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Chick Lit

Liebesfreud, Liebesleid, Eifersucht, die kleinen und großen Alltagskatastrophen - das sind die vorrangigen Themen, wenn leichte Lesekost für Mädchen und junge Frauen aufgetischt wird - keine Literatur mit Langzeitdauer, aber auch keine kommerzielle Massenware mit drögem Daily-Soap-Charakter, witzig-selbstironisch geschrieben und nicht immer, aber ab und zu doch sehr nah an der Wirklichkeit.

Von Karin Hahn | 22.05.2010
    Buchausschnitt - Bei Anruf Pizzaboy:
    Ich hatte ein seliges, dämliches Grinsen auf dem Gesicht, das sich einfach nicht abstellen ließ. Das kam von der Begegnung mit dem Pizzaboy. Lissy bemerkte es und verdrehte die Augen.
    "Oh mein Gott! Es ist schon wieder so weit."
    Lola zwinkerte mir zu. "Er sieht total süß aus!"
    Verflixt, warum konnte ich kein Privatleben haben?!


    Buchausschnitt - Ein Date für vier:
    Mein Herz ist wieder frei, nachdem Lars Brenner gestern an der Kasse vor mir stand und die blöde Julia Ritter aus meiner Parallelklasse an sich presste. Ausgerechnet Julia! Die immer so nervend ihre Haarverlängerung herumschlenkert und deren Gehirngröße in indirekter Proportion zu ihrer enormen Oberweite steht! Dieser Typ hat meine Liebe nicht verdient.


    Buchausschnitt - Saphirblau:
    Angefangen hatte alles eben mit diesem Kuss. Gideon de Villiers hatte mich - Gwendolyn Shepherd - geküsst. "Mist!" Gideon zog sich auf seine Seite vom Beichtstuhl zurück und rieb sich den Hinterkopf. Mist? So schlecht fand ich es nun auch wieder nicht. Gott! Ich war beinahe hundert Jahre durch die Zeit gereist, ohne etwas zu merken, weil dieser Kuss mich so vollkommen und ganz und gar ... überrascht hatte.


    Kerstin Gier, Hortense Ullrich und Steffi von Wolff, aber auch Sophie Benning und Ulrike Rylance gehen in ihren Geschichten nicht dahin, wo es wehtut. Getrost kann man bei ihnen die Seele baumeln lassen, denn sie machen die Welt nicht komplizierter als sie schon ist. Ihre Bücher lesen sich leicht, sind beliebt und das hat einen bestimmten Grund.


    "Ich glaube, das ist der Bruch mit der üblichen Erzählhaltung, normalerweise sind die Heldinnen ja wirklich Heldinnen und die sind ganz wunderbar, die haben mal das eine oder andere Problemchen, aber an sich, sind das immer gefestigte Personen gewesen. Und hier haben wir jemanden gewählt, die überhaupt nicht gefestigt war, die unsicher war, die permanent Dinge überinterpretiert hat, nicht verstanden hat und ich glaube, das hat den Kindern sehr viel Freude gemacht, zum ersten Mal sich wiederzuerkennen, denn tatsächlich ist das die realistische Variante, dass man eben permanent in irgendwelchen peinlichen Situationen landet, dass man versucht besonders cool und lässig rüberzukommen, und wenn man dann versucht, das letzte bisschen Würde zu retten, macht man es eigentlich nur noch schlimmer. Und erst im Nachhinein, in der Selbstreflexion fallen einem die perfekten Antworten ein und das was man eigentlich tun und sagen sollen. Und das widergespiegelt in einem Buch hat einen ganz starken Identifikationswert für die Leser, weil eigentlich sind wir alle so, wir sind nicht perfekt, es gehen Dinge schief, wir bemühen uns aber alle toll zu sein","

