Donnerstag, 25. April 2024

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"China ist in diesem Konflikt ein Schlüsselfaktor"

Angesichts der Demonstrationen in Birma forderte der Grünen-Europapolitiker Frithjof Schmidt, den internationalen Druck auf das Regime zu erhöhen. Dabei kämen auch weitere Sanktionen in Betracht. Es sei aber entscheidend, ob die Nachbarländer Indien und China mitzögen. Die bisherigen Sanktionen hätten nur begrenzt Wirkung gezeigt, da vor allem China sie nicht mitgetragen habe.

Moderation: Christiane Kaess | 25.09.2007
    Christiane Kaess: Die Bilder sind beeindruckend. Tausende von buddhistischen Mönchen, die in ihren traditionellen dunkelroten Roben durch die Straßen der Hauptstadt Mayanmars, dem ehemaligen Birma ziehen. Ein Warnzeichen an die Militärjunta, von der sie sich nicht mehr ruhigstellen lassen wollen, aber es ist nicht das erste Mal, dass gegen das Regime demonstriert wird. Bereits 1988 wurde ein Aufstand mit blutiger Gewalt niedergeschlagen und auch jetzt droht das Militär.

    Am Telefon ist Frithjof Schmidt. Er ist Mitglied des Europäischen Parlaments in der Fraktion der Grünen und dort Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südostasiens und der Vereinigung südostasiatischer Nationen, kurz ASEAN. Guten Morgen!

    Frithjof Schmidt: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Schmidt, Birma steht nach Einschätzung mancher Experten am Rande einer Revolution. Teilen Sie diese Einschätzung?

    Schmidt: Ja. Das ist sicherlich richtig, wobei die große Gefahr eben ist, dass das Militär, das einen sehr großen Repressionsapparat hat, auch diese Bewegung jetzt blutig niederschlägt.

    Kaess: Aber Sie sehen auf der anderen Seite eine realistische Chance, dass das Militärregime gestürzt werden könnte?

    Schmidt: Ja. Es gibt eine neue Qualität jetzt in dem Widerstand. Das ist die große Beteiligung der buddhistischen Mönche und das sind jetzt nicht vereinzelte Mönche, sondern dahinter steht der Sangha-Orden. Das ist eine Vereinigung von Mönchen. Die hat etwa 250.000 bis 300.000 Mitglieder. Das ist neben dem Militär wenn man so will die größte gesellschaftliche Organisation in Birma und die Mönche haben eben einen sehr, sehr hohen Status. Auch ein normaler buddhistischer Militärangehöriger wird niemals auf einen buddhistischen Mönch schießen.

    Kaess: Warum kommen diese Proteste jetzt?

    Schmidt: Der Auslöser ist eine ökonomische Krise. Das Regime hat sich durch seine Politik in den letzten Jahren in eine wirtschaftliche Sackgasse manövriert. Man hat in Myanmar (Birma) bisher den Benzinpreis stark subventioniert. Das lässt sich aufgrund der gestiegenen Ölpreise jetzt wirtschaftlich vom Regime nicht mehr durchhalten. Die steigenden Benzinpreise schlagen nun durch auf die Preise für Lebensmittel. Die Fleischpreise haben sich verdoppelt und andere Preise für Lebensmittel. Das löst jetzt zusammen mit der Unzufriedenheit über die jahrelange Repression in der Bevölkerung eine massive Welle des Widerstandes aus.

    Kaess: Sie haben gerade die besondere Stellung der Mönche schon angesprochen. Die Mönche sagen aber, sie protestieren bis zum Sturz des Regimes weiter. Muss es nicht zwangsläufig zur Eskalation kommen?

    Schmidt: Na ja, das ist eben die Frage, ob es jetzt gelingt, auch innenpolitisch Verhandlungen aufzunehmen, wie weit das Militär da geschlossen agiert und sich für einen Weg der Repression entscheidet, oder inwieweit es auch dort Differenzen gibt und man den Weg der Verhandlungen geht. Das können wir im Augenblick noch nicht absehen. Es gibt beide Möglichkeiten. Beides ist möglich, denn zum ersten Mal - ich kann es nur noch mal unterstreichen - hat diese massive Beteiligung der buddhistischen Mönche eine neue Qualität geschaffen. Das Militär kann sich nicht völlig sicher sein, dass die einfachen Soldaten ihm bei der Niederschlagung dieser Bewegung folgen werden.

