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CDU vor Bundesparteitag und Bundestagswahl
Die Zeit nach Merkel

Im Februar verkündete Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug von der Parteispitze, die Pandemie verhinderte bisher die Wahl eines Nachfolgers. Das Umfragehoch übertüncht, dass die CDU für junge Wähler wenig attraktiv ist, sich schwer tut mit moderner Frauen- und Klimapolitik.

Von Katharina Hamberger | 10.11.2020
Das Bild zeigt ein kaputtes Wahlplakat von Angela Merkel.
Wer tritt in ihre Fußstapfen? Angela Merkel hat ihren Ausstieg aus allen Ämtern 2018 angekündigt. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
"Erstens, auf dem nächsten Bundesparteitag der CDU im Dezember in Hamburg werde ich nicht wieder für das Amt der Vorsitzenden der CDU Deutschlands kandidieren. Zweitens: Diese vierte Amtszeit ist meine letzte als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Bundestagswahl 2021 werde ich nicht wieder als Kanzlerkandidatin der Union antreten."
Ende Oktober 2018 bricht für die CDU eine neue Zeit an: Angela Merkel kündigt ihren Rückzug an. Eine Zäsur – zum ersten Mal seit 1949 tritt die amtierende Bundeskanzlerin bei der Bundestagswahl nicht mehr an. Für alle Parteien wird es 2021 also ein schwer vorherzusehender Wahlkampf mit vielen Unbekannten – das betrifft nicht nur, aber vor allem die Christdemokraten. Nachdem Merkels Nachfolgerin im Amt der Parteivorsitzenden, Annegret Kramp-Karrenbauer nach nur eineinhalb Jahren wieder aufgab, musste die Wahl eines neuen Vorsitzenden wegen der Pandemie mehrfach verschoben werden.
Merkel geht über die Bühne und hebt winkend den rechten Arm. Neben ihr Tobias Loose, Landesvorsitzender JU Schleswig-Holstein, und Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschland (JU).
Wer folgt auf Angela Merkel? Die Kanzlerin beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in Kiel (dpa/Carsten Rehder)
"Da ist eine Partei, der viele die Führungsverantwortung zutrauen, aber man weiß leider innerhalb der Partei nicht, wie man die Person finden soll, die diese Führungsverantwortung dann tatsächlich ausübt", sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch.
Parteitag im Januar zur Nach-Merkel-Ära
Im Januar soll nun ein Parteitag stattfinden, auf dem der Vorstand gewählt wird. Aber auch danach bleiben offene Fragen für die CDU, wie die nach einem Kanzlerkandidaten. Aber auch: Mit welchen Themenschwerpunkten geht man in die Bundestagswahl? Wie kann die Nach-Merkel-Ära aussehen und wer – außer dem zukünftigen Parteivorsitzenden, voraussichtlich wird es ein Mann – kann diese Zeit mitprägen?
Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen stehen zusammen.
Die CDU braucht eine neue Generation
Ausgerechnet jetzt, wo der Zusammenhalt wichtiger sei denn je, veranstalte die CDU eine Ego-Show, meint Georg Löwisch. Es sei gut, dass der Parteitag verschoben wurde, denn die CDU sei noch nicht so weit. Sie brauche neue Themen und neue Leute, sprich: eine Zukunftsvision.
Einige in der CDU bringen sich schon in Stellung. Mitte des Jahres erscheint ein Buch mit dem Titel "Neustaat – Politik und Staat müssen sich ändern." Mitgeschrieben haben 30 Abgeordnete von CDU und CSU, auch Katja Leikert. Ihr Mitwirken begründet sie mit der Situation, als sie, frisch gewählt, zum ersten Mal in den Bundestag gekommen war.
"…dass wir schon das Gefühl hatten, dass es schon ein paar Themen gibt, wo wir selbst anspruchsvoller, ambitionierter und schneller werden müssen."
Katja Leikert (CDU) will schneller Veränderungen in der Partei herbeiführen - unter anderem bei der Teilhabe von Frauen
Katja Leikert (CDU) will schneller Veränderungen in der Partei herbeiführen - unter anderem bei der Teilhabe von Frauen (Imago )
Im Gespräch mit der 45-jährigen Abgeordneten aus Hanau hat man das Gefühl, manchmal dauert es ihr zu lange, bis Politik und auch ihre eigene Partei zu einem Ergebnis kommen. So habe zwar Angela Merkel für die notwendige Modernisierung der Partei gesorgt…
"Da hätte ich mir aber von Seiten der Partei an manchen Stellen noch ein bisschen mehr Mut gewünscht. Wir haben die großen Themen angepackt, zum Beispiel Ausstieg aus der Kernkraft, aber ich hätte mir auch vorstellen können, dass wir da an manchen Stellen ein bisschen schneller gewesen wären."
