Donnerstag, 18. April 2024

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CDU-Parteitag in Köln
"Merkel hat sich in die Einsamkeit gesiegt"

Wie aus der bürgerlichen Komfortzone heraus klinge der Bundesparteitag der CDU, sagte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte im DLF. In Sachen Flüchtlings- und Sicherheitspolitik sei zu wenig geliefert worden. "Das hilft nicht wirklich als Antwort auf die AfD", so Korte.

Karl-Rudolf Korte im Gespräch mit Martin Zagatta | 10.12.2014
    Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte
    Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hat den Eindruck, dass sich Angela Merkel von ihrem Amt schon verabschiedet hat. (imago stock&people)
    Martin Zagatta: Herr Korte, wieder fast 100 Prozent für Angela Merkel. Kann sich die Kanzlerin über solch ein SED-mäßiges Ergebnis überhaupt noch freuen?
    Karl-Rudolf Korte: Ja, weil das immer eine Bestätigung ist für die Arbeit und weil natürlich in der Wahrnehmung zehn Prozent weniger sofort zu dramatischen Nachfragen führen würden.
    Zagatta: Aber das verstärkt doch jetzt wieder den Eindruck, die CDU ist ein reiner Kanzler-Wahlverein.
    Korte: Ja. Dem Eindruck versucht sie ja, auch gar nicht zu widersprechen. Es ist ja nicht, dass sie hier ein Team vorgestellt hat, dass ein Team als eine programmatische Aufgabenteilung sichtbar wird. Das ist schon eine Einzel-Show einer Person und die Delegierten wissen das auch zu würdigen und setzen auf sie, auch was die Zukunft anbelangt.
    Zagatta: So wie Angela Merkel jetzt aufgetreten ist und viel von der nächsten Wahl gesprochen hat, gehen Sie davon aus, dass sie vorhat, bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal anzutreten?
    Korte: Da sie immer lockerer wird in ihrer Art, kann ich mir durchaus vorstellen, dass sie sich auch schon vielleicht verabschiedet hat von dem Amt, weil sie immer unverkrampfter, immer lockerer mit den Themen, mit den Alltagserfordernissen umgeht. Deswegen ist das mein Eindruck. Aber das ist natürlich nur subjektive Betrachtung.
    Zagatta: Sehen Sie denn schon jemand, der sie ersetzen könnte?
    Korte: Da gibt es eine ganze Menge, die einen ersetzen können, wenn man nicht mehr da ist, weil dann innerhalb von vier Wochen auch vollkommen unbekannte Leute populär gemacht werden können. Der Punkt ist doch zu sagen, mit welcher inhaltlichen Ausrichtung, programmatisch, auch koalitionsfähig, tritt man an, um aus der Mitte heraus vielleicht neue, veränderte Mehrheiten zu organisieren. Das ist doch der entscheidende Punkt und die Person wird sich finden.
    Umgang mit der AfD nicht geklärt
    Zagatta: Bei diesen Inhalten, wenn Sie das ansprechen, war da bei diesem Parteitag bisher jetzt irgendetwas abzusehen?
    Korte: Es war im Vorfeld die Dramatik um die Stellungnahmen zur kalten Progression, also Steuerfragen. Das ist praktisch ja im Vorfeld einen Tag vorher schon begradigt worden. Dann geht es inhaltlich durchaus auch um einen Anspruch, vielleicht jünger, dynamischer zu wirken, was sich in Wahlen ausdrückt, wenn man sieht, dass Herr Spahn dann doch gewählt worden ist. Aber das, was man im Moment aus kommunaler Betrachtung von vielen Delegierten ja hört, ist eigentlich wenig beantwortet worden, nämlich das, was diese Einwanderungsgesellschaft ausmacht und damit auch die Fragen, wie man mit der AfD umzugehen hat.
    Zagatta: Die Wirtschaft ist ja auch ziemlich unzufrieden mit der Rente mit 63, mit dem Mindestlohn, mit der Frauenquote. Warum kommt das bei einem solchen Parteitag auch nicht zur Sprache, oder nicht so richtig zur Sprache?
    Korte: Na ja, die Rede war schon mehr angelegt als sonst auf wirtschaftliche Fragen. Auch der Leitantrag hier geht um Arbeit, und die Union versucht ja, ein Jahr nach der Wahl noch mal zu dokumentieren, dass mit ihnen auch die guten Erfolgsdaten in der Wirtschaft zusammenhängen. Das ist vor allen Dingen interessant zu sehen, weil auf dem Parteitag jetzt auch Schäuble, weil er in Brüssel war, gar nicht präsent war, aber Schäuble eigentlich mit seiner schwarzen Null ja die Signalwirkung gesetzt hat - eine Austeritätspolitik, die europaweit den Namen Schäuble und Merkel ja trägt und damit eigentlich auch die Koalitionsverhandlungen geprägt hat. Wir haben in vielen Dingen nur die SPD-Themen immer im Vordergrund gesehen, aber was viel wirkungsmächtiger ist, ist die Agenda, die dahinter liegt, eben finanzpolitisch.
    Selbstkritik im Umgang mit der FDP
    Zagatta: Und da feiert sich die CDU. Aber muss sie sich denn auch ernsthafte Sorgen machen? Mit wem außer der SPD kann sie denn realistisch noch eine Koalition bilden nach der nächsten Wahl?
    Korte: Außer mit der AfD, was im Moment ausgeschlossen ist, hat sie es ja fast mit allen schon auch ausprobiert. Sie kommt ja als einzige Partei fast multikoalitionsfähig daher. Das was sie zu den Grünen heute sagte, Frau Merkel, und die Werte für den hessischen Ministerpräsidenten waren so was von positiv, dass man davon ausgeht, dass man sich geradezu hier in Köln wünscht, dass man mit den Grünen stärker zusammenarbeitet. Die Aufwertung noch mal, dass die FDP nicht abgeschrieben ist, hat sie auch ins Zentrum gerückt. Auch das war interessant, vielleicht auch eine Selbstkritik, dass sie die FDP nicht hat leben lassen, sodass sie auch noch die Chance hatte, in den Bundestag zu kommen. Sie hat sich in die Einsamkeit gesiegt, die CDU und auch Angela Merkel, und diese Einsamkeit hilft nicht, weil auf absolute Mehrheiten kann man nicht setzen.
    Zagatta: Sie haben die AfD schon angesprochen. Kann sich die CDU auf Dauer so von der AfD abgrenzen, wie sie es immer noch tut? Die AfD zieht doch auch Wähler aus dem bürgerlichen Lager an.
    Korte: Ja, aus allen Lagern. Ich finde, das ist auch nicht nur ein CDU-Problem. Aber die AfD ist auch als Unmutsaufsauger so ein Frustventil, auch für Protestwähler, aber vor allen Dingen bei Themen, innere Sicherheit und der Frage von Einwanderern und Flüchtlingen, ist doch die AfD oft Stimme einer schweigenden Mehrheit, und da muss man eigentlich erwarten in der Mitte der Volksparteien, dass sie sich diesen Themen auch zuwendet, und dafür hat der Parteitag zu wenig geliefert. Bisher klingt das so wie ein Parteitag aus der bürgerlichen Komfortzone heraus, und das hilft nicht wirklich als Antwort auf die AfD.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.