    meint die Bremer Autorin Hortense Ullrich. Außerdem sind die Zeiten vorbei, in denen die Protagonistinnen an vorderster Front feministische Grundsatzdiskussionen ausfechten. Vielerorts herrscht Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Mädchen erobern selbstbewusst die Klassenzimmer und lassen sich nicht von Jungen verdrängen. Junge Frauen verwirklichen sich im Beruf. Und so verwundert es kaum, dass immer mehr Romane erscheinen, in denen Autorinnen sich leichthändig mit den spezifischen Widersprüchen ihres Geschlechts und gängigen Klischees auseinandersetzen. Chick Lit wird diese populäre Unterhaltungsliteratur genannt und sie wendet sehr zielgerichtet an junge selbstbewusste Frauen, die in Großstädten wohnen und ihr Leben mehr oder weniger zufrieden meistern. Allerdings sind die Hauptthemen dieses Genres Liebe und peinliche Männergeschichten auch bereits für jüngere Leserinnen interessant. Der Name ist Programm: Das englische Wort Chick steht für Küken und gemeint sind junge Frauen, für die wiederum Autorinnen wie Steffi von Wolff und Hortense Ullrich schreiben.


    Steffi von Wolff: ""Ich mag an Chick Lit genau das, was der Name schon sagt: leichte Unterhaltung. Ich kann wunderbar dabei entspannen. Manchmal schmeckt eine Pizza besser als ein Dutzend Austern oder Kaviar."

    Hortense Ullrich: "Chick Lit ist für mich gekennzeichnet durch 'ne besondere Art von Humor, nämlich einem schrägen selbstironischen Humor, ein fast Sitcom ähnlicher Humor und Tempo, das heißt, es ist sehr, sehr schnell, es ist dialogstark."

    In Hortense Ullrichs neuem Buch "Bei Anruf Pizzaboy" finden sich all diese Erzählelemente wieder. Ohne lange Einführung platzt die Leserin sofort in die rasante Handlung mitten hinein und das heißt, sie flüchtet mit den drei Hauptfiguren, den Pepperschwestern Lola, Lou und Lissy, aus einer brennenden Wohnung. Die 15-jährige Lou berichtet in einem lässigen Ton von all den chaotischen Geschehnissen innerhalb der Kleinfamilie, in der Erziehungsberechtigte nur Randfiguren sind. Die kratzbürstige Lou läuft ihrem Pizzaboy Niko über den Weg und gerät in eine Achterbahn der Gefühle und Verunsicherungen.

    Buchausschnitt - Bei Anruf Pizzaboy

    Ich hing mit meinen Gedanken noch an einer Erklärung für Nikos Absage fest. Und jetzt auch an dem Kuss. Tantenkuss?! Hatte ich mich derart verschätzt?
    Wieso war das eigentlich alles so kompliziert?! Was war dagegen einzuwenden, zu jemandem hinzugehen und zu sagen: "Hey, ich find dich toll. Findest du mich auch toll?!"
    Dann wüsste man gleich, woran man ist.
    Also, nicht dass ich so was machen würde! Wär ja zu peinlich, wenn mir jemand antworten würde: "Ach nee, du lass mal." Wohingegen es etwas völlig anderes wäre, wenn ich diejenige wäre, die einen solchen Satz sagt.



    Als Running Gag zieht sich durch die schnelle Abfolge von Szenen Lous Hoffnung, ihren Pizzaboy in einem umwerfenden Outfit zu beeindrucken. Natürlich trifft sie ihn immer gerade dann, wenn sie einen kindischen Schlafanzug, ausgeleierte Sportsachen oder bekleckste Malersachen trägt.

    Hortense Ullrich treibt die Handlung pointensicher, ohne Scheu vor Albernheiten und gespickt mit absurden Slapstickszenen voran. Bevor sie jedoch zu schreiben beginnt, stehen die Biografien ihrer Hauptcharaktere fest. Sie muss sie nur noch in den Alltag entlassen und die Konflikte entwickeln sich, so die Autorin, fast von allein. Dabei konzentriert sie sich auf übersichtliche Figurenkonstellationen und verzichtet auf epische Beschreibungen. Eine Vorstellung von den einzelnen Personen und deren Umgebung überlässt sie dem inneren Auge ihrer Leserinnen. Eigene unerfreuliche Erlebnisse und verrückte Episoden ihres Familienlebens fließen in Hortense Ullrichs Texte immer ein. Hortense Ullrich:

    "Ich habe zwei Töchter, da hatte ich natürlich diese Chaoten bei mir im Haus leben und da konnte ich auch mehr oder weniger mitschreiben und was meine Töchter nicht angestellt haben, das haben zumindest mehr oder weniger deren Freundinnen und Freunde angestellt und ich hab gedacht, wow, das kann ich literarisch verwerten."


