vorschläge gemacht, die wir für nicht akzeptabel halten. Sie haben vorgeschlagen, das Kindergeld einzufrieren, und es ist sogar vorgeschlagen worden, eine Senkung des Kinderfreibetrages vorzunehmen. Ich halte gar nichts davon, Familien untereinander auszuspielen, wie es die SPD jetzt versucht. Die SPD ist hier auf einem falschen Weg. Sie will Umverteilung zwischen den Familien. Das wird es mit der Union nicht geben.

    Heinlein:! Haben Sie denn ihren Vorschlag mit dem Koalitionspartner abgestimmt? Sie sind doch gemeinsam in der Regierung.

    Pofalla: Aber wir tagen heute als Präsidium der CDU, und als Präsidium der CDU bekennen wir uns heute dazu, dass wir das Kindergeld zum 1. Januar 2009 erhöhen wollen. Die Höhe des Anstiegs werden wir dann im Herbst festlegen, wenn die Berechnungen zum Existenzminimum vorliegen. Und die Vorschläge der SPD laufen ja darauf hinaus, den vorhandenen Abstand beispielsweise der Zahlungen für Kinder im Hartz-IV-Bezug und Kinder, die normales Kindergeld bekommen, zu erhöhen. Das wird es mit uns nicht geben. Es geht doch heute genau darum, das Armutsrisiko Nummero 1 in deutschen Familien, nämlich Kinder, zu verringern. Dafür bedarf es direkter Erhöhungen beim Kindergeld, um dieses Armutsrisiko zu senken.

    Heinlein: Aber Herr Pofalla, das Kindergeld bekommt doch jeder, ob arm oder reich. Ist denn diese Familienförderung mit der Gießkanne noch zeitgemäß?

    Pofalla: Es gibt heute eine Anreizsituation, weil die Kindergeldleistungen im Zusammenhang mit Hartz IV höher sind als die normalen Zahlungen, und wir wollen diese Schwelle absenken, damit es diese Anreizsituation nicht mehr gibt. Deshalb sind wir der Auffassung, man darf nicht sagen, ich nehme den Familien, die ihre Kinder zu Hause erziehen, das Geld weg, um beispielsweise, wie es die SPD tut, Krippenplätze zu fördern. Das ist in höchstem Maße unfair, und diese Entwicklung wird es mit uns nicht geben.

    Heinlein: Herr Pofalla, Michael Schumacher braucht das Kindergeld doch sicherlich weniger als eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin. Die braucht aber eine gute Betreuung für ihren Nachwuchs, damit sie wieder am Arbeitsleben teilnehmen kann. Das Kindergeld ändert daran nichts.

    Pofalla: Aber es geht doch heute darum, Familien, insbesondere Alleinerziehende mit Kindern, erst gar nicht in die Situation zu bringen, dass sie auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind im Blick auf die Unterstützung ihrer Kinder. Deshalb ist der andere Weg doch der richtige, das Kindergeld direkt zu erhöhen, um damit das Armutsrisiko zu senken und damit Familien, insbesondere Alleinerziehende, aus der Situation herauszubringen, nur wegen der Kinder in den Hartz-IV-Bezug zu kommen. Deshalb sind wir ja auch für eine Veränderung des Kinderzuschlages. Der Kinderzuschlag soll ja um etwa 200 Millionen Euro erhöht werden, und der Kinderzuschlag soll doch gerade die Eltern, die arbeiten, aber weniger bekommen als den Hartz-IV-Bezug, aus dem Hartz-IV-Bezug rausbringen. Mit beiden Instrumenten gelingt es uns, diese Brücke herzustellen und Familien aus dem Hartz-IV-Bezug herauszunehmen: Erhöhung des Kinderzuschlages im Blick auf die Anzahl der Geförderten, wir wollen 250.000 Kinder in diesem Jahr mit dem Kinderzuschlag zusätzlich fördern, und auf der anderen Seite den direkten Kindergeldbezug erhöhen.

    Heinlein: Bleiben wir, Herr Pofalla, beim Kindergeld. Über wie viel Geld reden wir denn? Was schwebt Ihrer Partei vor ab dem nächsten Jahr? Sieben, acht oder zehn Euro, oder wird es tatsächlich ein großer Sprung?

    Pofalla: Nein. Wir müssen ja jetzt erstmal die Berechnungen zum Existenzminimum abwarten.

    Heinlein: Irgendeine Vorstellung werden Sie doch haben.

    Pofalla: Wir haben Vorstellungen, aber Zahlen können jetzt nicht genannt werden, weil: Unsere Vorstellungen müssen ja in Einklang gebracht werden mit den Berechnungen, die die Bundesregierung zum Existenzminimum anstellt.

    Heinlein: Also eher 5 statt 50 Euro.

