Dienstag, 19. März 2024

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CDU zwischen Merz und Laschet
"Wir brauchen niemanden, der für einen Flügel polarisiert"

Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther muss eine neue CDU-Führung alle Parteiflügel zusammenbringen. Das könne Armin Laschet wie kein Zweiter der Kandidaten um den Parteivorsitz, sagte Günther im Dlf. Von Friedrich Merz hätte er sich mehr Bereitschaft zur Teamarbeit gewünscht.

Daniel Günther im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 26.02.2020
Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (picture alliance/ dpa/ Kay Nietfeld)
Am Montag hat die noch amtierende CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt, am 25. April werde es einen CDU-Sonderparteitag geben zur Kür des neuen Vorsitzenden. Gestern dann wurde der Machtkampf offiziell eröffnet: Neben Norbert Röttgen treten auch Friedrich Merz und das Team Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Gesundheitsminister Jens Spahn an - wobei Letzterer nur Parteivize würde, falls Laschet tatsächlich das Rennen machen sollte. Darüber sprechen wir mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Daniel Günther (CDU).
Jörg Münchenberg: Ein Rumpfteam, zwei Einzelkämpfer. Ist das eine gute Grundlage, um die CDU wieder aus der Krise zu führen?
Daniel Günther: Das ist ja kein Rumpfteam, sondern da kandidieren zwei zusammen, wo man bisher dachte, dass vielleicht auch jeder einzeln kandidieren könnte. Von daher gibt es jetzt eine Auswahl. Ich hätte mir gewünscht, dass vielleicht das noch auf breitere Schultern gestellt wird, weil wir, glaube ich, in dieser Phase vermeiden sollten, dass es eine Art Machtkampf und nur Personaldiskussion gibt. Gut ist auf jeden Fall, dass die Entscheidung schnell getroffen wird. Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass wir schon am 25. April dann auch die Entscheidung haben. Aber wichtig ist, dass wir danach auch eine geeinte CDU haben. So weit ist die Bundestagswahl nicht mehr weg. Von daher finde ich es wichtig, dass wir uns danach wirklich geschlossen aufstellen.
"Großes Bedürfnis nach klarer Führungsstruktur"
Münchenberg: Das klang gestern nicht nach Einigkeit. Merz hat zum Beispiel gesagt, Laschet stehe für Kontinuität, er für Aufbruch. Ist Letzteres nicht das, was die Partei herbeisehnt?
Günther: Na ja. Ich glaube, das ist sehr vereinfacht dargestellt worden und stimmt in der Sache so auch nicht. Armin Laschet steht auch für Erneuerung in der Union, ist auch ein anderer Typ. Aber er ist jemand, der zusammenführt. Und wenn ich mir angucke, wie ich die Partei im Moment wahrnehme, ist schon auch ein großes Bedürfnis nach klarer Führungsstruktur da.
Natürlich haben die unterschiedlichen Bewerber auch unterschiedliche Fans in der Partei und von daher wäre es, glaube ich, schon gut gewesen, wenn vielleicht jeder auch noch mal darüber nachgedacht hätte, ob dieser Teamgedanke - wobei immer klar ist, dass einer oder eine Chef sein muss - nicht doch einer gewesen wäre, wo alle sich noch mal ein bisschen mehr Mühe gegeben hätten, da auch zusammenzukommen. Denn die Partei dürstet im Moment nicht nach wahnsinnig vielen Kandidaten, sondern nach einer klaren Führungsstruktur. Da, glaube ich, hätten alle noch ein Stück auch über ihren Schatten springen können.
"Wir brauchen niemanden, der für einen Flügel polarisiert"
Münchenberg: Nun hat es aber trotzdem gerade in der CDU, Herr Günther, in den letzten Jahren heftige Diskussionen über die übermächtige Rolle von Angela Merkel gegeben. Viele haben ihren Politikstil des Ausgleichs, des eher zögerlichen Handelns, offen kritisiert. Laschet hat sich gestern klar zur Kanzlerin bekannt; Merz sagt, ein "weiter so" kann es nicht geben. Insofern ist doch eher Merz derjenige, der hier die Grundstimmung der Partei trifft.
Günther: Nein. Ich glaube nicht, dass das die Grundstimmung der Partei ist. Angela Merkel hat unsere Partei unglaublich erfolgreich geführt und sie ist auch eine erfolgreiche Kanzlerin und genießt auch breite Sympathien. Trotz alledem ist schon auch klar, dass jetzt eine neue Zeit kommt, wo man Politik sicherlich auch ein Stück stärker erklären muss, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das ist aus meiner Sicht in der Tat auch eine Stärke von Armin Laschet. Das stellt er in Nordrhein-Westfalen als Regierungschef unter Beweis und das stellt er auch als Landesvorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen unter Beweis.