    Schmal ist der Grad zwischen peinlicher Anbiederei und authentischer Ansprache und trotzdem wählen Autorinnen oft die Ich-Form, um aus der persönlichen Sicht junger Frauen zu berichten. Allerdings verzichten alle auf Jugendslang und Hinweise auf aktuelle Musiktrends oder Klamottenlabels.

    "Ich glaube, es wird mehr Wert auf die inneren Werte gelegt, was ich natürlich ganz toll finde, wenn es nicht mehr darum geht, einem Schönheitsideal zu entsprechen, sondern dass es darum geht, Humor zu haben, Charakterstärke zu entwickeln, zu Fehlern zu stehen, liebenswert zu sein, trotzdem chaotisch. Ich glaub, das ist ein neuer Trend."

    Und den greift auch Ulrike Rylance in ihrem Roman "Ein Date für vier" auf.

    Buchausschnitt - Ein Date für vier:
    You will stay with host families who are carefully selected. The accommodation includes full board.
    Das verstehe ich nicht. Die Unterkunft enthält ein volles Brett? Voll mit was? Panik steigt in mir auf.
    ... three meals per day.
    Das bezieht sich auf das Brett. Wird das Essen auf einem kleinen Holzbrettchen gebracht wie bei Gefangenen?
    You will have 20 lessons per week in the morning or afternoon, each lasting 50 minutes.
    Na wunderbar. Das wird ja immer besser. Vier Stunden Unterricht jeden Tag, anschließend ein Essen auf einem Holzbrett und eine Wanderung durchs Moor!


    In ihrem Jugendbuchdebüt verknüpft die Autorin, die heute in den USA lebt, geschickt alle England-Klischees mit einer locker leicht geschriebenen Feriengeschichte. Miserabel sind die Englischnoten der 14-jährigen Ich-Erzählerin Marleen. Anstatt mit Freundin Tanja zu den braun gebrannten Jungs in den Süden Italiens abzudüsen, darf sie den Regelmantel einpacken und mit Schwester Ella nach Torquay reisen. Kurzzeitig vereint die Aussicht auf trübe Wochen die ansonsten immer verstrittenen Geschwister. Doch der elterlich aufgezwungene Bildungskurs erweitert den Horizont der Mädchen, die bei Lady White in einem faszinierenden Landhaus wohnen.

    Buchausschnitt - Ein Date für vier
    "Your house ist very ..." Sie ringt nach Worten.
    "Big", springe ich ihr bei.
    Einen Moment lang sieht Mrs White fast traurig aus.
    "I suppose it is", sagt sie dann. "It is falling apart though."
    "Das Haus geht kaputt", übersetzt Ella leise. Nun, das ist die Übertreibung des Jahrhunderts. Wenn ich drei Wochen überlebe, ohne dass mir die Dachziegel auf den Schädel fallen, will ich schon zufrieden sein.



    Mit selbstironischem Blick und schlagfertig lässt Ulrike Rylance ihre Heldin durchs Agatha Christie - Land wandeln. Und welch Wunder, auch Marleen erschnüffelt im Keller ihrer Gastfamilie ein Geheimnis. Ärgerlich nur, dass sie davon dem kriminellen Steve erzählt, einer Zufallsbekanntschaft beim Stadtbummel. Als Ella und Marleen Clive und Gareth, die Söhne der Lady, kennenlernen, scheint der Ferienaufenthalt perfekt und das Date für vier nah. Allerdings kontrastiert die fröhliche Gemeinschaft mit den finanziellen Sorgen der Whites, die bald ihr Landhaus aufgeben müssen. Mit Leichtigkeit, dabei stets in der Realität verankert, steuert auch das Englandabenteuer mit viel Wortwitz auf ein doppeltes Happy End zu. Das harmlose Einflechten englischer Sätze sorgt von Anfang bis Ende immer wieder für komische Verwirrungen und Missverständnisse.


