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China durchforstet den Himmel

Chinas Raumfahrtprogramm sorgt internatonal für viel Beachtung. Die Astronomie hingegen hat sich im Reich der Mitte bisher eher im Verborgenen entwickelt. Dabei plant das Land zahlreiche Großprojekte, darunter zwei Teleskope der Superlative.

Von Dirk Lorenzen | 03.09.2012
    150 Kilometer nordöstlich von Peking, weit genug entfernt von Smog und Lichtermeer, befindet sich LAMOST, das größte optische Teleskop Ostasiens – und in seiner Konstruktionsweise eines der ungewöhnlichsten der Welt. Aus dem Kiefernwald in den Bergen von Xinglong ragt es heraus wie eine zu dick geratene Sprungschanze, vor deren unterem Ende eine Kuppel steht. Nachts leitet ein mehr als fünf Meter großer Spiegel das Licht der Sterne in die vermeintliche Sprungschanze hinein, wo es über einen weiteren Spiegel und 4000 Glasfasern in Spektrografen gelangt. Chinas Forscher haben mit LAMOST viel vor, erklärt Xiangqun Cui, die Präsidentin der Astronomischen Gesellschaft des Landes:

    "Der reguläre Betrieb startet im nächsten Monat. Dann durchmustern wir großflächig den gesamten Himmel. Wir mussten für dieses Teleskop viel Neues entwickeln, etwa für die aus Segmenten bestehenden Spiegel oder für die korrekte Ausrichtung der Glasfasern. Diese Techniken können wir auch künftig beim extrem großen Teleskop nutzen."

    Schon im Testbetrieb hat LAMOST eine halbe Million Spektren von Himmelsobjekten aufgenommen. Kein anderes Teleskop der Welt liefert in so kurzer Zeit auf so großer Fläche so viele Spektren, also Informationen über Farbe, Bewegung und chemische Zusammensetzung der beobachteten Objekte. Die Daten dieses Instruments werden helfen, den großräumigen Aufbau des Kosmos besser zu verstehen, sowie die Struktur und Entwicklung unserer Milchstraße zu enträtseln. Xiangqun Cui, die viele Jahre im Hauptquartier von Europas Südsternwarte in Garching in der Teleskopentwicklung tätig war, betont, dass dieses Projekt nur ein Schritt von vielen ist.

    "Xinglong ist nicht der ideale Standort für ein Teleskop wie LAMOST. Dort haben wir nur etwa 100 perfekt klare Nächte im Jahr. Aber wir sammeln viel Erfahrung. Wir testen seit einigen Jahren mögliche Standorte in Tibet. In der Ngari-Region ganz im Westen Tibets, in mehr als 5000 Metern Höhe, soll eine große Sternwarte entstehen – in Zusammenarbeit mit Japan, Korea und weiteren Chinesen."

    Zu den weiteren Chinesen gehört auch Taiwan. In der Astronomie spielen die sonst gern gepflegten politischen Animositäten zwischen den Staaten der Region offenbar kaum eine Rolle. In China träumt man schon von einem mindestens 20 Meter großen Spiegel-Teleskop auf dem Dach der Welt, doch so ein Projekt ließe sich frühestens in zwei Jahrzehnten realisieren. Dagegen steht ein 2,5-Meter-Infrarotteleskop für Chinas Beobachtungsstation auf dem Eispanzer der Antarktis kurz vor dem Baubeginn. Nach erfolgreichen Tests mit kleineren Instrumenten in den vergangenen Südwintern rechnen alle mit der endgültigen Bewilligung in einigen Monaten. Ein richtiges Ausrufezeichen setzt man gerade im Radiobereich:

    "Das nächste Instrument ist FAST, ein 500 Meter großes, asphärisches Radioteleskop. Es wird gerade in einem natürlichen Talkessel gebaut, wie das berühmte Arecibo-Teleskop. Allerdings wird unser FAST deutlich größer und die Segmente der Teleskopoberfläche lassen sich stets in die perfekte Form bringen. Wir sind deutlich empfindlicher und beobachten einen größeren Himmelsbereich."

    In gut vier Jahren soll FAST in Betrieb gehen und dem amerikanischen Arecibo-Instrument auf Puerto Rico nach mehr als einem halben Jahrhundert die führende Rolle abnehmen. Spätestens dann gehört China weltweit zur Spitzengruppe der Astronomie-Nationen.