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Chaotische Zustände

Am Sonntagabend ersuchte Irland nach langem Sträuben die EU und den Internationalen Währungsfonds um Finanzhilfe. Am Montag zerbrach die regierende Koalition. Chaotische Zustände also auf der Grünen Insel: Und was halten die Bauern vom gegenwärtigen Zustand Irlands?

Von Martin Alioth | 24.11.2010
    Die Rinder und die Kälber brüllten heute Morgen in ihren Pferchen im Viehmarkt von Ardee, einer irischen Provinzstadt in der Grafschaft Louth. Und was halten die anwesenden Bauern vom gegenwärtigen Zustand Irlands?

    Derzeit nicht viel, lacht einer. Brian weiß, warum Irland so tief gefallen ist: Gier, sagt er. Und wo ist das ganze Geld jetzt, fragt er. Außer Landes geschafft? Dann nennt er einen prominenten Banker. Brian ärgert sich über die Regierung, deren getreuer Gefolgsmann er sein Leben lang gewesen sei:

    Aber die Regierung habe ja alles geleugnet – bis vor zwei Tagen. Patsy zeichnet den Kreis der Schuldigen breiter: Die Burschen da oben sind schuld. Die sahnten für sich selber ab.

    John fasst es wieder enger: Die Banken seien schuld. – John sieht die hässlichen Konsequenzen kommen:

    Die Armen werden ärmer werden. Die Reichen wohl auch, aber die Armen treffe es härter, wenn es alle treffe. – Con macht sich Sorgen um jüngere Leute, die sich unlängst Häuser gekauft hatten.

    Die müssten nun damit rechnen, diese Häuser zu verlieren. – Die trüben Zukunftsaussichten und die mehrfach erwähnte Empörung über die Doppelzüngigkeit der Regierung werden die Regierungspartei Fianna Fáil von Premierminister Brian Cowen wuchtig treffen.

    Selbst die treuesten wendeten sich ab, berichtet Brian. Seit Cowen in die Ecke gedrängt wurde und eine Neuwahl in den nächsten Monaten unausweichlich geworden ist, sind die Politiker einem Fieberwahn verfallen. In Ardee sieht man das nüchterner. Paddy stellt fest, es mache nicht den geringsten Unterschied, wer gewählt werde. Wer nicht gewählt werde, habe Glück gehabt.

    Jede Regierung müsse von nun an den Befehlen des Internationalen Währungsfonds und der EU gehorchen. John ist einverstanden. Wenn andere für uns bezahlen, dürfen sie auch bestimmen:

    Wer den Musiker entlohnt, bestimmt, was gespielt wird. – Der Bauer Robert überragt alle anderen um eine Kopfgröße. Traut er denn dem Währungsfonds mehr als den irischen Politikern?

    Ja. Ist er deshalb jetzt erleichtert?

    Jemand muss aufräumen. Es werde mit vielen Schmerzen verbunden sein, aber jemand müsse das tun. - Und das sind offenbar die Ausländer. – Tut das denn weh?

    Offenbar sei der Kampf um ein Ende der britischen Herrschaft nur dazu gut gewesen, sich jetzt unter britisch-deutsche Kontrolle zu begeben.