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Champagnerroggen und Co.

Weltweit geht die Zahl der Getreidesorten zurück. Weil nur noch niedrig wachsende Sorten mit hohen Erträgen angebaut werden, sterben die alten Arten aus. Ein Projekt aus der niederschlesischen Lausitz hat sich gezielt den Erhalt alten Getreidesorten auf die Fahne geschrieben.

Von Anke Ulke | 14.04.2008
    Mitten im Wald, nahe des Örtchens Tauer, liegen die kleinen Äcker von Hans-Joachim Bormann, umgeben von hoch gewachsenen Kiefern, die vor Wind und Wetter schützen. Der 75-Jährige ist Landwirt mit Leib und Seele. Knautschiger Hut, blaue Arbeitskluft, feste Gummistiefel und wache Augen hinter großen Brillengläsern - so überprüft er, wie sich die jungen Ähren entwickeln. Hier wachsen Norddeutscher Champagnerroggen und Roter Sächsischer begrannter Landweizen. Alte Getreidesorten, die kaum noch jemand kennt:

    "Das ist ein Weizen, der hat Grannen, so wie die Gerste. Das gibt es heutzutage kaum noch auf dieser Welt. Und das haben wir hier vor Jahren gemacht. Von Brandenburg ist der gekommen, der Samen. Und das ist gar nicht schlecht, auf unserem leichten Boden bringt er noch einen schönen Ertrag, das lohnt sich noch mit dem Weizen."

    Der Boden in der Niederschlesischen Oberlausitz ist sandig, für moderne, ertragreiche Sorten ungeeignet. Deshalb werden hier wieder die ursprünglichen robusten Sorten angebaut -wie Champagnerroggen oder Sächsischer Landweizen. Die alten Sorten brauchen weder künstlichen Dünger noch Spritzmittel. Der Verzicht auf Kunstdünger und Pflanzengift lässt auch seltene Ackerwildkräuter wieder wachsen. Und auf die hat es das Projekt des Biosphärenreservates eigentlich abgesehen. Denn sie sind Lebensgrundlage für Käfer- und Insektenarten, von denen wiederum seltene Vögel, wie die Heidelerche oder andere Tiere leben. Eva Lehmann vom Biosphärenreservat Oberlausitz ist zuständig für das Projekt. Sie identifiziert jede grüne Blattrosette sofort:

    "Schauen sie mal hier sind die einzelnen Pflanzen der Kornrade, die man jetzt schon sehen kann. Dort hinten sehe ich Sandmohn und Saatmohn, dort hinten Ackerfilzkraut, der Einjährige Knäuel wächst meistens hinten links auf der Fläche, ist immer die gleiche Stelle, wo er immer wieder kommt, und der Kleine Lämmersalat der ist meistens am Waldrand zu finden, auf der Getreidefläche, der müsste auch bald zu sehen sein."

    Mit jeder verschwundenen Pflanzenart sterben auch Tierarten aus, so die Biologin. Deshalb ist der Erhalt der Wildkräuter und der alten Getreidesorten so wichtig. Nur wenige Meter entfernt wächst der Norddeutsche Champagnerroggen, der aus der Champagne stammt und bis zu zwei Meter hoch werden kann. Seine Länge wurde ihm später zum Verhängnis, da die Halme leicht umfallen und so die Ernte erschweren. Die einst sehr beliebte Sorte ist anspruchslos und war an kärgere Böden im Osten gut angepasst. In der ehemaligen DDR gab es sie noch bis in die 60er Jahre. Jetzt werden die alten Sorten von Biobauern wiederentdeckt. Eva Lehmann:

    "Es ist auch meine Überzeugung, dass die Vielfalt der Kulturpflanzen und Sorten erhalten werden muss. Weil bei den Getreidesorten nur noch wenige Hochleistungssorten im Anbau sind. Es sind zwar mehrere Sorten zugelassen, aber im praktischen Anbau sind nur noch ganz wenige. Es führt zu einer Verarmung auf unseren landwirtschaftlichen Nutzflächen. Und das weiter Wichtige ist, dass es eine Alternative für Menschen mit Nahrungsmittelallergien sein kann. "

    Alte Sorten wie Champagnerroggen sind ursprünglich, gelten als ernährungsphysiologisch wertvoll und besser verträglich. Regionale Spezialitäten mit kräftig-mildem Geschmack soll es im Herbst erstmals in der Oberlausitz geben, einen interessierten Bäcker, der das Getreide im Spätsommer verarbeiten wird, gibt es auch schon:

    "Wir werden sehen, wie der Ernteertrag ausfallen wird, wir haben vor, von allen Sorten, die jetzt angebaut sind, einen Teil wieder als eigenes Saatgut zu verwenden und einen Teil zu Spezialbackwaren zu verarbeiten, und eventuell könnten dann im Herbst erste Backprodukte vorliegen. Aber das ist noch eine Zukunftsvision."

    Bauer Bormann, als einer von insgesamt drei Kollegen, die bei diesem Projekt mitmachen, ist schon aus Prinzip vom Champagnerroggen und dem Pommerschen Dickkopf überzeugt:

    "Ich mache das hier, weil wir eben kleine Flächen haben, die wir hier bewirtschaften mit diesen Sorten, dann geht das schon, dann kann man das schon machen. Es geht um den Erhalt der alten Sorten!"