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Chefsache Entbürokratisierung

Weniger ist mehr - mit diesem Motto wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen die überbordende Bürokratie vorgehen. Der Paragraphendschungel sollte sich lichten, Vorschriften sollten lockerer und Steuererklärungen einfacher werden. Doch das Vorhaben erweist sich als schwierig.

Von Heidrun Wimmersberg | 29.01.2007
    Am Bürokratieabbau haben sich früher schon einige Verantwortliche, wie der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, die Zähne ausgebissen. Dieses Mal soll es besser werden. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, dass die Entbürokratisierung Chefsache wird. In ihrer ersten Regierungserklärung Ende November 2005 hat Angela Merkel bereits angekündigt, dass sie den Abbau zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen will:

    "Da, wo wir nach meiner Auffassung am meisten leisten können, das ist in der Frage des Bürokratieabbaus."

    Die Schaltstelle für den Bürokratieabbau liegt im Kanzleramt. Dort ist inzwischen auch der Normenkontrollrat angesiedelt. Ein Gremium, das Gesetzesentwürfe auf überflüssige Bürokratie abklopfen soll. Acht Experten, von der Kanzlerin nach Parteiproporz der großen Koalition vorgeschlagen, vom Bundespräsidenten berufen, sind seit Oktober vergangenen Jahres in unregelmäßigen Abständen für den Bürokratie-Tüv im Einsatz. Seit Januar treffen sich die acht ehrenamtlich tätigen Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft jede Woche. Den Vorsitz im Rat hat Ex-Bahnchef Johannes Ludewig. Mit seinen Kollegen prüft er bestehende und neue Gesetze auf Belastungen, die Betrieben durch Informationspflichten wie Statistiken über Umsatz, Löhne oder Arbeitsstunden entstehen. Ziel des Normenkontrollrates ist es, insbesondere diesen Papierkram zu verringern, der bei kleinen und mittleren Unternehmen anfällt. Bundeskanzlerin Angela Merkel:

    "Wir erfassen jetzt das gesamte Gesetzgebungswerk, und dann nehmen wir uns vor, 25 Prozent der Statistikpflichten, der Kontrollpflichten abzuschaffen, und wir kämpfen dafür, dass die europäische Kommission nach dem Vorbild Hollands und Großbritanniens auch so vorgehen wird, das heißt, dass wir auch die europäischen Richtlinien nach diesem Prinzip durchforsten werden."

    Von den Niederlanden lernen, heißt sparen lernen - hat sich die Bundesregierung gedacht und will nach dem Vorbild der Nachbarn Bürokratiekosten berechnen. Die belaufen sich nach Auskunft der Wirtschaftsverbände in Deutschland auf 46 Milliarden Euro im Jahr. Der Kanzlerin ist bekannt, was diese Kosten für Betriebe bedeuten:

    "Wir wissen heute, dass kleine und mittlere Unternehmen rund vier bis sechs Prozent ihres Umsatzes nur für Bürokratiekosten ausgeben. Und wenn wir einfach mal sagen, wir schauen uns das an, wir lernen überhaupt einmal, Bürokratiekosten zu berechnen und zu bemessen."

    Dafür gibt es eine Methode aus den Niederlanden, die jetzt auch in Deutschland angewandt wird - das Standardkostenmodell. Die Niederlande haben damit den Aufwand für Statistik und Berichtspflichten bereits gemessen und mehrere Milliarden Euro an Bürokratiekosten für die Wirtschaft eingespart. Gespart wurde allein schon dadurch, dass Unternehmen Statistiken nicht mehr monatlich sondern quartalsweise vorlegen.

    Spürbare Entlastungen für den Mittelstand schaffen - darauf kommt es Michael Fuchs beim Bürokratieabbau an. Der CDU-Bundestagsabgeordnete weiß, wovon er redet. Der Koblenzer Unternehmer hat sich selbst schon mit unzähligen Anträgen oder Meldepflichten für Statistiken herumgeschlagen. Zahlenkolonnen, die monatlich, viertel- oder halbjährlich zusammengestellt werden müssen. Das nimmt Zeit - und Geld in Anspruch:

    "Wenn Sie wissen, dass ein mittelständisches Unternehmen pro Mitarbeiter pro Jahr rund 4400 Euro nur für Bürokratie aufwenden muss, so ist da ein gewaltiges Feld, wo wir Entlastung schaffen können. Mir ist es wichtig, dass der Handwerker abends zuhause sitzt und ein Angebot oder eine Rechnung schreibt und nicht ewige Statistiken ausfüllt, die nachher keiner mehr liest."

