Samstag, 20. April 2024

Archiv

China
Weltgrößtes Radioteleskop im Probelauf

Seit diesem Wochenende ist China um einen Rekord reicher. FAST, das mit fünfhundert Metern Durchmesser größte Radioteleskop der Welt, ist nach gut fünf Jahren Bauzeit fertiggestellt. Das Instrument befindet sich im Südosten Chinas, etwa 1000 Kilometer von Hongkong entfernt, und hat nun den Probebetrieb begonnen.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Uli Blumenthal | 26.09.2016
    Das FAST-Teleskop in China wird die größte Radioschüssel der Welt
    Das FAST-Teleskop in China wird die größte Radioschüssel der Welt (FAST)
    Uli Blumenthal: Wie sieht ein Radioteleskop mit 500 Metern Durchmesser aus?
    Dirk Lorenzen: Das Instrument ist keine frei stehende Schüssel, die sich in alle Richtungen bewegen lässt. So etwas lässt sich nicht stabil bauen. FAST ist in einen Talkessel gebaut worden, genau wie das berühmte 300-Meter-Teleskop von Arecibo in Puerto Rico. Das ist nach einem halben Jahrhundert nun seine Rekordstellung los: Die FAST-Schüssel besteht aus rund 4500 Segmenten und hat sage und schreibe einen halben Kilometer Durchmesser. Rund um diese riesige Schüssel herum stehen sechs Türme, die mehr als 200 Meter hoch sind. Die halten die Kabel für den Empfänger, der über dem Teleskop hängt – und etwa so groß wie ein Reisebus ist.
    Blumenthal: Wenn das Teleskop in einen Talkessel gebaut ist: Kann es dann immer nur einfach stur senkrecht nach oben gucken?
    Lorenzen: Die Schüssel ist in der Tat einfach nach oben gerichtet. Aber die Astronomen können den Empfänger über der Schüssel so bewegen, dass das Teleskop auch noch Objekte 40 Grad vom Zenit entfernt beobachten kann. FAST kann also einen breiten Streifen am Himmel erfassen und die Astronomen müssen einfach warten, dass die sie interessierenden Objekte durch die Erddrehung ins Blickfeld des Teleskops geraten.
    Blumenthal: Was erhoffen sich die Astronomen von dem neuen Teleskop?
    Lorenzen: FAST wird deutlich empfindlicher sein als heutige Radioteleskope und wird somit auch weiter hinaus ins Blick können. Die Forscher wollen damit die Verteilung des Wasserstoffgases im All erfassen, ferne Galaxien untersuchen, Pulsare beobachten, schnell rotierende Sternleichen, und vieles mehr – und natürlich ließen sich damit theoretisch auch Funksignale fremder Zivilisationen empfangen, so es die überhaupt gibt. Primär geht es um die Grundlagenforschung: Im Radiobereich lassen sich mit FAST die Etappen der Entwicklung unseres Universums bestens studieren.
    Blumenthal: Ist der Süden Chinas ein guter Standort?
    Lorenzen: Radioteleskope brauchen keine klimatisch idealen Regionen wie große optische Teleskope. Radiowellen sind auch bei Wolken oder bei Helligkeit zu empfangen. Daher spielt das Wetter nur eine untergeordnete Rolle. Störend ist die Radiostrahlung irdischer Quellen, etwa von Mobiltelefonen, Radiosendern, Motoren et cetera. Da ist man in China sehr rigoros vorgegangen: Für FAST wurden im Umkreis von etwa fünf Kilometern fast 10.000 Menschen umgesiedelt. Diese Region soll völlig radioleise sein. Chinesische Behörden geben an, die Menschen seien mit neuen Häusern und Geldzahlungen entschädigt worden.
    Blumenthal: Ist FAST ein rein chinesisches Projekt?
    Lorenzen: Die Grundstruktur hat China gebaut. Beim Empfänger, also bei der "Kamera", die das Teleskop nutzt, arbeitet man sehr eng vor allem mit Australien zusammen. FAST soll über einen ganz modernen Empfänger verfügen, der gleichzeitig die Strahlung aus 19 verschiedenen Richtungen erfasst. Nun beginnen die Testbeobachtungen. Wie man hört, hat FAST bereits die Signale eines Pulsars erfasst. Bis zum Routinebetrieb werden sicher noch einige Monate oder Jahre vergehen. Dann sollen Astronomen aus aller Welt Zugang zu FAST haben – die Forscher müssen sich um Beobachtungszeit bewerben und ein Ausschuss erteilt den Zuschlag nach der wissenschaftlichen Bedeutung des Projekts. China steht schon jetzt in der Radioastronomie international gut da – und wird mit FAST seine Stellung weiter ausbauen.