Erwartungen an einen Schub in der CDU
Der Wunsch nach Veränderung sei für sie auch der Grund gewesen, in die Politik zu gehen. Die Hochschullehrerin hatte gerade ihr erstes Kind bekommen und wollte nun das Buch zu ihrer Doktorarbeit fertig stellen. Doch eine Kinderbetreuung gab es nicht im Ort. Also habe sie bei der Gemeinde angerufen. Dort sagte man Leikert:
"Bleiben Sie doch daheim bei ihrem Kind, das sei jetzt viel wichtiger. So, das kann man so machen, ist aber nicht die Art und Weise, wie mit Müttern umgegangen werden sollte in dieser Gesellschaft."
Bundeskanzlerin Merkel trifft im Mai 2013 Frauen in Führungspositionen.
CDU strebt nach Frauenquote - Die Selbstverpflichtung hat nicht funktioniert
Dass auch die CDU in Zukunft auf eine Frauenquote setzen werde, habe sich lange abgezeichnet, sagt unser Berliner Chefkorrespondent Stephan Detjen. Als Volkspartei brauche die Basis mehr weibliche Mitglieder und Karrierechancen.
Leikert spricht von einem "klassischen Frauenthema", wenn sie erzählt, was sie zur Politik gebracht habe. Sie gehört zu denjenigen in der CDU, die sich nicht zurückhalten, wenn es um eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Politik und vor allem in der CDU geht. Dass die drei ausschließlich männlichen Kandidaten für den Vorsitz dieses Thema nur anpacken, indem sie vorhaben, eine Generalsekretärin zu benennen, reicht ihr nicht aus:
"Also ich erwarte da nochmal einen Schub, was das Thema Frauenförderung angeht. Ich hab‘ das bisher auch genauso artikuliert."
Diesen Schub, den brauche die CDU auch, sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Zwar könne die CDU bei den Stammwählern nicht mit dem Thema Frauenförderung, zum Beispiel der Frauenquote punkten.
"Aber, wenn die CDU dieses Thema vernachlässigt, dann stirbt die CDU früher oder später ja schlicht und ergreifend ja auch aus."
Der CDU-Frauenanteil stagniert seit Anfang der 1990er Jahre
Noch werde die Partei vor allem von älteren Männern, durchaus auch älteren Frauen gewählt.
"Aber das ist eine Frage von Jahrzehnten und dann schrumpft sowohl die Mitgliedschaft als auch die Wählerschaft der CDU zusammen und dann ist es meines Erachtens schon erforderlich, sich mit der Frage zu beschäftigen, 'wie kommen wir in Wählerkreise hinein, die uns bisher, grade weil wir konservativ sind, gerade mit Blick auf Frauenfragen, wie stoßen wir da vor', und deshalb, um den Bogen zu spannen, von der Demografie zu den Frauenfragen: Meines Erachtens ist es für die CDU unverzichtbar, ansonsten sind die alten Herren unter sich."
Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin.
Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin, unternahm 1985 mit einem sogenannten Frauenparteitag einen Vorstoß in Richtung Teilhabe (imago/IPON)
1985 hat die CDU das Thema Frauen und Gleichberechtigung auf dem sogenannten Frauenparteitag in Essen in den Fokus genommen. Rita Süssmuth beschrieb in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau diesen Parteitag als großen Durchbruch in der CDU-Frauenpolitik. Parteiintern habe es allerdings zeitgleich unüberhörbare Kritik an dem geschärften Blick für die Potenziale der Frauen und ihre Stellung über die Familie hinaus in Beruf und Gesellschaft gegeben. Dringend sei vor Feministinnen und Emanzen in der CDU gewarnt worden, schreibt Süssmuth.
