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Chinesisches Investitionsgesetz
"Gleichbehandlungsgrundsatz ist das A und O"

Das neue Gesetz, das der chinesische Volkskongress nun verabschiedet hat, biete viel Potenzial für ausländische Unternehmen, sagte Katja Drinhausen vom Mercator Institut for China Studies im Dlf. Ob damit tatsächlich eine Gleichstellung ausländischer mit chinesischen Unternehmen erreicht werde, bleibe abzuwarten.

Katja Drinhausen im Gespräch mit Birgid Becker | 15.03.2019
Chinesische Delegierte bei der Ankunft zum Volkskongress in Peking
Chinesische Delegierte bei der Ankunft zum Volkskongress in Peking. Zum Abschluss des Volkskongresses in Peking sollen ausländische Investitionen erleichtert werden. (Imago/ Stephen Shaver)
Katja Drinhausen: Peking kommt ausländischen Forderungen insofern auf jeden Fall entgegen, dass das neue Gesetz die grundsätzliche Gleichbehandlung von ausländischen Investitionen zum erstem Mal richtig festschreibt. Das ist ein relativ großer Schritt, da dort einige weitere Rechte mit verknüpft sind, zum Beispiel der gleiche Zugang zu Kapitalbeschaffung im Inland, etwa über Börsengänge, aber auch die gleichberechtigte Behandlung bei öffentlichen Ausschreibungen und Beteiligungen in Verfahren von Festsetzung von Standards und so weiter. Der verordnete Technologietransfer durch Verwaltungsanweisungen von Lokalregierungen wird dadurch untersagt. Und generell werden die Rechte von Lokalregierungen in dem Screening und der Einschränkung oder der Steuerung von ausländischen Investitionen in ihrem Hoheitsbereich durchaus eingeschränkt, was in der Vergangenheit immer wieder Grund zur Klage war.
Birgid Becker: Wenn wir das jetzt auffächern: Welche der Regelungen ist von besonderer Durchschlagskraft?
Drinhausen: Letztlich ist der Gleichbehandlungsgrundsatz das A und O des neuen Gesetzes, weil eben die anderen Rechte daran direkt angeknüpft sind. Die ergeben sich sozusagen daraus. Die Frage ist nur, inwieweit dieser Grundsatz der Gleichbehandlung in der Praxis wirklich von der breiten Masse der ausländischen Investoren und Unternehmen, die in China aktiv sind, genutzt werden kann. Da gibt es ja in dem Gesetz wiederum eine Reihe von Einschränkungen, die angelegt sind. Quasi Stellschrauben, mit denen die Regierung auch in Zukunft den Marktzugang durchaus einschränken kann.
Becker: Wie konkret sehen Sie da Hintertüren?
Negativliste und Sicherheitsprüfung bleiben
Drinhausen: Zum einen gibt es die Negativliste, auch in Zukunft, in Wirtschaftsbereichen, in denen ausländische Investitionen und Unternehmen nicht oder nur eingeschränkt tätig werden dürfen. Außerdem gibt es in dem Gesetz eine neue angelegte Sicherheitsprüfung und eine kartellrechtliche Prüfung, womit zukünftig der Marktzugang von ausländischen Investitionen und Unternehmen gesteuert werden kann. Da ist es eben wichtig, zu sehen, dass diese beiden Maßnahmen, also gerade die Sicherheitsprüfung, aber auch die Negativlisten noch nicht ausformuliert sind. Das Gesetz tritt ja Anfang nächsten Jahres in Kraft, und das Sicherheitsprüfungssystem ist bislang nur skizziert, genau wie ein Informationsberichtssystem und ein Beschwerdesystem für ausländische Unternehmen. Der ganze regulative Rahmen ist quasi nur angerissen, eher im Sinne von politischen Zielsetzungen oder Zielerklärungen, während die Frage nach dem tatsächlichen Prozedere komplett ungeklärt ist.
Becker: Da hätte dann auch noch Peking genügend Spielraum, um dieses Investitionsgesetz doch in Realität zu formen nach den eigenen Wünschen?