Genauso brauchen wir im Moment die Stärke in der Tat, die unterschiedlichen Flügel zusammenzuholen. Das ist bisher nicht gelungen. Aber da brauchen wir niemanden, der für einen Flügel polarisiert, sondern da brauchen wir jemanden, der die Flügel zusammenholt, und das kann Armin Laschet wie kein Zweiter unter den Kandidaten.
"Laschet kann der AfD das Wasser abgraben"
Münchenberg: Aber es geht am Ende doch um Wählerstimmen. Es geht darum, die Talfahrt der CDU zu stoppen. Da ist ja schon die Frage, kann ein auf Ausgleich bedachter Laschet zum Beispiel auch einer AfD das Wasser abgraben.
Günther: Das kann Armin Laschet auf jeden Fall. Auch hier gucke ich mir immer die Leistung an, wenn jemand Regierungsverantwortung hat, und er hat Regierungsverantwortung und zeigt das in Nordrhein-Westfalen. Wenn Sie sich dort die Umfragewerte für die AfD angucken, gelingt mit dem Kurs auch die Einbindung. Ohnehin stellen wir ja fest: In den Ländern, wo CDU auch moderat auftritt, ist es überall möglich, auch die AfD kleinzubekommen.
Jetzt geht es aber ja nicht nur darum, AfD-Wähler zurückzuholen, sondern es geht auch darum, die gesamte Breite der Union darzustellen, und wir sind immer stark als Volkspartei Richtung 40 Prozent gewesen, wenn wir uns nicht auf eine Seite geschlagen haben, sondern wenn wir alle unsere Flügel stark gemacht haben, und das wäre in der Konstellation mit Laschet an der Spitze, auch mit Jens Spahn, aber gerne übrigens auch mit Friedrich Merz in einem solchen Team, der da auch wichtig gewesen wäre, das wäre aus meiner Sicht die Konstellation gewesen, wo wir, wenn wir über Wählerstimmen reden, wirklich das Maximum rausgeholt hätten.
Münchenberg: Nun ist es bekannt, dass ein Friedrich Merz in dieses Team nicht hineingehen wollte. – Wenn man jetzt mal auf die ostdeutsche CDU schaut: Da rutscht man ja eher schon Richtung einstelliges Ergebnis. Merz hat ganz klar gesagt, da will er punkten, da will er die AfD angehen, und das kommt gerade bei der Ost-CDU doch sehr gut an.
Günther: Ja, das muss ja auch der Weg sein. Wir können uns ja nicht zurücklehnen und sagen, wir kümmern uns jetzt um die Länder im Westen, sondern natürlich müssen wir uns auch darum kümmern, in Ostdeutschland wieder stabile Wahlergebnisse zu bekommen. Da haben wir, finde ich, in den letzten Wochen auch nicht unbedingt besonders viel Vertrauen hinzugewonnen und das ist eine Herkulesaufgabe, aber die muss sich jeder Parteivorsitzende ab dem 25. April stellen, und ich bin mir sicher, dass Armin Laschet dies auch tun wird.
"Wäre gut gewesen für Merz, einen Gang zurückzuschalten"
Münchenberg: Nun haben Sie, Herr Günther, sich jetzt klar positioniert. Kritiker halten Merz gerade vor, er sei zu lange aus der Partei raus, er sei nicht teamfähig, sei auch zu sehr mit der Vergangenheit noch beschäftigt, als er den Fraktionsvorsitz an Merkel Anfang 2002 verloren hat. Wie sehen Sie diese Kritik an Friedrich Merz?
Günther: Ich rate im Moment allen, sich darauf zu konzentrieren, auf die Stärken einzelner Bewerber. Deswegen will ich mich jetzt hier auch nicht dazu äußern, was ich an Friedrich Merz kritisch sehe hierbei. Ich will ausdrücklich positiv hervorheben, dass er jemand ist, der eine klare Sprache spricht, der auch die Chance hätte, der CDU in einem wichtigen Themenfeld, nämlich der Wirtschaftspolitik, wieder eine klare Stimme zu geben. Danach sehnt sich die Partei auch wirklich. Aber genau in dieser Situation wäre es vielleicht auch gut gewesen, einfach mal einen Gang zurückzuschalten und auch mal unter Beweis zu stellen, dass man wirklich in einem Team mitarbeiten kann. Dann hätte Friedrich Merz dort auch eine gute Rolle gefunden, die ich mir ausdrücklich für ihn auch nach dem 25. April in einem Team wünsche.
