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Marco Wanderwitz (CDU): Neuer Vorsitzender muss Partei einen

Bei den drei Kandidaten für den Partei-Vorsitz sieht der CDU-Politiker Marco Wanderwitz deutliche Unterschiede. Dass Angela Merkel nicht mehr Kanzlerkandidatin sei, stelle ″ein Stück weit einen Bruch für das ganze Land dar″, so Wanderwitz im Dlf. Ein neuer Kandidat müsse da zusammenführen.

Marco Wanderwitz im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 15.12.2020
Die drei Kandidaten für den Vorsitz der CDU Deutschlands, Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet, unterhalten sich mit Moderatorin Tanja Samrotzki in einem Online-Video-Talkformat.
Die CDU-Vorsitz-Kandidaten stellen sich vor (dpa / Bernd von Jutrczenka)
Ein guter Wettbewerb um das bessere Volksprogramm gehört zur DNA dazu, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz im Dlf. "Aber wir werden uns nicht unmittelbar vor einem Bundestagswahljahr zerlegen." Jetzt ginge es darum, einen neuen Vorsitzenden, einen neuen Bundesvorstand und ein neues Grundsatzprogramm zu beschließen. ″In dem Prozess sind wir jetzt ziemlich weit fortgeschritten″, so Wanderwitz, der für Sachsen im Bundestag und Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer ist.
Bei den wichtigen Themen für die Zukunft nehme er "deutliche Unterschiede bei den Kandidaten wahr". Das Bundestagswahljahr sei herausfordernd, weil Angela Merkel seit vielen Jahren nicht mehr die Kanzlerkandidatin sei und das "ein Stück weit einen Bruch für das ganze Land darstellt". Um die Ostverbände der CDU mitzunehmen, müsse ein neuer Kandidat die Partei schnell wieder zusammenführen und integrieren. Die beste Variante wäre, wenn der zukünftige Kanzlerkandidat die anderen Wettbewerber einbinden würde. ″Die Auswahl muss stattfinden, aber wenn es wichtig, dass alle Beteiligten zur Verfügung stehen und dass wer immer an Ende des Tages der Gewählte ist, jedem die Hand reicht.″
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Ann-Kathrin Büüsker: Die CDU sucht einen neuen Vorsitzenden. Seit gestern ist das genaue Prozedere der Wahl klar. Ein Parteitag am 16. Januar soll komplett digital stattfinden, in diesem Rahmen dann auch die Wahl, welche dann anschließend per Briefwahl bestätigt werden soll. Da stehen dann nicht mehr alle zur Wahl, sondern im Prinzip kann der Sieger der digitalen Wahl schriftlich bestätigt werden. So hat es sich die Partei überlegt und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak glaubt, dass das rechtlich auch wasserdicht ist. Eine rein digitale Wahl wäre das ja gemäß des deutschen Parteiengesetzes nicht. – Prozedere klar; die Kandidaten auch, zumindest die bisherigen drei offiziellen Kandidaten, die sich gestern im Rahmen einer digitalen Veranstaltung den Fragen der Parteimitglieder stellten. Wir haben ja gehört, die drei Beteiligten haben gestern betont, dass die CDU mehr diskutieren muss. Aber am Ende war es dann doch ziemlich harmonisch. Dieses intensive Diskutieren, vielleicht sogar öffentlich zu streiten, widerspricht das Ihrer DNA als Partei?
Marco Wanderwitz: Ach, das würde ich nicht sagen. Ein guter Wettbewerb um das bessere Programm, um das Programm der Volkspartei, das gehört im Gegenteil eher zur DNA dazu. Aber wir werden uns natürlich nicht unmittelbar vor einem Bundestagswahljahr jetzt zerlegen. Dann wäre uns nicht zu helfen, wenn wir das tun würden, sondern es geht jetzt darum, einen neuen Vorsitzenden zu wählen, einen neuen Bundesvorstand zu wählen, ein neues Grundsatzprogramm zu beschließen, und genau in dem Prozess sind wir jetzt ziemlich weit fortgeschritten und ich für meinen Teil fühle mich gut dabei.
″Nicht unbedingt bis aufs Blut streiten″
Büüsker: Aber was ja tatsächlich immer wieder auffällt ist, dass die Kandidaten sehr wenig in den Austausch miteinander gehen, sondern dass in all diesen Veranstaltungen tatsächlich oft Ideen präsentiert werden, aber untereinander nicht allzu viel Austausch stattfindet. Ist das nicht ein Defizit?