Trotz des angeschobenen Kurswechsels in der Frauenpolitik, einer Kanzlerin und zwei weiblichen Vorsitzenden – viel attraktiver scheint die CDU für Frauen nicht geworden zu sein. Ihr Anteil in der CDU liegt bei rund 26 Prozent und stagniert damit nahezu seit Anfang der 1990er Jahre. 1996 hat die CDU ein Quorum von 30 Prozent für Parteiämter ab der Kreisverbandsebene eingeführt. Allerdings wird das Quorum aktuell bei rund einem Drittel der Kreisverbände nicht eingehalten – Sanktionen gibt es nicht. Schon beim Parteitag 2019 sollte über eine verpflichtende Frauenquote in der Partei abgestimmt werden, doch der Beschluss wurde vertagt und an eine Kommission ausgelagert. Die hessische Bundestagsabgeordnete Katja Leikert hält die Quote für dringend notwendig. Sie sagt, man könne in Sachen Frauenförderung schon viel vor Ort erreichen.
"Ich bin aber trotzdem eine große Freundin von Strukturen an dieser Stelle."
18.01.2020, Hamburg: Silvia Breher, Vizevorsitzende der CDU, kommt mit Rollkoffer und Mappe unter dem Arm zum Abschlusstag der Jahresanfangs-Klausur des CDU-Vorstands und lächelt. Foto: Christian Charisius/dpa | Verwendung weltweit
Silvia Breher ist stellvertretende Parteivorsitzende der CDU (dpa / Christian Charisius)
Frauenquote: erneut vertagt
Die Frauenquote hätte so etwas wie das Vermächtnis der Kurzzeit-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer werden können. Pandemiebedingt wird aber nun auf dem Parteitag nur der Vorstand gewählt. Das Thema Frauenquote: erneut vertagt. Das sei schade, sagt Silvia Breher, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Sie wird zu denjenigen gehören, die sich für die Quote einsetzen. Außer, jemand habe einen besseren Vorschlag:
"Aber bis jetzt zumindest habe ich noch keine bessere Idee gehört."
Laut waren und sind aber auch die Stimmen derer in der CDU, die sich gegen die Quote aussprechen. Darunter auch junge Christdemokratinnen. Auch der Kandidat um den Parteivorsitz, Friedrich Merz bleibt, wie er es formuliert, "skeptisch". Das Argument der Quotengegner und –gegnerinnen: Wer gut ist, der schaffe es auch ohne Quote. Leistung solle zählen. Das sieht Silvia Breher anders:
"Wir haben halt in der Partei nach wie vor zu wenig Frauen, definitiv. Und wenn wir darüber sprechen, dass wir den Leistungsgedanken nach vorne stellen wollen, gleichzeitig aber nur 26, 27 Prozent Frauen in der Partei haben, dann können wir nicht 100 Prozent Leistung haben, das ergibt einfach die Realität."
Friedrich Merz (l.), ehemaliger Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, und Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU-Thüringen, stoßen mit Biergläsern in der Festhalle der Vereinsbrauerei Apolda an.
CDU-Politiker Mohring zu Frauenquote - "Das geht nur Stück für Stück"
Der Thüringer CDU-Politiker Mike Mohring hat den Vorschlag für eine Frauenquote in seiner Partei grundsätzlich begrüßt. Unter anderem sei eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Parteiarbeit nötig, sagte Mohring im Dlf.
Breher rückte 2019 zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf – als Nachfolgerin von Ursula von der Leyen, die als EU-Kommissionspräsidentin dieses Amt abgab. Breher, wie von der Leyen aus Niedersachsen, war bis dahin auch in der Partei wenig bekannt. Genau wie Katja Leikert ist Breher kein Ur-Parteigewächs mit jahrelanger JU-Aktivität - Parteiämter hat sie erst seit wenigen Jahren inne. Und sieht sich auch als Vorbild.
"Es ist ja auch eine Besonderheit, ich bin halt echt eine Quereinsteigerin und ich bin ja nicht nur Frau, sondern ich habe auch noch kleine Kinder. Ich zähle mich nicht mehr zu den jungen Frauen, aber zu den Frauen mit Kindern und davon haben wir nicht viele in wirklichen Führungspositionen und das merke ich, dass mich viele Frauen darauf ansprechen."
Die Grünen – politischer Hauptkonkurrent der Union
Politikwissenschaftlerin Münch meint, jüngere Frauen oder Frauen mittleren Alters, die sich für Politik interessieren…
"...schauen inzwischen eher auf die Grünen."