Münchenberg: Aber zeigt das nicht auch, dass Friedrich Merz sagt, nein, ich will kein Team, ich trete als Einzelkämpfer an, dass das letztlich auch die Spaltung innerhalb der CDU vorantreiben wird, das Team gegen Friedrich Merz, und die Flügel werden weiter ihre Kandidaten verteidigen? Aber ein Zusammenkommen sehe ich da eher nicht.
Günther: Na ja. In der gleichen Analyse, wie Sie sie jetzt treffen, bin ich auch zu dem Schluss gekommen, dass es klug wäre, sich für den Parteitag auf so etwas zu verständigen. Ich glaube, das wäre breit getragen worden und hätte genau dem entgegengewirkt, dass es am Ende auch Enttäuschte gibt. Wir haben beim letzten Mal ein denkbar knappes Ergebnis gehabt, wo diejenigen, die unterlegen gewesen sind, erst mal natürlich enttäuscht gewesen sind. Und was war das für ein Kraftakt von Annegret Kramp-Karrenbauer, hier wieder die unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen. Damit war sie locker ein halbes Jahr beschäftigt – Zeit, die wir jetzt eigentlich überhaupt nicht gebrauchen können, sondern es muss nach dem 25. April sofort nach vorne gerichtet sein. Wir müssen endlich wieder über Inhalte punkten. Wenn wir das erreichen wollen, dass wir nach dem 25. April schnell versöhnt sind, dann wäre der Gedanke, gemeinsam dort aufzutreten, einer, dem sich wirklich alle und auch Friedrich Merz einfach noch mal wieder nähern sollten.
"Die CDU ist weit wichtiger als persönliche Interessen"
Münchenberg: Aber Hand aufs Herz: Glauben Sie tatsächlich, dass nach dem 25. April die Debatte um die einzelnen Positionen tatsächlich enden wird?
Günther: Die Debatte über die Führung wird dann enden, weil die Entscheidung getroffen ist, und dazu haben sich ja alle klar erklärt, dass sie dann an den Stellen, wo sie gebraucht werden, auch in der Partei mitarbeiten. Aber danach wird es natürlich darum gehen, wie stellen wir uns strategisch-inhaltlich auf, welche Themen besetzen wir. Aus meiner Sicht fast der noch spannendere Prozess, denn da hat die Union aus meiner Sicht noch mehr Nachholbedarf als bei der Frage, wie stellen wir uns personell auf.
Münchenberg: Herr Günther, Angela Merkel und Friedrich Merz gelten nicht gerade als die besten Freunde. Könnte das überhaupt funktionieren, falls Merz Parteivorsitzender werden sollte?
Günther: Ich denke in anderen Konstellationen. Aber eines muss ganz, ganz klar sein: In der Phase, in der wir im Moment sind, kann es nicht um persönliche Befindlichkeiten gehen, wer mag wen nicht, wer hat noch mit wem irgendetwas offen, sondern alle, die dort Verantwortung tragen, haben ab sofort auch die Pflicht, sich auf das große Ganze zu konzentrieren, und die CDU ist weit wichtiger als jede persönlichen Interessen, die irgendjemand hat, und dem haben sich am Ende auch alle unterzuordnen.
Persönliches kann man hintenan stellen, "wenn man Größe zeigt"
Münchenberg: Aber das sagt sich jetzt so einfach. Man kann das Persönliche ja nicht einfach hintenan stellen.
Günther: Das kann man schon, wenn man will, wenn man auch Größe zeigt, und ich traue das allen, die gerade genannt worden sind, auch zu, dass sie das schaffen.
Münchenberg: Noch ein Wort. Sollte die Bundeskanzlerin nicht doch den Weg freimachen, wenn die Parteiführung geklärt ist, so dass es dem Nachfolger von AKK nicht so geht wie Annegret Kramp-Karrenbauer?
Günther: Ich glaube, dass wir sehr klug beraten sind, wenn wir diese Diskussion gar nicht erst führen. Ich halte die Kanzlerschaft für ein so wichtiges Staatsamt, dass sich parteipolitisches Taktieren mit einem solchen Amt schlicht und ergreifend verbietet. Von daher ist für mich vollkommen klar: Wir sind gewählt für diese Wahlperiode, erfolgreich zu regieren. Angela Merkel ist als Kanzlerin auch gewählt. Deswegen sollten wir als CDU auch alles daran setzen, dass sie ihre Kanzlerschaft erfolgreich bis zum Ende der Legislaturperiode durchsetzt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.