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China besser verstehen

Mit viel Geld und hochkarätigen Wissenschaftlern soll ein neues Forschungsinstitut in Berlin mehr Wissen über China beschaffen. Die Pläne sind ambitioniert, die Aufgaben und Ziele klar abgesteckt.

Von Klaus Remme | 14.11.2013
    Deutschland weiß zu wenig über China. Diese Erkenntnis ist aus Sicht der Mercator-Verantwortlichen Motiv und künftiger Auftrag zugleich. Beim Anteil am Welthandel liegen die USA mit sinkender Tendenz und China mit stetig wachsendem Anteil inzwischen gleichauf, auch für die deutsche Exportwirtschaft wird China immer wichtiger. Gleichzeitig gilt, so Sebastian Heilman, der Leiter des neuen China-Instituts:

    "Eine große Umfrage von infratest 2011/2012, wo allein schon bei der Selbstzuschreibung klar wurde, dass nur acht Prozent der Deutschen angaben, gute bis sehr gute Kenntnisse über China zu haben. Zugleich aber, und das mach das ganze spannend, haben 40 Prozent der Befragten in der Studie gesagt, dass sie China als Bedrohung einschätzen."

    Merics, so wird das Mercator Institute for China Studies, abgekürzt, will ein differenziertes China Bild vermitteln. Es gilt unter anderem mit falschen Assoziationen aufzuräumen, so etwa mit der folgenden:

    "Dieser 'billige Produktionsstandort", das ist immer noch in allen Köpfen drin´, kommt immer wieder. De facto sind die Produktionskosten in China in den letzten Jahren jährlich, vor allem in der Industrieproduktion, um 20 Prozent im Schnitt gestiegen. Das ist kein Billigland mehr. Das ist vorbei. Das ist ein falsches Image. Diese Nachricht muss ankommen, weil natürlich auch die Konkurrenzsituation mit Deutschland völlig anders aussieht, danach."

    Der Bedarf an Forschung, Information und Politikberatung ist groß, die bisherigen Kapazitäten ungenügend. Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Mercator Geschäftsführung nennt zwei Zahlen:

    "Wir haben in Harvard 120 Positionen, die sich mit dem zeitgenössischen China beschäftigen – in der gesamten Bundesrepublik 70."

    Das wird sich nun ändern. Die Stiftung Mercator nimmt über die nächsten fünf Jahre gesehen, mehr als 18 Millionen Euro in Hand. Mitten in Berlin entsteht Europas größtes Zentrum für Chinaforschung. Der Aufbau ist in vollem Gang. Ende 2014 werden 30 Wissenschaftler für MERICS arbeiten, interdisziplinär, in vier Forschungsgruppen, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Innovation und Umwelt. Dazu kommen Fellows mit Gast-Aufenthalten zwischen zwei und zwölf Monaten. Heilmann macht neugierig:

    "Ich kann noch keine Namen nennen, aber ich kann Ihnen garantieren, dass da absolute Koryphäen am MERICS ab nächstem Sommer sein werden."

    Sebastian Heilmann selbst ist Politikwissenschaftler, seit 1999 an der Uni Trier. Mit MERICS will er eine Organisation, die nicht etwa in Hinterzimmern von Bundeskanzleramt und Ministerien verschwiegen Politikempfehlungen verteilt, sondern den öffentlichen Diskurs pflegt. Sicher auch kontrovers, das neue Institut und die chinesische Botschaft, sie liegen nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt, doch niemand solle sich dadurch täuschen lassen:

    "Ich hatte bisher noch keinen einzigen Kontakt, noch keine Begegnung mit der chinesischen Botschaft, also es ist tatsächlich so gedacht, das muss Ihnen klar sein, dass wir nicht als Freundschaftsinstitut fungieren, mit dem Sinn, dass wir die Beziehung zu China schöner machen und reifer machen. Das ist nicht die Mission. Die Mission ist Analyse und das heißt, dass es da stachelig werden kann auch."

    Die deutsche Web-Seite ist seit heute im Netz, eine komplette englische und eine selektive chinesische Version sollen folgen. Von 140 Zeichen bei Twitter bis zur klassischen Forschungsanalyse will man Präsenz zeigen. Alles transparent, alles zugänglich, verspricht Heilmann auf Nachfrage:

    "Was dahinter steht, ist die Frage, die natürlich momentan überall ist: Machen sie nachrichtendienstliche Tätigkeiten? Nein! Kommt nicht infrage. Das Prinzip ist so, dass alle unsere Tätigkeiten abgebildet werden, auf der Homepage."

    Die Voraussetzungen in Deutschland seien günstig, erklärten die Mercator-Verantwortlichen, die Bedeutung von China sei offensichtlich, gleichzeitig gebe es auf bilateraler Ebene bereits einen dichten offiziellen Dialogmechanismus, der genutzt werden könne.