Donnerstag, 25. April 2024

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China und die Corona-Krise
Politikwissenschaftler Parag Khanna: "Dieser Staat wird nicht zerfallen"

Die Corona-Krise in China ist schlecht gemanagt worden. Das Land werde durch die Krise aber nicht grundsätzlich geschwächt, sagte der Politikwissenschaftler Parag Khanna im Dlf. "Die Frage ist, ob sie lernen, dass man als Team handeln kann statt gegen das Volk."

Parag Khanna im Gespräch mit Karin Fischer | 23.02.2020
Polizeibeamte in Peking mit Mundschutz.
Chinesische Polizeibeamte in Peking mit Mundschutz (imago images / Kyodo News)
Die Nachrichten aus China sind besorgniserregend. Das Wort "Pandemie" wird für die Ausbreitung des Corona-Virus noch nicht benutzt, aber sie steht als konkrete Gefahr am Horizont. Die Nachrichten zuletzt - die Automesse in Peking wird verschoben, der Krankenhausdirektor von Wuhan ist gestorben, Apple bekennt Produktionsschwierigkeiten - beweisen alle die sehr ernsten Folgen der Corona-Krise, auch weltweit.
Eine Erkenntnis sei, meint der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler Parag Khanna, dass wir und der ganze Rest der Welt zumindest in Handelsfragen sehr abhängig geworden seien von China. Das Land werde durch die Krise aber nicht grundsätzlich geschwächt - es sei denn der Westen lerne aus der Krise und fange an, die Produktionsanlagen über Asien hinaus diversifizieren - was jetzt bereits eine Folge sei.
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Die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten in China ist weiter angestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation hat Ende Januar den "internationalen Gesundheitsnotstand" ausgerufen. In Deutschland wurden inzwischen 16 Fälle von Infizierten bestätigt.
China bekämpft das Virus mit Überwachungstechnologie, etwas im öffentlichen Verkehr, und strikten Fahr- und Kontaktverboten. "Das ist eine paradoxe Fragestellung: Hätte es noch schlimmer sein können, wenn der Staat nicht autoritär gewesen wäre? Oder ist es doch weiter verbreitet wegen des chinesischen Autoritarismus? Es gibt Argumente für beide Seiten." Natürlich sei mangelnde Transparenz in China eine Tatsache, und mit ein Grund dafür, dass die Corona-Krise schlecht gemanagt wurde: "Man hätte sich davor bewahren können, dass das Virus sich überhaupt so verbreitet, wenn man den Experten und Ärzten zugehört hätte."
Die Doppelgesichtigkeit Chinas
Angesichts der Corona-Krise zeigt sich, wie auf vielen Gebieten, die Doppelgesichtigkeit Chinas: hier der wissenschaftliche Fortschritt, da die Totalüberwachung; hier der gelenkte Superkapitalismus mit scheinbar unendlichen - auch menschlichen - Ressourcen, da ein Despotismus, ein autoritäres Regierungsmodell, das dann doch die Zahl der Ansteckungen erstmal zu vertuschen versucht.
"Es gibt beides in China. Es gibt die Effektivität des Staates, über Technologie Verhaltensmuster zu überwachen oder einfach zu betrachten, damit öffentliche Dienstleistung besser wird. Und es gibt den allmächtigen Staat, der sich in jede Lebenssituation einmischt."
Die Krise führt nicht zum Untergang
Die Corona-Krise werden den chinesischen Staat nicht untergraben. "Die Frage ist, ob sie lernen, dass man als Team handeln kann statt gegen das Volk." Parag Khanna nennt die Korruption als Beispiel, "eine Art politische Pest": "Da agiert man mit dem Volk zusammen, man kann zum Beispiel über die sozialen Medien den eigenen Bürgermeister anklagen, und dann wird das auch untersucht." Hier habe der chinesische Staat an Glaubwürdigkeit in den Augen der eigenen Bevölkerung gewonnen. Auch bei der Luftverschmutzung habe China gezeigt, dass es in der Lage ist, umzusteuern. "Die Zwischenbilanz ist gemischt, aber wir reden über einen asiatischen Staat mit einer 5000 Jahre alten Geschichte in zentralisierter Herrschaft." Die mögliche Erwartung des Westens, dass diese Krise nun zum Untergang führe, sei jedenfalls übereilt.
China ist nicht Asien
4, 5 Milliarden Menschen scheren sich überhaupt nicht darum, was der Westen denkt, ist eine der Thesen Parag Khannas aus seinem neuen Buch. "Keiner hier schert sich um die Twitter-Äußerungen von Donald Trump. Die bauen Asien. Das ist die erste, zweite, dritte und vierte Priorität bei jedem asiatischen Staatsoberhaupt oder Wirtschaftskapitän oder Student: Was machen wir für uns?"
Die Multipolarität sei tief verankert in der asiatischen Kultur. Die Angst des Westens vor einer Hegemonie Chinas sei deshalb unbegründet. "Wenn wir vom Westen aus nach Asien blicken, sehen wir zum großen Teil nur China. Und wir rechnen damit, dass China zwangsläufig eine globale Weltmacht wird und dass andere asiatische Länder das Knie beugen vor China. Das ist nie der Fall gewesen, in der ganzen Geschichte Asiens, und das wird auch heute nicht der Fall sein." Die Zukunft sei eine multipolare asiatische Ordnung, in der Japan, Indien, Südkorea, die südostasiatischen Staaten, auch Russland, die Türkei und der Iran alle eine wichtige Rolle spielten. "Sie alle können zusammen China eindämmen und das werden sie auch tun."
Der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler, Strategieberater und Publizist Parag Khanna liest und diskutiert auf der 7. phil.cologne in Köln am 06.06.2019
Der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler und Publizist Parag Khanna (picture alliance / Horst Galuschka / dpa)
Parag Khanna, indisch-amerikanischer Politikwissenschaftler, ist Strategieberater, Experte für Globalisierung und Geopolitik, er lehrt an der Nationaluniversität in Singapur und ist Publizist. Sein jüngstes Buch trägt den Titel "Unsere asiatische Zukunft". Darin beschreibt er eine "Asiatisierung Asiens" im 21. Jahrhundert und die Folgen für den Westen.