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Chinas Quasi-Monopol

Rohstoffe.- Aus sogenannten Seltenen Erden werden Metalle gewonnen, die für die Herstellung von High-Tech-Produkten benötigt werden, zum Beispiel von Handys. Für die deutsche Industrie tut sich derzeit bei der Beschaffung insbesondere der "schweren Seltenen Erden" ein großes Problem auf.

Von Jan Lublinski | 23.04.2012
    Die Aufregung in der westlichen Industrie war groß, als China vor knapp zwei Jahren den Export von Metallen der Seltenen Erden massiv beschränkte. Diese speziellen High-Tech-Rohstoffe werden für die Produktion von allerlei modernem Gerät gebraucht: für Flachbildschirme, Glasfaserkabel oder Windkraftanlagen. Eigentlich braucht man die Metalle der Seltenen Erden meist nur in geringen Mengen, und ihre Preise waren immer moderat gewesen. Mit einem Mal aber wurden sie zu knappen Gütern, die Preise schossen in die Höhe. Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover:

    "Zum ersten Mal war es dann so, dass der Verbrauch das weltweite Angebot, das von China dominiert wird, überstiegen hat. So kam es dann zu diesem Erdbeben in Richtung der Preise und in Richtung des jetzigen Hypes, sich mit Seltenen Erden auseinanderzusetzen."

    Einige Fachleute sagen heute, es sei absehbar gewesen, dass China den Export von Metallen der Seltenen Erden stärker beschränken würde. Aber die Einkaufsexperten der westlichen Industrie, deren Aufgabe es ist, die Märkte zu beobachten und Risikoanalysen zu erstellen, hatten diese Rohstoffe nicht auf dem Schirm. Jetzt reiben sie sich die Augen und stellen fest: Allein China verfügt über ein breites Spektrum an sogenannten kritischen Metallen – und über das zugehörige technisch-wissenschaftliche Know-how.

    "Es wird geschätzt, dass, während wir hier reden, in China etwa 1000 Doktoranden an dem Thema Seltene Erden arbeiten. Und in der westlichen Welt vielleicht ein Dutzend."
    China beherrscht die Forschung und die Förderung von Metallen der Seltenen Erden und will in Zukunft auch die Flachbildschirme, Windturbinen und so weiter nach Möglichkeit selbst produzieren und so Arbeitsplätze im eigenen Land schaffen. Aus dieser Entwicklung können die Deutschen einiges lernen, findet Jens Gutzmer. Er ist der Gründungsdirektor des neuen Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie.

    "Man kann lernen, dass man nicht in einseitige Abhängigkeit von einem produzierenden Land geraten darf, weder bei der Rohstoffproduktion im Sinne des Bergbaus noch bei der Verhüttung und Bereitstellung von Reinstmetallen. Das darf nicht sein, man darf nicht zulassen, dass diese Kompetenz in eine Hand übergeht, weil sonst die gesamte Wertschöpfungskette hinüber wechseln wird."

    Nun bemüht man sich in Deutschland darum, sparsamer mit den Metallen der Seltenen Erden umzugehen. Man sucht nach Ersatzstoffen und erforscht Recycling-Verfahren. Gleichzeitig schaut sich die deutsche Industrie nach neuen Bezugsquellen außerhalb Chinas um. Die Bundesregierung ist Rohstoffpartnerschaften mit der Mongolei und Kasachstan eingegangen. Siemens hat neuerdings Joint-Venture-Verträge mit der australischen Firma Lynas, die in den kommenden Jahren einige Metalle der Seltene Erden fördern will. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen die Produktion von Neodym-Magneten betreiben, die für Windturbinen wichtig sind. Darüber hinaus hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zahlreiche neue Explorationsprojekte weltweit bewertet. Harald Elsner:

    "Das Problem bei diesen 425 Projekten ist: Nur ganz wenige besitzen schwere Seltene Erden."

    Schwere Seltene Erden sind Metalle mit größerer Massenzahl wie etwa Terbium, Dysprosium oder Yttrium. Sie werden nur in China gefördert, und gerade sie werden in der Industrie dringend benötigt zum Beispiel in den Bereichen Windenergie und Leuchtstoffe. Elsner und seine Kollegen haben unter den weltweit 425 neuen Explorationsprojekten immerhin 17 ausmachen können, bei denen man schwere Seltene Erden fördern könnte. Aber diese Projekte haben große Nachteile. Sie wären extrem teuer. Potenzielle Investoren halten sich darum bislang zurück.

    "Das sind Projekte in der hohen Arktis, in Grönland, im Norden Kanadas. Oder es sind Projekte, die so klein sind, mit geringen Gehalten oder Tonnagen, dass es sich einfach nicht lohnt, auch für finanzkräftige Investoren, dort Geld hineinzusetzen und sich an schweren Seltenen Erden Projekten zu beteiligen."

    Und selbst wenn sich jetzt eine Investorengruppe dazu durchringen würde, weit nördlich des Polarkreises eine Mine für Metalle der Seltenen Erden aufzumachen - es würde insgesamt ein Jahrzehnt dauern, bis dieser besondere Rohstoff in den westlichen Fabriken zur Verfügung stünde. Die Chinesen haben den Markt also fest im Griff.