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CeBIT
Geschäft mit Facebook-Nutzerprofilen

Mit Facebook und den Daten seiner Nutzer verdienen mittlerweile viele Unternehmen Geld. Auch auf der CeBIT stellen sich Anbieter mit neuen Ideen vor. Das Geschäftsmodell ist meist dasselbe: Wer mehr Daten preisgibt, bekommt mehr, zum Beispiel einen Kredit oder Rabatte beim Einkaufen. Doch die Kunden sind in Zeiten von Abhörskandalen misstrauisch.

Von Alexander Budde | 11.03.2014
    Ein durchschnittliches Nutzerprofil im sozialen Netzwerk Facebook enthält 10.000 Informationen, die für Erki Kert von Wert und Nutzen sind. Kert ist Mitbegründer des Start-ups Big Data Scoring aus dem estnischen Tallinn. Auf der CeBIT hält er Ausschau nach Investoren und Geschäftspartnern. Die Idee: Ein speziell entwickelter Algorithmus soll Banken und anderen Kreditgebern dabei helfen, die Kreditwürdigkeit eines Menschen auf Grundlage von dessen Facebook-Einträgen einzuschätzen.
    "Wir wollen wissen, wer deine Freunde sind. Wie sind die ausgebildet? Wie oft wechseln sie ihren Job? Sind das Leute in stabilen Verhältnissen? Leben sie in derselben Stadt wie Du? Habt ihr zusammen die Schule besucht? Loggst Du selbst dich während der Arbeitszeit bei Facebook ein oder nur an Wochenenden? All dies sagt etwas darüber aus, ob Du ein verlässlicher Kunde für die Bank bist - oder jemand, der später einmal Probleme haben wird, das geliehene Geld zurückzuzahlen?"
    Tausche Daten gegen Rabatt
    Erki Kert glaubt an den Erfolg seines Big Data-Geschäftsmodells. Der frühere Bank-Manager ist überzeugt, dass längst vergessene Urlaubsfotos und Kurzkommentare präzise Aussagen zur Zahlungsmoral der Nutzer ermöglichen.
    "Wer seine Facebook-Daten offenbart, wird leichter einen Kredit bekommen. Denn oftmals haben Banken schlicht nicht genug Informationen, um einen solchen zu bewilligen. Gerade für junge Leute zahlt sich das aus. Über deren Zahlungsverhalten wird ja in den seltensten Fällen Buch geführt."
    Kundendaten sind ein kostbares Gut. Malte Staehr bietet mit seiner Tech-Firma Price Now intelligente Datenanalyse für den rapide wachsenden Kosmos der Online-Shops. Die Kunden auf der persönlichen Ebene ansprechen, das Kauferlebnis in die digitale Gesellschaft zurückholen: Staehr beherrscht den blumigen Fachjargon des Gründers perfekt. Auch sein Team von Marketingspezialisten durchforstet Facebook-Profile auf der Suche nach sogenannten Meinungsführern, die bereit sind, gegen etwas Preisnachlass persönliche Daten preiszugeben.
    "Ein Kunde kriegt einen gewissen Rabatt, wenn er im Gegenzug bereit ist, seinen Kauf auf Facebook zu posten. So ein typischer Meinungsführer wäre jemand, der zum einen sehr viele Freunde in seinem Freundeskreis hat, aber auf den die Leute auch hören. Der Online-Händler kann die Netzwerke seiner Kunden nutzen, um die Marketing-Botschaft in die Welt zu tragen. Und der Kunde kriegt eben für diese Marketing-Botschaft, die er da sendet, einen Rabatt, der eben zum Teil auch schon mal sehr hoch sein kann."
    IT-Branche in der Vertrauenskrise
    Der Aufbruch in die digitale Gesellschaft hat gerade erst begonnen. Doch der Erfolg innovativer Geschäftsmodelle wird nicht nur vom Ausbau der Breitbandnetze abhängen, sondern auch davon, ob es gelingt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das gibt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BITKOM, zu bedenken. Denn die Enthüllungen Edward Snowdens und die Affären um das massenhafte Ausspähen unbescholtener Bürger durch Geheimdienste haben die IT-Branche hierzulande in eine Vertrauenskrise gestürzt. Wegen der Unsicherheit im Markt haben Unternehmen in beachtlicher Zahl ihre Cloud-Dienste eingestellt oder geplante Vorhaben in diese Richtung vorerst auf Eis gelegt. In BITKOM-Umfragen spiegelt sich auch eine allgemeine Verunsicherung der privaten Endnutzer wider:
    "Das diffuse Gefühl, dass man nicht wirklich sicher sein kann, dass seine Daten im Web auch tatsächlich geschützt sind. Und das führt zum Beispiel dazu, dass etwa 25 Prozent der Verbraucher kein Online-Banking machen, weil sie einfach Angst davor haben, dass ihre Daten kompromittiert werden, dass sie möglicherweise sogar betrogen werden im Web. Und diese Sorgen, so diffus sie sind - können wir nur durch mehr Transparenz, mehr Aufklärung letztlich beheben."
    BITKOM: Datenschutz international verbindlich machen
    "Verantwortung" ist das Zauberwort. Bislang sei die Auskunft, welche Daten wozu verwendet werden, viel zu aufwendig, mahnt Rohleder. Dienste und Plattformen sollten ihre Kunden möglichst schon bei der Registrierung aufklären, wie genau sie die Technologien einsetzen. An die Politik appelliert BITKOM nebulös, für eine verlässliche Infrastruktur zu sorgen und den hohen Standard beim Datenschutz auch international verbindlich zu machen. Bei den drohenden Risiken für deutsche Unternehmen im Wettlauf um die klügsten Köpfe wird Rohleder konkret:
    "Die Debatte wird in keinem Land in der Schärfe geführt, wie wir sie in Deutschland führen."