Wanderwitz: Was ich so von den Mitgliedern höre ist, dass die eigentlich genau das wollen. Deswegen stellen sie auch so viele Fragen und zumeist auch eigentlich nicht an alle drei, sondern an einen Kandidaten, an den einen die eine, an den anderen die andere Frage. Die Profile sind schon ein Stück weit erkennbar, wo jeder seine Schwerpunkte setzt, und da muss man sich nicht unbedingt miteinander bis aufs Blut streiten, sondern jeder präsentiert sich und seine Ziele. Das ist ein Stück weit harmonischer wie bei anderen, aber das ist das, was unsere Mitglieder so wollen.
Berlin: Marco Wanderwitz (CDU), Ostbeauftragter der Bundesregierung, zeigt bei der Vorstellung den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2020.
Marco Wanderwitz (CDU), Ostbeauftragter der Bundesregierung, hier bei der Vorstellung des Jahresberichts zum Stand der Deutschen Einheit (Christophe Gateau/dpa)
Büüsker: Aber ist diese Harmonie tatsächlich das, was den, ich sage mal, Machtkampf ist vielleicht ein zu großes Wort, aber ja doch den Richtungsstreit, den es in der CDU gibt, darüber, ob man eine Partei im Stile von Angela Merkel bleibt, oder ob man vielleicht sich wieder ins Konservative zurückbesinnt – das ist ja ein sehr, sehr großer Streit, den Ihre Partei da gerade ausfechten muss. Kommt das nicht in diesen Diskussionen ein bisschen zu kurz?
Wanderwitz: Mein Eindruck ist nicht. Ich bin da natürlich auch ein Stück weit vorgeprägt, weil ich auch das Innenleben der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus jeder Fraktionssitzung seit vielen Jahren kenne. Innerhalb der Landesverbände gibt es da nicht nur Nuancen in den Unterschieden. Es ist schon klar, dass das jetzt eine Grundsatzentscheidung ist, die wir zu treffen haben, auf welche Personalie wir uns im Vorsitz einigen, und in der Folge steht ja dann die Abstimmung mit der CSU über die Kanzlerkandidatur an. Und ich habe ja vorhin schon das Thema Grundsatzprogramm angesprochen. Wir haben da in den letzten zwei Jahren einen intensiven Prozess innerhalb der Partei hinter uns, haben intensiv miteinander diskutiert. Unser letztes Grundsatzprogramm ist über zehn Jahre alt. Jetzt gilt es, die Zeichen der Zukunft zu setzen, und da nehme ich schon deutliche Unterschiede bei den drei Kandidaten wahr.
″Schnell geeint in den Wahlkampf″
Büüsker: Nun waren es ja in den vergangenen Monaten insbesondere auch die Landesverbände aus dem Osten, die sich von der Bundespartei aus Berlin nicht so richtig viel sagen lassen wollten und die tendenziell auch eher einen konservativeren Kurs der Bundespartei bevorzugen würden. Was muss denn aus Ihrer Sicht ein neuer Parteivorsitzender machen, um gerade die Ostverbände mitzunehmen?
Wanderwitz: Ein neuer Parteivorsitzender muss aus meiner Sicht vor allen Dingen es schaffen, nach dem Wettbewerb, in dem wir jetzt sind, sehr schnell die Partei wieder zu einen, zusammenzuführen, zu integrieren, damit wir in diesem Bundestagswahljahr 2021, was ein schwieriges, ein herausforderndes ist, weil Angela Merkel nach vielen, vielen Jahren nicht mehr die Kanzlerkandidatin ist und das ein Stück weit einen Bruch fürs ganze Land darstellt – das ist die Aufgabe eines Parteivorsitzenden, die Partei schnell geeint in den Wahlkampf zu führen.
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Büüsker: Wenn Sie sagen, er muss die Partei einen, wo sehen Sie denn da aktuell die Bruchlinien?
Wanderwitz: Eine davon haben Sie ja schon angesprochen. Es gibt natürlich schon ein Stück weit den Streit, will man Volkspartei der Mitte sein, oder will man konservativer werden. Ich für meinen Teil habe eine klare Meinung dazu, nämlich ersteres. Das heißt nicht, dass die CDU nicht auch eine konservative Partei ist, aber wir haben drei Wurzeln und neben der konservativen gehören dazu auch eine christlich-soziale und eine liberale Wurzel. Und ich finde, wir sind die letzten Jahre ganz gut aufgestellt gewesen. Wir brauchen uns da nicht komplett neu zu erfinden, sondern es gilt einfach, die Zukunftsthemen christdemokratisch zu besetzen.