    In Berlin wird das Standardkosten-Modell aus den Niederlanden nun erprobt, in einer regionalen Testregion für Bürokratieabbau - in Ostwestfalen-Lippe - ist es im Frühjahr letzten Jahres bereits erfolgreich angewandt worden. Auftraggeber war die OWL, das heißt die Ostwestfalen-Lippe Marketing GmbH - Dies ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Stadt Bielefeld, der sechs Kreise in der Umgebung und der regionalen Wirtschaft, das mit seinen Vorschlägen zum Bürokratieabbau die Basis für diese Testregion geschaffen hat. Unter den Abbau-Spezialisten ist das Standardkosten-Modell der Renner. Vor allem, weil es laut Jürgen Heinrich, Projektleiter bei der OWL, so einfach und plausibel ist:

    "Jedes Gesetz wird darauf angeguckt, was löst es an Aktivitäten in Unternehmen aus. Das macht man, indem man in kleinere, mittlere und große Unternehmen geht und nachfragt, bei denen, die die Arbeit tun. Wenn man die Zahl der Stunden multipliziert mit den Leuten, die daran arbeiten und multipliziert mit ihrem Lohn und mit der Häufigkeit pro Jahr und das mit der Zahl der Unternehmen, dann kommt ein Betrag heraus Dann kann man endlich die Kosten sichtbar machen, das ist der eine große Effekt des Modells."

    In der ersten deutschen Pilotmessung wurden die Kosten berechnet, die entstehen, wenn sich Bauunternehmen um öffentliche Aufträge bewerben. Für den Nachweis über Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gibt die Bauwirtschaft rund 650 Millionen Euro jährlich aus. Wenn man diese Nachweise bei ausgewählten Stellen für ein Jahr beglaubigen lässt, liegt das Einsparpotenzial bei den Bürokratiekosten - so die Berechnung - bei 250 Millionen Euro. Mit dem Standardkosten-Modell - so Jürgen Heinrich - kann die Bundesregierung seiner Meinung nach einen entscheidenden Schritt beim Bürokratieabbau vorankommen:

    "Wir versprechen uns davon, dass die Einführung dieses niederländischen Standardkosten-Modells schon zu einem Durchbruch und zu einer neuen Qualität in Sachen Bürokratieabbau führen kann. Wenn die das in Berlin gebacken kriegen und das so machen wie die Niederländer, die schon vor drei Jahren begonnen haben, wie die Dänen und Briten das jetzt in Angriff nehmen, dann wird mit Sicherheit eine andere Qualität in Sachen Bürokratieabbau erreicht werden. "

    Ob es dazu kommen wird, bezweifeln manche Parlamentarier. Volker Wissing bezeichnet das Vorhaben der Bundesregierung als "Bürokratieabbau light". Nach Ansicht des FDP-Haushaltsexperten setzt sich die Politik der kleinen Schritte auch in diesem Bereich fort.

    "Außer Ankündigungen hat die Bundesregierung nichts Nennenswertes auf den Weg gebracht. Es ist im Gegenteil in vielen Bereichen weiter Bürokratie aufgebaut worden, die Steuergesetze werden beispielsweise weiter verkompliziert, und die Entlastungen gerade in Sachen Bürokratieabbau lassen auf sich warten."

    Der Normenkontrollrat sei - findet der Liberale Volker Wissing - ein klassisches Beispiel für die Politik der großen Koalition: große Versprechungen, winzige Ergebnisse. Eigentlich sollte das Gremium sämtliche Gesetzentwürfe der Bundesregierung auf vermeidbare Bürokratie durchleuchten. Jetzt beschränkt sich die Untersuchung auf Bürokratiekosten, die durch gesetzlich vorgegebene Informationspflichten verursacht werden. Für den Bundestagsabgeordneten Volker Wissing ist der Normenkontrollrat in Sachen Bürokratieabbau nichts als weiße Salbe.