Die Grünen – sie werden von vielen mittlerweile als politischer Hauptkonkurrent der Union gesehen, nicht mehr die SPD. Mit den erstarkten Grünen geht auch ein großes Thema einher, das für die CDU nicht einfach zu beackern ist – oder sie nach Meinung vieler schlicht vernachlässigt hat: die Klimapolitik.
"Die Schwierigkeit besteht für die CDU darin, einerseits das Thema einer wirtschaftsfreundlichen Politik zu betreiben, ohne das Thema des Klimawandels nur zur Staffage zu machen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sigmar Gabriel, damals Bundesumweltminister, 2007 in Grönland
Klimapolitik - Angela Merkel und der Kampf gegen die Erderwärmung
Mal ist sie Heilsfigur im Kampf gegen die Erderwärmung, mal wendige Pragmatikerin. Das Thema Klimapolitik zieht sich seit Mitte der 1990er-Jahre durch den politischen Lebensweg von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wird sie als Klimakanzlerin in die Geschichte eingehen?
Sagt Politikwissenschaftlerin Münch. Ein Spagat, der besonders deutlich wird, wenn man auf die ostdeutschen Bundesländer schaut:
"Für Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen ist das Hauptthema dabei, den Ausstieg aus der Braunkohle so hinzubekommen, dass nicht in der Lausitz und in mitteldeutschen Regionen das Licht ausgeht."
Beschreibt Marco Wanderwitz die Herausforderung für seine Partei, wenn es um den Klimawandel geht. In seinem sächsischen Landesverband allerdings hat die CDU den Kohleausstieg als Regierungspartei lange herausgezögert – und die Konsequenzen ignoriert. Längst hängen nur noch vergleichsweise wenige, aber dafür gut bezahlte Jobs an der Kohle. Marco Wanderwitz, Bundestagsabgeordneter aus dem Erzgebirgskreis, ist seit Anfang des Jahres Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Ein wichtiges Thema sei ihm die, wie er es nennt, innere Verfasstheit der Gesellschaft.
"Dass in den neuen Ländern, die unzweifelhaft demokratischen Parteien es teilweise schwer haben, bei Wahlen Mehrheiten zu erringen, dass die Demokratie und ihre Institutionen regelmäßiger schlechter abschneiden als in den alten Bundesländern, dass das bürgerliche, ehrenamtliche, zivilgesellschaftliche Engagement schwächer ausgeprägt ist, das ist ein Zustand, der für mich nach 30 Jahren unbefriedigend ist."
Im Osten ist die AfD Hauptgegner der CDU
In den ostdeutschen Bundesländern – abgesehen von Berlin - hat die AfD deutlich mehr Zuspruch als die Grünen – hier ist sie der Hauptgegner der CDU. Für den Bundestagswahlkampf 2021 sei das insofern keine einfache Situation für die CDU, sagt Wanderwitz.
"...als dass AfD und Grüne sich ja wie Feuer und Wasser gegenüber stehen im politischen Parteienspektrum und wir als Union eine Antwort brauchen, die in beide Richtungen trägt"
AfD-Anhänger und andere Wähler am 21.09.2017 in Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD.
Politologe über AfD-Wähler - "Protestwähler wählen eine Partei nicht wegen ihrer Inhalte"
Die Mehrheit der AfD-Wähler bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen sind nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer Protestwähler. Sie wollten den anderen Parteien einen Denkzettel verpassen, sagte er im Dlf.
Kann die Volkspartei CDU nach wie vor Konservative und Liberale mitnehmen und gleichzeitig in die linke Mitte hinein integrierend wirken?
"In der Tat ist es eine Herausforderung, das hatten wir auch im Landtagswahlkampf in Sachsen, dass wir nicht zerrieben werden, zwischen den Positionen der AfD auf der rechten und der Grünen auf der linken Seite."
Conrad Clemens ist ständiger Vertreter des Freistaats Sachsen in Berlin. Die CDU dürfe, sagt Clemens, bei all dem Corona-Management...
"...die Herausforderungen der kommenden 20er Jahre nicht aus dem Blick verlieren."
Nur wenn die CDU sich nicht zerstreitet, ist sie attraktiv für Wähler
Er nennt dabei das Thema Wasserstoff – und für den Osten, wie auch Wanderwitz: den Strukturwandel. Denke er an 2021, sagt Clemens, lasse sich, auch Corona-bedingt, für die CDU noch keine Voraussage für den Wahlausgang treffen – auch wenn die Umfragen für die Union gerade gut aussehen. Beliebteste Politikerin aber weiterhin: die scheidende Kanzlerin Merkel. Geht es um den Parteivorsitz, hat Clemens schon eine Vorstellung, was dieser leisten muss:
"Die Person, die am Ende der Vorsitzender ist, muss der Vorsitzende der gesamten CDU sein, also von Junge Union bis Seniorenunion, von West bis Ost."