    Buchausschnitt - Ein Date für vier
    "You look cute", sagte jemand neben mir. Clive!
    "Thank you", erwiderte ich automatisch, dann ist er schon wieder fort.
    Cute? Was heißt cute? Warum habe ich mich gerade bedankt? Wer weiß, was er zu mir gesagt hat!
    Vielleicht "Du schielst" oder "Dein Etikett hängt raus". Ich rappele mich hoch und renne zurück ins Zimmer. Wo ist das dämliche Wörterbuch, wenn man es mal dringend braucht?



    Der belastenden Pubertät und nerviger Elternkontrolle ist die 18-jährige Emma in Sophie Bennings neuem Roman "Was, wenn Mr. Right links abbiegt?" glücklich entkommen. Erstes Liebesleid hat sie hinter sich und nun darf Mr. Right in ihr Leben treten. Fabian heißt der Traumprinz, er ist humorvoll, ein toller Liebhaber und künftiger Juniorchef der familieneigenen Bank. Wäre da nicht die bildhübsche Yolanda, ein Model mit einer fantastischen Figur, die wieder ihre Fühler nach Emmas neuem Freund ausstreckt. Emma hört Yollis fröhliches Geträller ganz unfreiwillig auf Fabians Anrufbeantworter und das Drama beginnt. Fabians Desinteresse an Ex-Yolli schenkt Emma keinen Glauben und schon werden alle Freunde aus Emmas WG mobilisiert, um gegen die Konkurrentin ins Feld zu ziehen. Fabian darf sie auf gar keinen Fall treffen. Als Emma allerdings das Model sieht und reden hört, schaltet sich ihr Verstand wieder ein.

    Buchausschnitt - Was, wenn Mr. Right links abbiegt?

    Es hatte aber auch etwas Gutes, dass Mrs Y. sich so aufführte. Ich verlor mehr und mehr die Furcht vor ihr und wurde stattdessen stinksauer. Stinksauer. Von einer Trulla, deren IQ im Schuhgrößenbereich lag, würde ich mich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lassen! Und wenn Fabian Keilbach meinte, mit ihr noch etwas anfangen zu müssen, bitte schön. Aber dann brauchte er sich bei mir nie mehr blicken zu lassen! Oder?

    Spätestens nach dieser Erkenntnis hätte Emmas lächerlicher Tanz um den Anrufbeantworter beendet werden können. In der WG bleibt Yollis mögliches Erscheinen Dauerthema und Anlass zu immer neuem Aktionismus. Offensichtlich besitzt die Autorin eine große Obsession für klamaukselige Fehleinschätzungen und Blamagen aller Art, die klassische Ausgangssituation für Gags also und typisch für Chick Lit. Das liest sich zwar unterhaltsam, auch durch die Referenzen an genreähnliche Filme, doch fehlt der Witz, der ironische, originelle Unterton. Ersetzt wird dieser durch einen tiefen Griff in die Stereotypen-Kiste.

    Buchausschnitt - Was, wenn Mr. Right links abbiegt?

    "Wie wäre es, wenn ich dir heute Abend etwas Leckeres koche?" Der Satz war draußen, bevor ich es mir richtig überlegt hatte.
    "Das würdest du tun?" Fabians Stimme klang so begeistert, dass ich es nicht übers Herz brachte, einen Rückzieher zu machen. Das Problem war nur: Ich konnte überhaupt nicht kochen. Ü-ber-haupt nicht. Außer Käsekuchen, der gelang mir eigentlich immer.


    Letztendlich taucht die gefürchtete Yolanda recht undramatisch wieder auf, um sang- und klanglos zu verschwinden. Viel Lärm um nichts, viel äußerliches Geplänkel, wenig Spaß. Schnell gelesen, schnell vergessen.