    "Das Gremium hat nicht die Möglichkeit, sich selbst mit Gesetzentwürfen zu befassen, sondern muss befasst werden durch die Bundesregierung. Und wesentliche Gesetzentwürfe wie etwa die Gesundheitsreform, wo geradezu ein Bürokratiemonster aufgebaut werden soll, nämlich ein solcher Gesundheitsfonds. Diese Dinge werden von dem Normenkontrollrat nicht aufgegriffen. Und vor allem hat der Normenkontrollrat nicht die Möglichkeit, seine Ergebnisse öffentlich zu kommunizieren, so dass die Bevölkerung mitbekommt, wo denn die Kritikpunkte in Sachen Bürokratieabbau liegen. Bürokratieabbau wird bei der Bundesregierung hinter verschlossenen Türen im Hinterzimmer diskutiert und an den entscheidenden Stellen tut sich überhaupt nichts."

    Ursprünglich sollte der Normenkontrollrat auch die Gesetzesinitiativen der Fraktionen überprüfen. Doch diese Pläne hat SPD-Fraktionschef Peter Struck vor der endgültigen Abstimmung im Bundestag Anfang Juni vergangenen Jahres gekippt. Es habe Befürchtungen gegeben, der Normenkontrollrat könne als Kampfinstrument missbraucht werden, um unangenehme Entwürfe der Fraktionen zu Fall zu bringen. Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend beschwichtigte damals in der Debatte und erklärte, die Sozialdemokraten seien durchaus bereit, nach einer Testphase über mehr Befugnisse des Normenkontrollrates zu diskutieren:

    "Er kann in der Praxis seine Arbeit zeigen, dass alle Befürchtungen, dass er als politisches Instrument gebraucht werden könnte, unberechtigt sind. Und von daher verstehe ich das, was wir heute machen, als den Beginn eines offenen Prozesses."

    Die SPD nehme den Bürokratieabbau nicht so ernst, wie es nötig sei, bemängelte der Grüne Matthias Berninger in der Debatte. Auch er hätte es gut geheißen, wenn der Normenkontrollrat mehr Befugnisse gehabt hätte. Nach Meinung des früheren Staatssekretärs im Landwirtschaftsministerium muss in puncto Bürokratieabbau ein Umdenken stattfinden, die Ressorts müssen an einem Strang ziehen.

    "Ich hab' die Ressortegoismen ja selbst erlebt, ich habe diesen Krieg um die kleinen Gartenzwerge in den Vorgärten selbst mitgemacht, und ich glaube, da müssen wir rauskommen. Es bedarf eines Mentalitätswechsels, wenn wir erfolgreich Bürokratieabbau voranbringen wollen und das funktioniert nur dann, wenn man hier mit entsprechend Mut und Entschlossenheit und nicht mit Hasenfüßigkeit rangeht."

    Genug zu tun gäbe es. So richtig auszumisten wäre ganz im Sinn von CDU-Mann Michael Fuchs:

    "Wenn wir es schaffen, in dieser Legislaturperiode mehr Gesetze abzuschaffen als neue zu machen, dann haben wir gute Arbeit geleistet. Bei dem Wust an Gesetzen, die wir haben - wir haben rund 4000 Bundesgesetze und Einzelvorschriften und Verordnungen zusammen 90.000 - ich meine, das ist genug. Wir können da ein breites Feld finden, wo wir abbauen."

    Doch Michael Fuchs Anliegen ist ein frommer Wunsch. Die Realität sieht anders aus. Nach Ansicht seines FDP-Kollegen Volker Wissing ist das Steuerrecht ein gutes Beispiel dafür, dass alles komplizierter wird:

    "Wir haben im Einkommenssteuerrecht in den letzten Jahren seit 2002 405 Gesetzesänderungen vorgenommen, wir haben im Bereich der Körperschaftssteuer 52 Gesetzesänderungen vorgenommen und im Bereich der Umsatzsteuer 122 Änderungen. Manche Vorschriften wurden innerhalb einer Legislaturperiode bis zu sieben Mal verändert. Das ist nicht mehr zumutbar."

    Eine Vereinfachung ist laut Volker Wissing dringend erforderlich. Doch er hat keine große Hoffnung, dass in der großen Koalition etwas vorangeht. Dabei gebe es gerade im Steuerrecht genügend Beispiele für unsinnige Bürokratie:

    "Wir haben in Deutschland unterschiedliche Mehrwertsteuersätze für Basilikum und Dill oder auch zum Beispiel für Rosmarin oder Majoran. Das ist in der Praxis eine Zumutung für jeden, der einen Gemüsestand auf einem Wochenmarkt betreibt. Ich habe im Finanzausschuss einen Antrag gestellt, dass wir das mal angehen wollen, dass wir das mal überarbeiten wollen. CDU/CSU, SPD, Grüne und Linkspartei haben diesem Antrag nicht zugestimmt."