Aachen: Ein Wähler gibt seinen Stimmzettel ab.
Deutsche als Zukunftsskeptiker - "Die Wähler hätten gern die ständige Verlängerung der Gegenwart"
Die Deutschen seien grundsätzlich skeptisch, wenn man ihnen eine bessere Zukunft verspreche, meint der Politikberater Daniel Dettling. In der Politik wachse dennoch die Einsicht, dass Lösungsansätze nachhaltiger werden müssten.
Nur wenn die CDU sich nicht zerstreite und einen klaren Kurs anbiete, sei sie auch attraktiv für die Wähler und Wählerinnen. Conrad Clemens war lange Zeit Bundesgeschäftsführer der Jungen Union. Er sagt, auch sie präge Positionen der CDU, wie bei der Rentenpolitik mit.
"Das andere ist über das Personal, Jens Spahn und andere, die da auch nach vorne gebracht werden und Kandidaten der Jungen Union und die dann auch diese Positionen vertreten."
CDU-Junge wollen die Zeit des Umbruchs nutzen
Die Jungen – definiert in der CDU als alle unter 35 Jahre – wollen auch jetzt die Zeit des Umbruchs nutzen. So haben zum Beispiel Politiker und Politikerinnen der sogenannten Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ebenfalls ein Buch geschrieben. "Eine Politik für morgen" heißt der selbstbewusste Titel. Daran mitgeschrieben haben unter anderem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und der lange als Shootingstar geltende Philipp Amthor, um den es seit einer Lobby-Affäre eher still geworden ist. Nicht dabei: der JU-Vorsitzende Tilman Kuban. Denn er ist kein Abgeordneter und gehört damit nicht der Fraktion an. Die Themen des Buches, unter anderem Digitalisierung und Generationengerechtigkeit, sind aber auch die, bei denen er den Finger in die Wunde der Partei legen will:
"Wir gehen in eine neue Zeit, ein neues Jahrzehnt. Es wird im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl um die Frage gehen, ob wir die Gestaltung dieses Jahrzehnts einer rot-rot-grünen Regierung oder einer unionsgeführten Regierung überlassen."
Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) spricht bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl
JU-Vorsitzender Tilman Kuban - "Digitaler CDU-Parteitag ist möglich"
Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, spricht sich anders als Friedrich Merz klar für einen digitalen CDU-Parteitag aus. Dafür müssten nun die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn bisher lässt das Parteiengesetz die Verabschiedung von Programmen und die Wahl von Kandidaten online noch nicht zu.
Aus Kubans Sicht muss die CDU deshalb auch deutlich machen, wofür sie stehe. Eines der Themen, bei denen Kuban sich kritischer äußert als so mancher Parteikollege und manche Parteikollegin, ist der Fortschritt der Digitalisierung. Hier wolle die JU die CDU auch treiben. So würden zum Beispiel alle Bundesländer an einer Schulcloud "rumdoktern".
"Da wünsche ich mir, dass wir ein einheitliches System auflegen, wo wir sagen, ein Video-Konferenz-Tool, ein Design-Thinking-Tool, einen Messengerdienst zu entwickeln und die Länder können ja unterschiedliche Inhalte einspeisen aber ich verstehe nicht, warum 16 mal die Infrastruktur geschaffen werden muss."
Kein attraktives Politikangebot für die unter 40-jährigen
Punkte, die die JU einbringen will, wenn es um die Erarbeitung des Wahlprogramms geht. Die CDU müsse aus Eigeninteresse auch Angebote für junge Wähler und Wählerinnen machen, sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Bislang werde man bei diesen nicht allzu stark wahrgenommen:
"Und wenn man daran nichts ändern kann, dann hat die CDU tatsächlich ein Problem bei der Rekrutierung. Für die Generationen der unter 40-jährigen ist sie im Grunde kein attraktives Politikangebot. Das sind die Grünen deutlich mehr."
