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Chaos Communication Congress
Von feuernden Synapsen und selbst denkenden Handys

Mal eben an die Liebste denken oder an den Lieblingslieferservice und das Smartphone wählt eigenständig die Rufnummer oder sucht den schnellsten Weg: 2017 soll die Smartphonesteuerung per Gedanke Wirklichkeit werden. In Ansätzen geht das jetzt schon, aber nur nach bestimmten Mustern, erklärte Wissenschaftsjournalist Peter Welchering im DLF.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 29.12.2015
    Computergrafik des menschlichen Gehirns
    Computergrafik des menschlichen Gehirns (imago stock&people/Roger Harris/Science Photo Library)
    Arndt Reuning: Anderer Menschen Gedanken lesen zu können, das wünscht man sich ja hin und wieder. Auf dem 32c3 in Hamburg wird darüber diskutiert, wie und wann das Wirklichkeit werden kann. Gibt es schon einen Termin, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Ja klar, Hacker sind ja sehr präzise arbeitende Menschen und deshalb wollen sie ja auch sehr genau terminieren. Die Prognose: im Jahr 2017 ist es soweit. Dann drücken wir bei unserem Smartphone keine Tasten mehr, sondern das Smartphone liest einfach unsere Gedanken und weiß, jetzt will er zu Hause anrufen.
    Der Gedanke ist übrigens gar nicht so neu: 2003 ist in in Australien mit dem EPOC-System ein Computerspiel an den Markt gekommen. mit Gedanken spielen, also Spielfigur mit Gedanken bewegen. Dieser Ansatz ist konsequent weiter entwickelt worden, sodass es gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass wir in ein bis zwei Jahren soweit sein, dass Computer erkennen, was ihr Besitzer oder Anwender will und beispielsweise ein Programm starten oder eine Telefonverbindung aufbauen, weil der Anwender das will. Bisher ist allerdings die Erkennungsrate für direkte Maschinenbedienungen noch zu unzuverlässig. Daran muss noch gearbeitet werden.
    Vorbild Spracherkennung
    Reuning: Wie funktioniert das denn rein technisch, dass Computer unsere Gedanken lesen können?
    Welchering: Vorbild Spracherkennung – Wir diktieren etwas, Spracherkennungsprogramm setzt das in geschriebenen Text um oder erkennt Anweisungen, wie etwa starte das Textverarbeitungsprogramm. Dahinter steckt eine leistungsstarke Mustererkennung. Die kann nicht nur Sprachmuster erkennen, sondern auch Muster von Hirnaktivitäten. Wie wir heute in ein Mikrofon sprechen und die Mustererkennung setzt as um als Anweisung "Wähle die Nummer von zu Hause", so denken wir künftig "Zuhause anrufen" und die Mustererkennung erkennt anhand unserer Hornströme, dass wir zu Hause anrufen wollen.
    Reuning: Bei der Spracherkennung spreche ich in ein Mikrofon, meine Sprache wird aufgezeichnet und die Bedeutungsmuster der Silben, Wörter und Sätze werden erkannt. Wie wird denn meine Hirnaktivität aufgezeichnet?
    Welchering: EEG – Elektroenzephalogramm – Messung der Hirnströme, in der Medizin mit 19 Elektroden, um Krankheiten zu erkennen, beim Gedankenlesen bisher mit 14 Elektroden, die an unserem Kopf sitzen und die Hirnströme aufzeichnen.
    Hintergrund: Bei jeder Hirnaktivität feuern die Synapsen, diese Ströme kann man messen. Wenn ich daran denke, der Würfel soll sich vom rechten Bildschirmrand zum linken bewegen, feuern meine Synapsen in einem bestimmten Muster. Dieses Muster kann mit Elektroden aufgezeichnet werden
    Reuning: Und woher weiß der Computer, weiß die Software dann, dass ich den Würfel auf dem Bildschirm von rechts nach links bewegen will?
    Welchering: Eine Frage des Trainings, wie bei der Spracherkennung – Sprachaufzeichnung mit vorgegebenen Texten – ich trainiere die Mustererkennung auf mein Sprechen, genauso trainiere ich die Mustererkennung auf meine Hirnaktivität. Beispiel: Würfel bewegen – Muster wird aufgezeichnet, kann dann abgefragt werden, verglichen werden
    "Grundmuster müssen angelegt werden"
    Reuning: Und wie trainiere ich dann den Computer aufs Gedankenlesen?
    Welchering: Geht zur Zeit nicht mit beliebigen Gedanken, sondern mit bestimmten Grundmustern, etwa "Programm starten", zu Hause anrufen", Cursor nach oben, links, rechts oder unten bewegen". Diese Grundmuster müssen angelegt werden, können abgeglichen und erkannt werden. je feinere Muster die Software erkennt, um so mehr Kombinationsmöglichkeiten erkennt sie. Spracherkennung:
    Kombination von bedeutungstragenden Worteinheiten. Das geht mit Hirnaktivitätsmustern ähnlich, je feiner die Muster erkannt werden können, um so mehr Kombinationsmöglichkeiten kann der Algorithmus erkennen, um so freier kann er die Gedanken erkennen, die hinter den Mustern stecken, die also zu genau diesem Feuern der Synapsen führen.
    Reuning: Wenn man heute beim Arzt ein EEG machen lässt, also die Hirnströme messen lässt, dann ist dazu ja ein ziemlich großer Apparat vonnöten. Den kann man doch nicht immer mit sich herumtragen?
    Welchering: Elektroden werden kleiner, auch Verkabelung kann entfallen, Datenübertragung per Funk, in den USA ist solch ein Headset schon in eine Baseballkappe eingebaut worden. Es steht und fällt aber mit der Mustererkennung. Fürs Autofahren mittels Hirn-Schnittstelle ist deshalb in einigen Versuchsansätzen die Mustererkennung erweitert worden.
    Da sind dann nicht nur die Hirnaktivitätsmuster per Elektroden erfasst und ausgewertet worden, sondern auch die Blickrichtung des Fahrers mit einer Augenkamera erfasst worden. Und in der Brille mit der Augenkamera waren auch noch Sensoren, die die elektrische Spannung am Augapfel ermittelt haben.
    Die Spannungsmessungen am Augapfel lassen nämlich darauf schließen, wie aufmerksam ein Autofahrer gerade ist. Und bei hohen Aufmerksamkeitsgraden sind auch die per Elektrode gemessenen Hirnaktivitätsmuster klarer.
    Videos der DLF-Wissenschaftsredaktion von Tag 3 beim #32c3:
    Sind Hacker die besseren Journalisten?
    Über diese Frage diskutieren Manfred Kloiber, Felix von Leitner, Tim Pritlove und Peter Welchering.
    Die wirklich relevanten Geschichten der vergangenen Jahre sind oft über Hacker geleakt worden. Hacker haben das Know-How, in den digitalen Welten zu recherchieren. Da liegt natürlich die Frage nahe, ob Hacker nicht inzwischen die besseren Journalisten geworden sind. Die Runde ist zu einem überraschenden Ergebnis gekommen.
    Das MateLight
    Mate-Eistee - das ist das Lieblingsgetränk vieler Hacker, auch hier auf dem 32C3, dem Chaos Communication Congress in Hamburg. Das gesamte Kongresscenter wimmelt nur so von leeren Mate-Flaschen und den nötigen Getränkekisten. Doch jaseg und seine Freunde vom c.base e.V. in Berlin haben die leeren Flaschen und Kästen zum leuchtenden Kunstwerk verwandelt. Das MateLight.