    Kaess: Innerhalb der ASEAN, dem Gremium der Länder Südostasiens, haben sich die Generäle immer mehr zurückgezogen, auch gegenüber Forderungen anderer ASEAN-Staaten nach mehr Demokratie. Welchen Eindruck haben Sie aus diesem Gremium von den militärischen Machthabern beziehungsweise von der Opposition im Land?

    Schmidt: Die militärischen Machthaber sind, wenn man das so einfach sagen will, völlig vernagelt. Sie haben sich immer weiter eingeigelt. Wir haben zwischen der Europäischen Union und den ASEAN-Staaten vielfältig diskutiert und verhandelt, wie man Druck ausüben kann. Aber es ist eben auch so, dass beispielsweise letztes Jahr der Vorsitzende dieser Staatengemeinschaft Südostasiens, der malaysische Außenminister nach Birma fahren wollte unter der Bedingung, dass er die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die unter Hausarrest ist, besuchen darf, und das ist ihm schlicht verweigert worden so wie uns ein solcher Besuch auch verweigert wird. Deswegen bereisen EU-Politiker Birma seit Jahren nicht. Die Opposition ist auf der anderen Seite massiv zersplittert. Das ist die große Schwäche. Sowohl unter ethnischen Gesichtspunkten - es gibt sehr viele ethnische Gruppen, ethnisch orientierte Gruppen aus den Regionen - als auch die politische Opposition hat es in den letzten Jahren nicht geschafft, sich zu einer wirklich geschlossenen Front zusammenzuschließen.

    Kaess: Welche Erwartungen kommen denn von diesen verschiedenen Oppositionsgruppen konkret an die EU jetzt in dieser Situation?

    Schmidt: Auf jeden Fall, dass die EU, was sie bisher auch schon gemacht hat, den Druck auf das Regime nicht nur aufrecht erhält, sondern verstärkt. Das heißt es muss eine klare Verurteilung der Politik des Regimes jetzt geben, eine klare Unterstützung für die demokratische Opposition. Das werden wir in dieser Woche im Europäischen Parlament mit einer weiteren Resolution machen.

    Kaess: Auch mit weiteren Sanktionen?

    Schmidt: Das wird dann der nächste Schritt sein und das wird man diskutieren müssen. Wir haben bisher ein Waffenembargo. Wir haben einen Visa-Bann für Funktionäre des Regimes. Ihre Auslandsguthaben sind eingefroren. Und wir haben ein begrenztes Investitionsverbot gegen eine Liste namentlich genannter Firmen. Dies könnte man ausdehnen etwa auf alle Firmen in Schlüsselbereichen der burmesischen Wirtschaft: Öl, Gas, Holz, Bergbauprodukte. Aber man darf sich auf der anderen Seite nicht täuschen: Solange diese Maßnahmen, zu denen auch von der Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgefordert wurde, nicht von Indien und China unterstützt werden - das sind die beiden ganz großen Nachbarstaaten Birmas -, solange wird die Wirkung sehr, sehr begrenzt sein. China ist hier auch in diesem Konflikt ein Schlüsselfaktor.

    Kaess: Würden Sie dennoch sagen, dass die Sanktionen bisher effektiv waren, denn offensichtlich haben sie ja auch zu der Erhöhung der Benzinpreise beigetragen, die jetzt wiederum die Demonstrationen beeinflusst haben?

    Schmidt: Sie waren leider nur sehr begrenzt effektiv, weil eben Indien und China sich an diesen Sanktionen de facto nicht beteiligt haben. China hat das Regime massiv unterstützt und Sie können es ja am praktischen Beispiel nehmen. Natürlich hat es einen Effekt, wenn Europa und die Amerikaner sagen, wir verkaufen dem Land keine Waffen und dem Militär keine Waffen, aber wenn die Chinesen sie dann liefern, ist die Wirkung eben sehr begrenzt. Das gilt auch für solche Fragen wie Investitionsverbote.

    Kaess: China spielt eine Schlüsselrolle. Das haben Sie angesprochen. Wie wird denn China jetzt in dieser Situation auf das Militärregime einwirken?

