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Chávez auf allen Kanälen

Wer nicht bereit ist, die Ansprachen von Präsident Hugo Chávez zu übertragen, dem wird die Sendelizenz entzogen. So erging es kürzlich dem Sender RCTV.

Von Victoria Eglau | 30.01.2010
    Wütende Proteste gegen die Abschaltung von Radio Caracas Television, kurz RCTV, diese Woche in Venezuela. Der regierungskritische und sehr populäre Fernsehsender war, nachdem seine Lizenz 2007 nicht erneuert worden war, nur noch über Kabel zu empfangen gewesen. Der Kanal hatte sich in RCTV International umbenannt und seinen Sitz offiziell nach Miami verlegt. Doch für die venezolanische Regierung blieb RCTV ein nationaler Fernsehsender, der den Ende Dezember erlassenen gesetzlichen Bestimmungen für das Kabelnetz unterlag.

    "Diese neuen Bestimmungen sehen unter anderem vor, dass auch die venezolanischen Kabelkanäle die Reden des Präsidenten übertragen müssen, wenn die Regierung es anordnet","

    erklärt der Medienwissenschaftler Andrés Cañizález von der Katholischen Universität Andrés Bello in der Hauptstadt Caracas:

    ""Präsident Hugo Chávez redet sehr häufig im Fernsehen und im Radio. Und dafür benutzt er nicht nur die staatlichen Medien, sondern im Jahr 2000 wurde es möglich, das Programm aller terrestrischen Kanäle für die Ansprachen des Präsidenten zu unterbrechen. Wenn die Regierung es beschließt, müssen alle Radio- und Fernsehsender Chávez' Auftritte übertragen."

    Und seit Neuestem nun auch die Kabelsender. Am vergangenen Samstag hatte RCTV eine Rede des Präsidenten nicht ausgestrahlt. Am Abend kündigte die Regierung die Abschaltung an, und bereits wenige Stunden später musste der Sender vom Netz. Eine willkürliche Maßnahme, kritisiert Medienwissenschaftler Cañizáles.

    "Im Durchschnitt hält Chávez 200 Mal pro Jahr Ansprachen im Fernsehen und Radio. Das heißt, etwa jeden zweiten Tag werden die Programme unterbrochen, und die Reden dauern durchschnittlich drei Stunden."

    Eine Einschränkung des Rechts der Venezolaner, sich frei zu informieren, urteilt Andrés Cañizález von der Katholischen Universität Andres Bello. Seiner Ansicht nach existiert in Venezuela Pressefreiheit, aber sie habe in den letzten Jahren stark gelitten. Kritische Tageszeitungen erhielten von der Regierung keine Informationen und auch keine Werbung. Im letzten Jahr wurden 34 Radiosender geschlossen. Dafür hat sich die Zahl staatlicher TV-Kanäle mit regierungsfreundlicher Berichterstattung in den letzten Jahren erhöht. Ihre Einschaltquoten allerdings sind niedrig. Von den privaten Medien übten nicht wenige Selbstzensur, so Medienwissenschaftler Cañizález. Das Vorgehen gegen den unverdrossen kritischen Sender RCTV sieht er auch vor dem Hintergrund der im September anstehenden Parlamentswahlen.

    "In diesem Wahljahr sieht sich Venezuelas Regierung mit einem Rückgang ihrer Popularität und einer Zunahme von Protesten konfrontiert. Das hängt mit der jüngsten Wasser- und Stromrationierung und den Problemen im Gesundheitswesen zusammen. Vor diesem Hintergrund ist es für die Regierung natürlich von Vorteil, wenn die kritische Berichterstattung verringert wird."

    Ihren Präsidenten werden die Venezolaner im Wahljahr 2010 wohl besonders häufig auf allen Kanälen sehen und hören können. In der Vergangenheit nutzte Chávez die Sendezeit häufig für Attacken auf Opposition, Medien und andere innere und äußere Feinde der Regierung, aber auch etwa, um zu singen, oder von seiner Kindheit und sogar von einer Durchfallerkrankung zu erzählen.