Allerdings hat die Politikwissenschaftlerin Zweifel, dass gerade die konservative Junge Union diese Aufgabe übernehmen kann. Nach außen hin habe sie eher das Etikett einer Karriereleiter. Dennoch scheine auch dort gesehen zu werden, dass es inhaltlich bessere Angebote brauche, um junge Menschen anzusprechen – auch bei der Klimapolitik.
"Ich bin insbesondere den Kollegen und Kolleginnen der CDU/CSU-Fraktion dankbar für diese aktuelle Stunde und für die Ehrlichkeit, nämlich da wird deutlich wo sie stehen und dass ihr ganzes Wortgeklingel zu Klimaschutz wenn’s drauf ankommt nichts wert ist."
Der Amazonas brennt und Rauschschwaden hüllen den restlichen Wald ein.
Habeck (Grüne) "Festhalten an der schwarzen Null ist Voodoo-Haushaltspolitik"
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat sich skeptisch über den Vorschlag der Union geäußert, bei der Finanzierung des Klimaschutzes an einer "schwarzen Null" festzuhalten. Wenn man mehr in Klimaschutz investieren und zugleich auch den Wehretat erhöhen wolle, könne das nicht funktionieren, sagte er im Dlf.
Ähnliche Kritik wie von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ist hundertausendfach auf der Straße bei Fridays for Future zu hören. Die CDU bekenne sich zwar zum Klimazielen, ihre Politik aber setze dies nicht um. In einem Gespräch mit Deutschlandfunk Nova sagt Tilman Kuban: Niemand in der CDU habe die Notwendigkeit bestritten, dass mehr für den Klimaschutz getan werden müsse.
"Aber wir haben kein klares Politikangebot gemacht."
In seiner Generation, sagt Kuban, seien alle mit dem Smartphone groß geworden.
"Alle wollen abends in die warme Bude kommen und Netflix gucken und während die einen sagen, ihr müsst euch einschränken, wir müssen weniger Strom verbrauchen, weniger Wärme verbrauchen, wir müssen nicht mehr so viel fliegen, sind wir diejenigen, die sagen, wir wollen eine Energiewende schaffen, wir wollen neue Energieträger haben, um diesen Strom, diese Wärme aus regenerativen Energien erzeugen können, wir wollen, dass das erste CO2-freie Flugzeug aus Deutschland abhebt."
"Ich wünsche mir, dass wir mehr junge Köpfe haben an der Spitze"
Friedrich Merz ist einer von drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz - nur 20 Prozent der JU-Mitglieder nahmen an einer internen Abstimmung zu diesem Posten teil
Friedrich Merz ist einer von drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz - nur 20 Prozent der JU-Mitglieder nahmen an einer internen Abstimmung zu diesem Posten teil (picture alliance/SchwabenPress/ Günter Hofer)
Für den CDU-Vorsitz hat die Junge Union hat gerade intern abgestimmt. Die meisten Stimmen konnte Friedrich Merz auf sich vereinen – allerdings nahmen nur 20 Prozent der JU-Mitglieder an der Abstimmung teil. Und bei der Vorstellung des Ergebnisses wird deutlich: Auch der JU-Vorsitzende Kuban wäre nicht abgeneigt, wenn ein jüngerer Kandidat noch ins Rennen einsteigen würde:
"Also ich bedaure es, dass Jens Spahn sich nicht zur Abstimmung gestellt hat."
Sagt Kuban Anfang November in der Bundespressekonferenz über den bei der Jungen Union beliebten, mit 40 noch als blutjung geltenden Gesundheitsminister, der gleichwohl an der Seite von Armin Laschet antritt. Selbst wenn der Parteivorsitzende nicht Ü 45 sei, sollte aus Sicht von Kuban die junge Union stärker repräsentiert sein:
"Ich wünsche mir, dass wir mehr junge Köpfe haben an der Spitze, weil wir die Gestaltung des Jahrzehnts jetzt nicht der Generation des älteren Semesters überlassen wollen, sondern wir wollen mitgestalten, das ist unser klarer Anspruch."
Im kommenden Jahr will Kuban selbst für den Bundestag kandidieren. Im Moment sind die Umfragewerte für die Union und damit auch für Kubans Partei, die CDU gut – vielleicht sogar besser als mancher gedacht hätte. Aber den meisten dürfte klar sein, dass dies nur eine Momentaufnahme ist und ein Wahlkampf ohne Angela Merkel einer mit vielen Unbekannten sein wird.