Drinhausen: Ganz genau. Da ist noch hervorzuheben, dass der erste Entwurf von dem ausländischen Investitionsgesetz, der schon 2015 vorgelegt wurde, damals noch 170 Artikel enthielt, die jetzt in der aktuellen Version, die ja doch sehr schnell durch den legislativen Prozess durchgeschleust wurde, auf nur 42 reduziert worden ist. Hauptsächliche Teile, die fehlen, sind eben gerade diese Ausgestaltungen der verschiedenen Prozedere, mit denen auf nationale Sicherheitsaspekte überprüft wird und so weiter, sodass da eben unklar ist, wie das in Zukunft ausgestaltet wird. Und einer der Hauptgründe, warum diese Teile rausgenommen wurden aus dem Gesetz, ist eben, dass es relativ große Unstimmigkeit zwischen den verschiedenen Behörden und Institutionen, die in China für die Regulierung ausländischer Investitionen zuständig sind, vorherrschen. Da ist eben die Frage, inwiefern werden die sich nun, nachdem sie es in den letzten drei Jahren nicht geschafft haben, innerhalb von wenigen Monaten bis Inkrafttreten des Gesetzes darauf einigen, das wirklich so auszugestalten, dass zum 01.01. des kommenden Jahres auch wirklich losgelegt werden kann, also auch konkrete Verbesserungen erfolgen und Unternehmen nicht in einem regulativen Schwebezustand verharren, weil eben so viel noch ungeklärt ist.
"Im Laufe der Implementierung wird nachgesteuert"
Becker: Nun haben wir ja gesagt, der Nationale Volkskongress, also das, was wir in westlichen Augen gerne als Scheinparlament bezeichnen, hat dieses Investitionsgesetz beschlossen. Sie haben selber gesagt, damit ist der legislative Prozess abgeschlossen. Also geht Gesetzgebung in China so, dass der Volkskongress beschließt und das ist dann auch der letzte Beschlussfassungsinstanz?
Drinhausen: Der Volkskongress ist tatsächlich die letzte und höchste staatliche Beschlussfassungsinstanz. Was aber generell wichtig ist, zu beachten bei der Gesetzgebung in China, ist, dass Gesetze oft eher eine gewisse Ambiguität aufweisen und einen relativ deklarativen Charakter haben, wie es jetzt bei diesem Gesetz zum Beispiel auch der Fall ist, da oft im Laufe der Implementierung noch nachgesteuert wird. Das heißt, das Gesetz gibt den groben Rahmen vor, aber die Implementierungsrichtlinien oder auch Interpretationen des obersten Volksgerichts zur Umsetzung gestalten dann eigentlich erst im Konkreten über die Jahre den Rahmen aus, womit man noch viel Spielraum zur Nachsteuerung hat.
Becker: China erwartet ja nun das langsamste Wachstum seit 30 Jahren, das ist auch beim Volkskongress problematisiert worden. Inwieweit ist dieses Investitionsgesetz auch als Reaktion auf diese Wachstumsschwäche zu sehen?
Drinhausen: Da kommen, denke ich, zwei verschiedene Dinge zusammen. Also erstens das verlangsamte Wachstum ist zwar, stellt gewisse Herausforderungen dar für die nächsten Jahre, allerdings ist es ja gleichzeitig auch eine politische Zielsetzung. Es wurde schon ganz bewusst, schon über Jahre schrittweise runter auf ein langsameres, aber qualitativ hochwertigeres Wachstum hingesteuert. Also insgesamt ist das Ziel höhere Wertschöpfung. Was das aber bedeutet, ist ein relativ umfassender Strukturwandel, der sich in China vollzieht. Und dafür braucht man ein stabiles, positives, internationales Umfeld für ein China, das ja immer doch sehr stark auf Exporte angewiesen ist, also auf seine eigenen Exporte, aber auch auf ausländische Investitionen in China. In dem Sinne wird das Gesetz auch gekoppelt mit zukünftigen Förderprogrammen, die versuchen, ausländische Investitionen zu lenken statt wie in der Vergangenheit durch Verbote, wo man sie gerne haben will, nämlich im industriellen Upgrading zur höheren Wertschöpfung, in neue Technologiebereiche, aber auch vor allem nach Westchina, also in strukturschwache Regionen.
Becker: Und wenn wir dem Investitionsgesetz so etwas wie ein Etikett anheften wollen, das ist schon mehr als ein Symbol zur Beschwichtigung ausländischer Kritiker, glauben Sie?
"Da steckt viel Potenzial drin"
Drinhausen: Im Gesetz selber sind ja durchaus umfassende strukturelle Verbesserungen angelegt. Das heißt, da steckt viel Potenzial drin. Ein wichtiger Aspekt an dem Gesetz ist, dass es drei frühere Gesetze und einen Haufen von Regularien ersetzt, die früher über ausländische Investitionen und Unternehmen ..., die diesen Bereich reguliert haben. Von daher ist es auf jeden Fall schon mal eine praktische Verbesserung. Gleichzeitig bedeutet eben auch dieser grundsätzlich und im Regelfall geltende Grundsatz der Gleichbehandlung wirkliche strukturelle Verbesserungen. Aber: Viel hängt eben davon ab, wie im nächsten Jahr die Weichen gestellt werden durch die regulative Ausgestaltung. Das heißt, dieser Grundsatz der Gleichbehandlung hängt sehr stark davon ab, wie die ganzen anderen Stellschrauben in dem Gesetz dann genutzt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.