    Den Akteuren der großen Koalition ist klar, dass der Bürokratieabbau ein schwieriges und vermintes Betätigungsfeld ist. Als der Gesetzentwurf zur Einsetzung des Normenkontrollrates vorgestellt wurde, erinnerte Norbert Röttgen, der parlamentarische Geschäftsführer der Union, an frühere Versuche, der Bürokratie Herr zu werden. Und warnte damit indirekt auch vor zu großen Erwartungen:

    "Alle Anstrengungen, Bemühungen, Kommissionen, Arbeitskreise haben sich viel vorgenommen und sind auf der gesamten Linie bislang gescheitert, in dem Anspruch, den die Politik sich selbst gestellt hat, übermäßige Bürokratie in den Griff zu bekommen."

    Gescheitert ist auch der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. 2003 hatte der Sozialdemokrat eine groß angekündigte Initiative zum Bürokratieabbau gestartet. Doch er ging mit seinem Masterplan baden - und das nicht nur, weil er mit dem Wort Bürokratieabbau auf Kriegsfuß stand:

    "Der Bürokratieabbau in Deutschland ist das beliebteste Schlagwort und das unbeliebteste, politische Handlungsfeld."

    Clement verglich die Entbürokratisierung mit einem zähen Häuserkampf. Nur in einem Bereich konnte er einen Erfolg erzielen. Seit 2003 misten die Bundesministerien überflüssige Vorschriften, Gesetze und Verordnungen aus, die aus der Zeit vor 1949 stammen. Erst vergangene Woche hat das Bundeskabinett das zehnte Rechtsbereinigungsgesetz beschlossen. Mit dieser gesetzlichen Grundlage wird zum Beispiel ein Gesetz gestrichen, das die Reichsbanknoten gegen unbefugte Nachahmung schützte. Diese Regelung betrifft niemanden mehr, in diesen Fällen regt sich kein Protest. Doch wenn Lobby- oder Ressortinteressen beim Bürokratieabbau im Spiel sind, wird mit harten Bandagen gekämpft. Nach Auffassung von Martin Wansleben, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, ist der damalige Superminister Clement gegen die anderen Ressorts nicht angekommen:
    "Die letzte Bundesregierung ist am Ende bei diesem Thema auch daran gescheitert, dass die Ressortgrenzen stärker waren als der gemeinsame Wille, der Drive, der daraus entsteht, das Projekt nach vorn zu bringen."

    Dass der gemeinsame Wille über Ressort- Fraktions- und Parteiinteressen steht, diese Einsicht wünscht sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs auch für den Bürokratieabbau. Doch noch sind die Hürden hoch, die Interessengruppen zu stark. Nach Fuchs Auffassung ruft der Bürokratieabbau die gleichen Reaktionen hervor wie der Subventionsabbau.

    "Wenn die Bürokratie abgebaut wird in einem bestimmten Bereich, dann ist da natürlich auch eine Lobbygruppe, nenn' ich sie mal, davon betroffen. Sie können davon ausgehen, dass die das nicht so gern haben. Zum Teil ist es aber auch so, dass die Beamten an den Gesetzen, die sie mal gemacht haben, Freude haben und ungern sehen, dass die dann wieder abgeschafft werden. Also beim Bürokratieabbau muss man Stahlhelm aufziehen und 'ne schusssichere Weste."

    Ganz so militärisch will Jürgen Heinrich von der Ostwestfalen-Lippe Marketing GmbH nicht gegen die Bürokratie zu Felde ziehen. Für ihn steht fest: Der Abbau wird nicht nur in Verwaltungen oder Ministerien gebremst, sondern auch von den Verbänden.