    Pofalla: Wenn Sie mich vielleicht ausreden lassen: Eine denkbare Option ist ja beispielsweise, die Kindergelderhöhung nach der Anzahl der Kinder zu staffeln, weil dieses die Schwelle zum Hartz IV senkt. Solche Überlegungen werden wir im Rahmen der Beratungen anstellen müssen.

    Heinlein: Also künftig eine Staffelung, das ist ja neu, eine Staffelung des Kindergeldes? Bisher gab es ja vom ersten bis zum dritten Kind das gleiche Kindergeld.

    Pofalla: Wir haben heute schon Staffelungen, die unterscheiden zwischen Mehrkinderfamilien und einer Einkindfamilie. Die Frage ist, ob man beispielsweise diese Staffelung noch ausbaut, weil ja insbesondere Mehrkinderfamilien und ganz besonders Alleinerziehende mit mehreren Kindern mit einem hohen Armutsrisiko ausgestattet sind. Deshalb wäre es beispielsweise eine denkbare Option, hier zu einer Staffelung zu kommen.

    Heinlein: Welchen Sinn, Herr Pofalla, macht denn eine Kindergelderhöhung, wenn sie koalitionsintern, und das haben Sie ja bestätigt, nicht abgestimmt ist? Das riecht doch sehr nach einem parteipolitischen Manöver jetzt im Wahlkampf in Hamburg.

    Pofalla: Ja, aber ich kann noch mal daran erinnern. Herr Jüttner hat vor zwei Wochen über seine Kommission, die er innerhalb der SPD führt, Teilvorschläge offenbart. Er hat mitgeteilt, die SPD will keine Kindergelderhöhung, und er hat mitgeteilt, dass der Kinderfreibetrag gesenkt werden soll. Auf diese Vorschläge reagieren wir jetzt, weil wir sie aus den Gründen, die ich genannt habe, für falsch halten.

    Heinlein: Eine Retourkutsche?

    Pofalla: Es geht nicht um Retourkutsche, sondern wenn die SPD ihre Vorstellungen vorträgt, dann wird ja wohl die größte Regierungspartei, die Union, ihre Vorstellungen im Zusammenhang mit der Familienförderung und insbesondere der Kinderförderung dann auch offen auf den Tisch legen können.

    Heinlein: Ist der Koalitionsstreit, und so muss man es ja wohl nennen, um das Kindergeld, um das Betreuungsgeld, Sie haben es erwähnt, oder den Kinderzuschlag - das steht auch noch im Raum - eine ideologische Auseinandersetzung um das künftige familienpolitische Leitbild in unserer deutschen Gesellschaft?

    Pofalla: Ich glaube nicht, und es geht auch nicht um Ideologie. Wir sind uns ja im Wesentlichen beispielsweise im Zusammenhang mit der Förderung der unter Dreijährigen und dem Ganztagsbetreuungsangebotsausbau bis zum Jahre 2013 einig. Aber es geht auch darum, dass das, was wir im Koalitionsausschuss vereinbart haben, jetzt die Plätze so auszubauen, dass jedes dritte Kind bis zum Jahre 2013 einen Platz bekommt und das auch mit einem Rechtsanspruch versehen wird, dass dann nach dem Jahre 2013 auch das Betreuungsgeld eingeführt wird für die Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen.

    Heinlein: Wie hoch schätzen Sie denn die Chancen ein, dass in den genannten Punkten sie mit der SPD eine gemeinsame Lösung hinbekommen, oder wollen sie mit ihrem Parteienstreit die Öffentlichkeit noch länger beschäftigen?

    Pofalla: Ich gehe davon aus, dass, wenn die Berechnungen zum Existenzminimum vorliegen, wir im Koalitionsausschuss darüber beraten werden, und ich gehe auch davon aus, dass wir am Schluss zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, weil unsere Argumente doch tragend sind. Wir wollen die Schwelle zum Hartz-IV-Bezug senken, indem wir die direkten Kindergeldleistungen erhöhen.

    Heinlein: Was ist Ihnen denn wichtiger: die Einführung des Betreuungsgeldes oder die Erhöhung des Kindergeldes?

    Pofalla: Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun, weil das Betreuungsgeld ja im Zusammenhang mit dem Ganztagsbetreuungsangebotsausbau für die unter Dreijährigen diskutiert worden ist und diese Frage erst 2013 umgesetzt werden soll. Das, was wir jetzt diskutieren, soll ja seine Wirkung bereits zum 1. Januar des kommenden Jahres entfalten. Von daher haben direkt diese beiden Instrumente miteinander nichts zu tun. Dennoch halten wir beide für unverzichtbar.

    Heinlein: Sie wollen also beides?

    Pofalla: Wir wollen beides und machen das auch in der Hamburger Erklärung deutlich, dass wir jetzt zum 1. Januar das Kindergeld erhöhen wollen und dass wir im Jahre 2013 das Betreuungsgeld einführen wollen.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Herr Pofalla, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Pofalla: Dankeschön.