Samstag, 20. April 2024

Archiv

Chinesen auf deutschen Autobahnen
"Ein ganz besonderer Thrill"

Sie reisen gezielt nach Deutschland, um mal richtig Gas zu geben: Jetzt wurde eine Luxuswagen-Kolonne chinesischer Touristen bei Böblingen mit 200 km/h geblitzt - erlaubt waren 120. Dass es hierzulande häufig Tempolimits gibt, hat sich noch nicht herumgesprochen.

Von Steffen Wurzel | 17.08.2017
    Fahrt im Autobahntunnel der A 71 nahe Oberhof (Thüringen)
    Mal so richtig Gas geben: Chinesische Touristen kommen gern in Gruppen nach Deutschland, um Luxuskarossen auszufahren. Viele glauben, alle Autobahnen seien komplett ohne Tempolimit. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Wenn man sich in China Auto-Werbespots ansieht, könnte man meinen, man ist im falschen Film. Während sich das Land wie kein zweites bemüht, die leise und saubere Elektromobilität voranzubringen, vermitteln die Werbespots das Gegenteil: Es geht um PS, Motorengeheul und hohe Geschwindigkeiten.
    "Viele Chinesen glauben, alle Autobahnen in Deutschland sind ohne Tempolimit"
    Deutsche Autos stehen in China für Qualität, Kraft und Geschwindigkeit. Was Chinesen mit deutschen Autobahnen verbinden, erklärt Zhu Hao, ein 36-jähriger Autofan aus Shanghai.
    "Viele Chinesen glauben, dass alle Autobahnen in Deutschland ohne Tempolimit sind. Und zwar komplett. Sie wissen nicht, dass es einige Bereiche gibt, auf denen man sich eben doch an ein Tempolimit halten muss."
    "Mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde"
    Zhu Hao hat Ende der 90er-Jahre in Berlin Design studiert. Spätestens seit seiner Zeit in Deutschland ist er Auto-Fan. In China kann er mit seinem VW mit maximal 120 km/h über die Autobahn fahren. Manchmal schwärmt er seinen Freunden in Shanghai von den unlimitierten deutschen Autobahnstrecken vor.
    "Statt 120 kann man auf deutschen Autobahnen mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde fahren. Das ist ein ganz besonderer Thrill. 120 gilt als langsam in Deutschland. Dort wird höheres Tempo gefahren. Wo kein Geschwindigkeitslimit herrscht, fahren sogar Omis mit 180."
    Auf chinesischen Autobahnen haben Geschwindigkeitsfans nur eine Möglichkeit, zumindest kurz zu beschleunigen, sagt Zhu Hao:
    "Wenn man auf der Autobahn eine Mautstation passiert hat und dort rausfährt, kann man - zumindest für eine kurze Distanz - Gas geben."
    "Chinesische Touristen lassen es ein bisschen krachen"
    In chinesischen Städten stehen Autofahrer häufig mehr im Stau, anstatt zu fahren. Trotzdem sieht man regelmäßig superteure Luxus- und Sportwagen von Porsche, Maserati, Aston Martin und Ferrari.
    "Ich glaube nicht, dass die Typen in ihren Luxusautos frustriert darüber sind, im Stau zu stehen. Sie zeigen sich und ihre Wagen gerne. Jeder um dich herum schaut in diesen Momenten auf dich. Also langweilig wird einem da nicht."
    Dass chinesische Touristen in Deutschland Spaß daran haben, es mit einem Mietwagen ein bisschen krachen zu lassen auf der Autobahn, kann Zhu Hao gut verstehen, sagt er, aber:
    "Wenn ich auf deutschen Straßen unterwegs war, ist mir immer aufgefallen: Die Fahrer, die zwar gut fahren können, sich aber auf der Autobahn schlecht benehmen, das waren meistens chinesische Touristen."