″Viel Kontinuität und wenig Streit″ bei der CDU
Büüsker: Nun hat Ihre Partei jetzt ja in diesem Jahr diverse Monate des Konfliktes der Herausforderung allein durch diesen Vorsitzenden-Wettbewerb hinter sich. Davor gab es schon die Suche nach einem/einer neuen Vorsitzenden. Da hatte sich Annegret Kramp-Karrenbauer durchgesetzt. Ziemlich viel Wettbewerb in Ihrer Partei. Hat das diese Bruchlinien verstärkt?
Wanderwitz: Das ist nicht mein Eindruck. Es hat sie vielleicht auch nicht unbedingt geglättet. Ich würde sagen, es ist schon klar, wer wo steht, aber auf der anderen Seite muss man sagen, nach den vielen Jahren, nach den vielen guten Jahren für die CDU und für Deutschland mit Angela Merkel als Parteivorsitzender und als Bundeskanzlerin ist so was auch ein Stück weit normal, dass auch eine Partei noch mal mehr diskutiert, als wenn sie in der Regierungsverantwortung steht. Auf der anderen Seite: Wenn man sich mal umschaut, was ist denn in den anderen Ländern der Welt in den letzten Jahren passiert, was ist denn bei unseren demokratischen Mitbewerbern passiert, dann ist da bei der CDU schon viel Kontinuität und wenig Streit gewesen. Insofern: Ich sehe das nicht problematisch.
Ein Team aus allen drei als beste Variante
Büüsker: Wenn Sie jetzt sagen, der neue Vorsitzende muss die Partei einen, heißt das auch, dass er die Mitbewerber irgendwie einbinden muss in sein Team?
Wanderwitz: Das wäre natürlich die beste Variante. Ich habe zu denen gehört, wie beispielsweise auch Ralph Brinkhaus, unser CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzender, aber auch Annegret Kramp-Karrenbauer, unsere scheidende Parteivorsitzende, die nicht müde geworden sind zu sagen, das Beste wäre, alle würden sich einigen, würden ein Team bilden – nicht im Sinne von, es gibt keine demokratische Auswahl, sondern im Sinne von verantwortliches Handeln. Nun haben wir das nicht geschafft, nun muss die Auswahl stattfinden, aber es ist wichtig, dass hinterher alle Beteiligten zur Verfügung stehen und dass auch, wer immer am Ende des Tages der Gewählte ist, er da auch jedem die Hand reicht. Da bin ich mir aber bei allen dreien ziemlich sicher, dass das so ist.
Büüsker: Gucken wir vielleicht noch mal gemeinsam auf das Format. Es wird einen digitalen Parteitag geben. Das macht Diskussionen teilweise ein bisschen einseitig, weil man nicht so ganz unmittelbar in den Streit gehen kann. Die CDU hat als Partei ja viele ältere Mitglieder, die nicht unbedingt alle so digitalaffin sind. Wie groß ist aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass die sich in diesen Diskussionen ausgeschlossen fühlen?
Wanderwitz: Zum einen muss man sagen: Wenn der eigentliche Parteitag dann stattfindet, dann sind wir im Grunde ausdiskutiert. Wir haben jetzt bis dahin noch viele Formate, in denen Diskussionen stattfinden. Die Kandidaten ziehen digital Tag für Tag durchs Land, auch in einzelnen Kreisverbänden, bei den Vereinigungen. Es wird noch viel diskutiert in den nächsten vier Wochen. Aber der Parteitag als solcher ist eigentlich kein Diskussionsparteitag mehr, sondern er ist der Abschluss dieses Prozesses. Sprich die Kandidaten stellen noch mal ganz komprimiert ihre Vorstellungen vor und dann wird auch abgestimmt. Da ist es so, dass wir jetzt schon mal ein bisschen rundgehört haben innerhalb der Partei, wie ist denn die Lage. Die Junge Union beispielsweise hat auch explizit gesagt, wenn da in Richtung der Seniorenunion der eine oder die andere noch ein bisschen digitales Briefing braucht, stehen sie gerne zur Verfügung. Union der Generationen ist da bei uns schon seit vielen Jahren der Arbeitstitel. Und ich bin da sehr optimistisch, dass wir einen Parteitag digital auf die Beine stellen, der sich sehen lassen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.