    Wie kompliziert und dabei komisch der Sprung ins wahre Leben sein kann, davon erzählt Steffi von Wolff in ihrem Roman "Ausgezogen".

    "Dann kann ich ja schon mal einen Termin bei einem Bestatter ausmachen", war Karin von Heybergs Reaktion auf die Tatsache, dass Nicole demnächst nun wirklich ausziehen würde. "Es wird keine zwei Wochen dauern, bis du tot in einer dunklen Ecke gefunden wirst, ausgeraubt und geschändet. Ich mach mir schreckliche Sorgen", klagte die Mutter weiter. " Du bist doch wie ein kleiner Vogel, der frühzeitig aus dem Nest fällt." " Du tust ja gerade so als würdest du mich dreimal am Tag mit Würmern füttern." entgegnete Nicole, die überhaupt keine Lust auf dieses Geschwätz hatte.

    Nicole und ihre Freundinnen Saskia, Julia und Kim sind alle volljährig und planen, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen.

    Julia, Saskia, Kim und Nicole, die verbindet eins, die große Hoffnung, dass das Leben jetzt beginnt, weil die wollen sich ja abnabeln von zu Hause und die verbindet auch eine große Portion Naivität, denn sie stellen sich das alles ziemlich einfach vor, und obwohl sie sich alle vier gut verstehen, sind sie, das habe ich auch extra so gemacht, sehr, sehr unterschiedlich. Saskia eher die Bodenständige, Realistische, Julia, die Ruhige und sie lässt sich relativ schnell aus der Fassung bringen, dann ist die Kim eine absolute Romantikerin, will aber auch Karriere machen und dann haben wir noch Nicole, sehr behütet aufgewachsen und die resigniert aber relativ schnell, hat nicht so ein großes Selbstbewusstsein. Und weil die vier so unterschiedlich sind, verstehen die sich auch so gut. Und ich habe auch versucht, in dem Buch das so rüberzubringen.

    Als die vier dann eine große Wohnung, sogar mit Garten ergattern, stellen sie erst im Nachhinein fest, dass sie vollkommen vergessen hatten, sich die Räume anzusehen und vor allem den Mietvertrag gründlich durchzulesen. Steffi von Wolff lässt ihre vier Protagonistinnen, die alle aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen, in jeden Fettnapf treten. Doch bei aller Situationskomik bleibt doch ein realistischer Ansatz.

    "So ein paar Erfahrungen von mir sind da natürlich mit eingebaut worden, was man alles falsch machen kann. Das ist aber natürlich jetzt Punkt 1 bis Punkt 10 und das wird euch auf alle Fälle passieren. Das ist Quatsch, es wird immer anders irgendwie passieren, aber ein bisschen. Ansatzweise wollte ich es erklären."

    Nach ersten Erfahrungen mit seltsamen Hausbewohnern, verschlossenen Türen und Streitereien über das heikle Thema Haushaltsführung beginnt für die vier Frauen der Berufsalltag. Auch hier stolpern sie über Komplikationen und Männer.

    Buchausschnitt - Ausgezogen:
    "Also, wenn ich Sebastian mit Marius vergleiche, furchtbar sag ich dir. Sebastian ist ganz anders, ein ganz feiner Kerl, auch im Alltag." "Wenn ich mich recht erinnere, hattest du ihn erst gestern kennengelernt", warf Saskia ein.


    Steffi von Wolff: "Die schwören sich ja, die vier Mädels, am Anfang keine Männer reinzulassen, weil sie ja alle blöde Erfahrungen hatten, aber so nach und nach kommen die Männer ja rein und werden dann auch irgendwann reingelassen. Zum Schluss haben dann ja alle Männer und alles wird gut, so halbwegs jedenfalls und alle sind irgendwie glücklich. Das ist ein schönes Happy End, muss im wahren Leben natürlich nicht immer so sein und bei den Mädels kann es natürlich nächste Woche schon wieder ganz anders aussehen."

