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Chinas Immobilienmarkt
Wohnungspreise spielen verrückt

In chinesischen Städten wie Shanghai, Nanjing und Shenzhen sind die Immobilienpreise im Jahresvergleich zuletzt um rund 30 Prozent gestiegen. Zwar steuern die chinesischen Behörden gegen, dennoch ist der Andrang auf Eigentum unbegrenzt. Viele Chinesen geben sich unbekümmert - obwohl Experten vor einer gefährlichen Immobilienblase warnen.

Von Steffen Wurzel | 21.11.2016
    Shanghai
    Shanghai: Die Immobilienpreise sind hier um über 30 Prozent gestiegen. (imago stock&people )
    Im Zentrum von Shanghai. Es wuselt und wimmelt und fast überall wird gebaut. Alte Häuser werden entkernt und modernisiert oder ganz abgerissen und doppelt so hoch wieder aufgebaut. Es ist das große Ziel der meisten Menschen, hier in Shanghai oder in einer der anderen chinesischen Metropolen eine Wohnung zu besitzen. Der Shanghaier Angestellte Lü Kang sagt: Man kommt gar nicht drum herum, Immobilien zu kaufen.
    "In den Köpfen der meisten Chinesen ist man erst dann erfolgreich, wenn man dort, wo man lebt, auch Immobilien besitzt. Denn dann kann man dort bleiben, einen festen Arbeitsplatz finden und eine Familie gründen."
    Genau das macht Lü Kang gerade vor. Er ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat eine eineinhalb Jahre alte Tochter. Als Manager bei einem französischen Luxusartikelersteller verdient Lü Kang rund 4.800 Euro brutto im Monat. Damit sei er in Shanghai ein Vertreter der oberen Mittelklasse, sagt er selbst von sich. Anfang des Jahres haben er und seine Frau eine 100-Quadratmeter-Wohnung gekauft.
    Eine Million Euro für 100-Quadratmeterwohnung
    "Wir haben umgerechnet rund eine Million Euro gezahlt. Angezahlt haben wir etwa 30 Prozent. Mit allen Gebühren und Steuern haben wir zu Beginn 320.000 Euro in cash gezahlt."
    Kein größeres Problem sei das gewesen, sagt Lü Kang. Schließlich habe er vor einigen Jahren für viel weniger Geld bereits zwei Wohnungen gekauft und diese nun mit einem dicken Gewinn wieder abgestoßen.
    "Zu Beginn dieses Jahres sind die Preise wahnsinnig gestiegen," sagt der Shanghaier Immobilienmarkler Zhu Yu. "Im Februar und März spielten sich in meinem Büro richtige Kämpfe ab. Einige Interessenten fragten einfach: Was ist noch zu haben? Hier ist die Anzahlung. Manche wollten die Wohnung gar nicht sehen."
    Noch viel mehr als in Deutschland wird Immobilienkauf in China als Investment gesehen. Die Zinsen sind niedrig, die Börse gilt als unseriös und so bleibt den Menschen kaum etwas anderes übrig, als ihr Geld in Wohnraum zu stecken.
    Experten warnen vor einer gefährlichen Immobilienblase
    Wenn sie es sich leisten können: In Städten wie Shanghai, Nanjing, Shenzhen und Peking sind die Preise im Jahresvergleich zuletzt um rund 30 Prozent gestiegen. In den vergangenen Wochen haben die Behörden in vielen Teilen Chinas bestimmte Regeln in Kraft gesetzt, die den Preisanstieg bremsen sollen. So müssen Käufer vielerorts inzwischen mehr anzahlen als früher, in anderen Städten können Auswärtige nicht mehr beliebig viele Wohnungen kaufen.
    Maßnahmen wie diese haben den Preisanstieg zuletzt etwas abgebremst, teilte das Nationale Statistikbüro am Freitag mit. Trotzdem: China sitze auf einer gefährlichen, riesigen Immobilienblase, warnen einige Experten. Andere weisen darauf hin, dass die hohen Preise oft gerechtfertigt seien. Denn zumindest in den großen Städten werde Wohnraum nun einmal gebraucht. Und selbst, wenn die Blase platze, würden die Preise in China danach wieder anziehen. Der 34-jährige Familienvater Lü Kang jedenfalls gibt sich absolut unbesorgt und unkritisch.
    "Ich finde: Jeder der es sich leisten kann sollte kaufen. Ob der Wert einer Wohnung steigt und die Preise weiter zulegen - darüber muss man sich hier nun wirklich keine Sorgen machen."