    Schmidt: Das ist die große Frage und die große Unbekannte in dieser Auseinandersetzung. Es gibt Spekulationen, dass China auf die Generäle einwirken könnte, jetzt Verhandlungen zu suchen, weil das auch im chinesischen Interesse ist und China auch ein Jahr vor den Olympischen Spielen jetzt nicht so wie im Sudan-Konflikt auch in diesem großen Konflikt direkt an seinen Grenzen in Birma auf die Anklagebank geraten will. Das ist die Hoffnung, die man hat, und wir können nur an die chinesische Führung appellieren, hier eine konstruktive Rolle zu spielen.

    Kaess: Wird die EU konkret versuchen, China zu beeinflussen und wie?

    Schmidt: Mit Sicherheit wird es da auch Gespräche geben und mit Sicherheit ist das Bestandteil der EU-Diplomatie in dieser Frage.

    Kaess: Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hat die Militärjunta zur Zurückhaltung aufgerufen. Sie solle die Gelegenheit nutzen, um einen echten Reformprozess in Gang zu setzen. Lassen sich denn die Generäle in Myanmar von solchen Appellen beeindrucken?

    Schmidt: Nach unseren Erfahrungen nur begrenzt, aber sie sind natürlich beeindruckt jetzt durch den massiven Widerstand und die Aktionen der Mönche. Das heißt der innenpolitische Druck kann vielleicht jetzt eine Situation erzeugen, dass sie reagieren. Aber auch die EU. Wir haben beispielsweise Wirtschaftsverhandlungen mit den ASEAN-Staaten über ein Freihandelsabkommen und die EU hat ganz klar gemacht, dass wenn die innenpolitischen Verhältnisse in Myanmar sich nicht ändern Myanmar (Birma) kein Bestandteil dieses Freihandelsabkommens sein kann. Das würde das Regime in eine weitere wirtschaftliche Isolation bringen und auch das wird meines Erachtens ein wenig zum Druck auf die Regierung dort beitragen.

    Kaess: Eine Schlüsselrolle spielt auch die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi. Die Regierung in Berlin hat jetzt zusammen mit der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft noch einmal die Freilassung gefordert. Haben solche Forderungen denn jetzt vor dem Hintergrund der Ereignisse eine bessere Chance als vorher?

    Schmidt: Ich hoffe das, aber auf der anderen Seite haben wir seit Jahren die Erfahrung, dass das Regime hier beinhart ist, wie gesagt ja selbst Besuche der führenden Außenminister der ASEAN-Staaten untersagt. Und wir haben es bisher nicht erreicht, ihre Situation zu verbessern. Ihr Hausarrest ist ja auch nach burmesischen Gesetzen völlig widerrechtlich verlängert worden. Auf der anderen Seite: Jede Unterstützung hier in diesem Zusammenhang schafft Sicherheit für die Friedensnobelpreisträgerin. Es ist absolut richtig und notwendig und wir können nur hoffen - sie wird eine Schlüsselfigur möglicher Verhandlungen sein -, dass das Regime auf Verhandlungen setzt.

    Kaess: Sie haben schon das Tabu angesprochen, auf Mönche zu schießen. Sollte dieses Tabu gebrochen werden, wie würde denn die Bevölkerung reagieren?

    Schmidt: Ich glaube dann wird die Situation völlig unberechenbar und das könnte auch zu massiven Spaltungen im Militär führen. Es könnte zu einer chaotischen Bürgerkriegssituation führen. Wir können alle nur hoffen, dass das nicht passiert und dass die einfachen Soldaten sich auch weigern werden, solche Befehle zu befolgen. Das könnte dann das Anfang vom Ende des Regimes sein.

    Kaess: Was würde das für die Region bedeuten?

    Schmidt: Die Instabilität in einem so großen Land, die ja jetzt auch schon existiert, denn das Land ist ja von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in den Provinzen überzogen, würde natürlich kurzfristig Flüchtlingswellen auslösen, hätte natürlich kurzfristig negative Auswirkungen. Aber man kann nur hoffen, dass es dann eine Wende zum komplett Besseren gibt, denn ein Birma ohne diese Militärjunta und ohne diese Generäle hätte eben in Südostasien wirklich eine bessere Zukunft.

    Kaess: Frithjof Schmidt war das. Er ist Mitglied des Europäischen Parlaments für die Grünen und in der EU-ASEAN-Delegation. Vielen Dank!

    Schmidt: Gerne.