    Steffi von Wolff beobachtet ihre Umwelt mit scharfem Blick. Auch wenn die Autorin zu eigenwilligen Übertreibungen neigt, sie überspannt den Bogen nie und stellt bei allem Ulk ihre Figuren nicht bloß. Und so agieren die jungen Frauen geprägt durch ihren jeweiligen biografischen Hintergrund und trotz aller Turbulenzen überzeugend und authentisch.

    Mädchen und junge Frauen wollen sich in Geschichten wiedererkennen, über sich lachen und trotzdem träumen dürfen. Ein Grund, warum die anhaltende Begeisterung für Fantasyliteratur auch darauf zurückzuführen ist, dass sich Leser von der realen Welt mit ihren festen Regeln abwenden und lieber neue Ufer betreten.

    Kerstin Gier hat diesen Gedanken aufgegriffen und für ihre Trilogie eine gekonnte Mischung aus Liebesgeschichte und Krimihandlung mit Fantasy- und Schauerelementen erdacht. Erschien der erste voluminöse Roman "Rubinrot - Liebe geht durch alle Zeiten" 2009, so wurde der zweite Teil "Saphirblau" in diesem Frühjahr veröffentlicht. Im Mittelpunkt der komplexen Handlung steht die wechselvolle Beziehung zwischen dem 19-jährigen, attraktiven Gideon und der scheinbar so unauffälligen Gwendolyn, dem Mädchen, das Geister sehen kann. Beide Jugendlichen stammen aus verfeindeten Familien Londons und sind Zeitreisende. Mithilfe eines Chronografen und unter Aufsicht eines Geheimbundes gelangen sie kontrolliert in die Vergangenheit. Aus Gwendolyns Perspektive, die wider Willen zur Heldin wird, denn eigentlich sollte ihre gut aussehende, wie launische Cousine Charlotte das Zeitreise-Gen besitzen, verfolgt der Leser die undurchsichtige Geheimniskrämerei.

    Gideon und Gwendolyn müssen bei ihren Zeitsprüngen zu einem Team zusammenwachsen, denn nicht ganz ungefährlich sind die ihnen gestellten, speziellen Aufgaben. Im Hintergrund zieht der gefürchtete Graf von Saint Germain als berühmtester Zeitreisender die Fäden und begeht einen Mord an seinem eigenen Vorfahren. Gwen erfährt davon, als sie im Jahre 1956 ihren Großvater trifft. Allerdings weiß sie nie, wem sie in Gegenwart und Vergangenheit trauen darf. In Gideon hat sie sich trotz aller Warnungen Hals über Kopf verliebt, aber auch das bringt nur Konflikte:

    Buchausschnitt - Saphirblau
    "Kann es sein, dass du ein bisschen eifersüchtig auf Charlotte bist?"
    Ich musste lachen. "Vertrau mir, wenn du sie so gut kennen würdest wie ich, würdest du so eine dumme Frage gar nicht erst stellen."
    "Ich kenn sie eigentlich ganz gut", sagte Gideon ganz leise und nahm wieder meine Hand. Mit einem Schlag ging mir der Sinn seines Satzes auf. "Wie, wie gut kennt ihr euch denn so im Einzelnen?" "Naja, ich würde sagen, so gut, wie man sich kennt, wenn man viel Zeit miteinander verbringt." Beim Vorbeigehen lächelte er maliziös. " Und wir hatten ja beide nicht viel Zeit für andere Freundschaften." "Verstehe, da muss man nehmen, was man hat." Ich konnte es keine Sekunde länger aushalten. "Und, wie küsst Charlotte so?"
    Gideon griff nach meiner Hand, die mindestens 20 cm zu hoch in der Luft hing.
    "Ich finde, Ihr macht großartige Fortschritte in Sachen Konversation, dennoch über solche Dinge spricht ein Gentleman nicht."... "Ach, halt die Klappe. Ich hätte mich nicht von dir küssen lassen, hätte ich gewusst, dass du und Charlotte..." "Ich und Charlotte, was..." ".. mehr seid als Freunde!"