    "Es ist ja die Wirtschaft einerseits, die beklagt, dass es zu viele Vorschriften gibt, und andererseits gibt es dann die Handwerker, die sagen, das mit dem Meisterzwang ist aber eigentlich gut und richtig. Und bei dem Taxigewerbe gibt es auch welche, die finden, dass es gut ist, wenn die Farbe vorgeschrieben ist vom Taxigewerbe. Also die Gemengelage, warum wir heute diese Überregulierung haben, ist eine, die nicht damit erklärt werden kann, dass es die in den Ministerien oder Apparaten Tätigen es sind. Nein, es gibt auch ganz viele Einwirkungen Dritter."

    Das ist auch Martin Wansleben klar, dem Hauptgeschäftsführer des DIHK. Er plädiert dafür, den Bürokratieabbau über die eigenen Interessen zu stellen.

    "Bürokratie entsteht auch dadurch, dass spezifische Interessenslagen ihren Niederschlag im Gesetz finden. Das heißt, wenn wir Bürokratie abbauen wollen, dann bedeutet das die Bereitschaft, eigenverantwortlicher zu arbeiten und sicherlich auch auf das ein oder andere Schutzrecht, auf den ein oder anderen Besitzstand zu verzichten."

    Die Bewährungsprobe steht noch aus. Denn so einfach lassen sich verschiedene Berufsgruppen nicht darauf ein, ihre angestammten Rechte aufzugeben. Wie zum Beispiel die Schornsteinfeger, die auf ihr Gebietsmonopol pochen, das ihnen der Staat 1935 verliehen hat. Das verpflichtet den Hausherrn, die Emissionsmessung durch den Bezirksschornsteinfeger vornehmen zu lassen. Häufig ist es allerdings so, dass diese Arbeit bereits von Sanitär- oder Heizungsbetrieben erledigt worden ist, die einen Wartungsvertrag für die entsprechenden Anlagen im Haus haben. Wolfgang Clement wollte das Monopol abschaffen, doch daraus ist nichts geworden, die Lobby war zu stark.

    Die Besitzstandswahrung ist ein großes Problem. Das deutsche Wesen könnte ein weiterer Grund sein, dass der Bürokratieabbau nicht so recht vorankommt. Denn alles zu regeln, sei ein deutsches Phänomen, findet Michael Fuchs, der CDU-Bundestagsabgeordnete und Bürokratieabbau-Experte der Union:

    "Vielleicht ist das so ein bisschen das, was der Franzose Voltaire uns mal ins Stammbuch geschrieben hat, am Grunde eines Problems sitzt immer ein Deutscher. Das war natürlich die französische Arroganz gegenüber dem Deutschen so zu reagieren, aber auf der anderen Seite ist es so, wir lösen sämtliche Dinge immer vom Grunde aus und dann muss auch Einzelfallgerechtigkeit gemacht werden, da muss jeder einzelne Fall möglichst genau geregelt werden und das führt zu überbordender Bürokratie, darüber müssen wir uns im Klaren sein."

    Mit weniger Vorschriften besser durchs Leben kommen - dem früheren Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wäre es nur recht gewesen, wenn sich dieser Ansatz in seiner Amtszeit durchgesetzt hätte. Doch der ungeduldige Minister musste erkennen, dass dieses Projekt Bürokratieabbau nicht auf die Schnelle zu bewältigen ist:

    "Diese Bürokratie ist ziemlich umfänglich, und es ist sehr schwer, sie zurück zu schneiden. Die unterschiedlichen Interessen kommen sehr rasch zum Vorschein, gewissermaßen von Paragraph zu Paragraph. Deshalb ist das eine dauerhafte Beschäftigung, man könnte damit sein Leben zubringen. Die Absicht habe ich nicht, aber ein paar Fortschritte würde ich gemeinsam mit Ihnen gern noch erzielen."

    Der Projektleiter Jürgen Heinrich aus der Testregion Ostwestfalen-Lippe ist fest davon überzeugt, dass man für den Bürokratieabbau viel Optimismus und einen ganz langen Atem braucht.

    "Also es gibt dafür ein schönes Bild, dass Bürokratieabbau weniger der Arbeit des Architekten gleicht, der ein Gebäude errichtet, und das steht dann für die nächsten 30 Jahre da und funktioniert, sondern eher mit der Arbeit eines Gärtners zu vergleichen ist, der alltäglich in seinen Garten hinausgeht, dort etwas jätet und etwas zurückschneidet, regelmäßig den Rasen kürzt und gelegentlich auch zum Spaten greift, um kräftig umzugraben und Brachland zu schaffen, auf dem dann Neues sprießt und gedeiht."