    Gwen gewährt der Leserin immer Einblick in ihr Innenleben und natürlich hat sie eine enge Freundin, mit der sie trotz Verbot über alles klatschen und tratschen kann. Anfänglich verunsichert, ergreift Gwen jedoch die Initiative, um zum einen nicht zum Spielball der mysteriösen Männergesellschaft zu werden und zum anderen hinter das magische Geheimnis ihrer Familie zu gelangen. Ganz nebenbei erfährt die Leserin, was die Dame im 18. Jahrhundert so trug und wie sie sich auf einer Soireè benehmen sollte. Allerdings muss Gwen bei ihren Reisen in die Vergangenheit nicht nur auf ihre Ausdrucksweise achten, sie unterschätzt auch den Alkoholgehalt der Getränke um 1782. In vielen Szenen entfaltet Kerstin Gier ihr komisches Erzähltalent, besonders dann, wenn der freche, unsichtbare Wasserspeier Xemerius, der aus dem elften Jahrhundert stammt, auftaucht.

    Buchausschnitt - Saphirblau:
    " Sehr gut, den Ziegenpeter sind wir schon mal los", sagte der Wasserspeier. "Jetzt kannst du mir in Ruhe erklären, worum es hier eigentlich geht." Ich wartete bis Gideon um die nächste Ecke gebogen war, dann öffnete ich die Toilettentür und schnauzte den Wasserspeier an. "Na los, komm hier rein!"Der Wasserspeier hielt sich die Nase zu und folgte mir widerwillig in die Toilette.
    "So, jetzt hörst du mir mal zu. Ich weiß, dass ich dich so schnell nicht loswerde, aber wenn du bei mir bleiben willst, dann musst du dich an ein paar Regeln halten. Ist das klar?"...
    "Tzz", machte der Wasserspeier. "Und das aus dem Mund von jemandem, der mich in ein Klo gezerrt hat. Hast du einen Hund?" "Nein." Ich atmete tief durch. Für diesen Kerl würde ich Nerven wie Drahtseile brauchen.
    "Kannst du dir nicht einen anschaffen? Erklärst du mir das mit den Zeitreisen." "Das verstehe ich selber nicht." "Kaufst du mir eine Katze?"
    "Nein!"



    Als roter Faden, an dem die Leserin sich getrost festhalten kann, schlängelt sich durch die vielschichtigen, komplizierten Handlungsebenen die spannungsgeladene Liebesgeschichte. Schwer verschossen schwankt Gwen zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt und weiß nicht genau, wie sie sich Gideon, der sie mal anzieht und dann wieder wegstößt, gegenüber verhalten soll.

    Nicht einfach, alle Gefühlsverirrungen wieder in die rechten Bahnen zu lenken und vor allem die in unterschiedlichsten Zeiten verknüpften Beziehungen zwischen den zahlreichen Figuren logisch zu entwirren. Der letzte Band "Smaragdgrün" wird die Leserinnen aber für ihre Geduld garantiert mit einem Happy End belohnen.

    Sicher lösen die Bücher des Genres Chick Lit keine literarischen Diskurse aus. Der Witz und die Ironie in den Geschichten fordern die Leserinnen aber dazu auf, den Alltag mit seinen Tücken und die Liebe in all ihren Facetten auch mit Humor zu betrachten. Das liest sich leicht, lenkt ab und entspannt.


    Bibliografische Angaben:

    Kerstin Gier: Saphirblau - Liebe geht durch alle Zeiten. Arena Verlag, Würzburg 2010, 392 Seiten, EUR 15,95
    Hörbuch - Arena audio

    Steffi von Wolff: Ausgezogen. rororo, Reinbek 2010, 223 Seiten, EUR 12,95
    Hörbuch - Argon Verlag

    Sophie Benning: Was, wenn Mr. Right links abbiegt? script5, Bindlach 2010, 182 Seiten, EUR 10,90

    Ulrike Rylance: Ein Date für vier. Eine deutsch-englische Lovestory. dtv premium, München 2010, 208 Seiten, EUR 6,95

    Hortense Ullrich: Bei Anruf Pizzaboy. Planet Girl, Thienemann Verlag, Stuttgart 2010, 204 Seiten, EUR 9,95