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Chomeini-Anhänger nehmen Geiseln

Demonstrationen sind 1979, wenige Monate nach dem revolutionären Sturz des Schahs und der Rückkehr Ayatollah Chomeinis aus seinem Pariser Exil nichts Ungewöhnliches in Iran. Immer noch ringen verschiedene politische Fraktionen um die Macht. Besonders Ayatollah Chomeini versucht, die Massen seit Wochen für sich zu mobilisieren. Seine heftigen verbalen Attacken gegen die USA schüren die historisch begründeten antiamerikanischen Ressentiments.

Von Christoph Burgmer | 04.11.2004
    Warum benötigen wir überhaupt irgendeine Beziehung zu den USA? Diejenigen, die wie die Großmächte Großbritannien, das Bakhtiar Asyl gewährt hat, oder die Vereinigten Staaten, die der ganzen alten korrupten Mischpoke Asyl gewährt hat, sie alle werden von uns auf nie gekannte Weise bekämpft, wenn sie so weiter machen wie bisher.

    Immer wieder fordert Chomeini die Auslieferung des Schahs. Als die USA dem ehemaligen Diktator die Einreise aus seinem mexikanischen Exil zur Behandlung einer Krebserkrankung nach New York gestatten, eskaliert die Situation in Teheran. Zehntausende Demonstranten marschieren in Richtung amerikanische Botschaft im Teheraner Zentrum, lauthals antiamerikanische Slogans skandierend.

    Und was eigentlich als Gedenken an die von Sicherheitskräften des Schahs ein Jahr zuvor ermordeten Studenten erinnern sollte, wird zu einer antiamerikanischen Massenveranstaltung. Die Situation gerät scheinbar endgültig außer Kontrolle, als plötzlich eine schwer bewaffnete Gruppe von Demonstranten ungehindert von iranischen Revolutionswächtern in die US-Botschaft eindringt und 90 Personen, darunter 65 Amerikaner als Geiseln nimmt. Doch die Kommentare der politischen Führung in Iran klingen so, als hätte man schon vorab von der Aktion gewusst.
    Das, was eine Gruppe unserer Landsleute heute tat, war nichts anderes als eine natürliche Reaktion auf das gleichgültige Verhalten der US-Regierung gegenüber den Gefühlen der Iraner, die durch die Anwesenheit des abgesetzten Schahs in den USA unter dem Vorwand der Krankheit täglich massiv verletzt werden.

    So der iranische Außenministers Ibrahim Yazdi. Und der einflussreiche Ayatollah Hossein Ali Montazeri:

    Vor einigen Tagen sagte der Imam, dass die iranische Nation ihr Verhältnis zu den USA klären müsse. Diese Geschichte heute ist so etwas wie eine Klärung der Situation. Denn Amerika muss wissen, dass es nicht einfach so mit den Gefühlen der iranischen Nation herumspielen kann.

    Doch die Botschaftsbesetzung war nicht spontan, sondern von langer Hand geplant. Sie geschah, wenn nicht auf Veranlassung, dann zumindest mit Billigung Ayatollah Chomeinis. Dies wird auch der amerikanischen Regierung um ihren Präsidenten Jimmy Carter schnell klar. Dennoch betrachtet man die Geiselnahme im Pentagon zunächst lediglich als eine vorübergehende politische Krise. Zu wichtig ist die strategische Position Irans im Süden der Sowjetunion, zu wichtig das Öl.

    Ich bin überzeugt davon, diese politische Krise lösen zu können. Ich bin weiter fest davon überzeugt, dass die amerikanischen Geiseln zurückkehren werden, und davon, dass unsere nationale Ehre unbeschädigt bleiben wird.

    Es scheint, als ob der amerikanische Präsident Jimmy Carter in jenen Novembertagen die tatsächliche Tragweite der Geiselnahme in Teheran nicht wahr haben will. Zwar reagiert er. Zunächst mit einem Ölembargo, kurz darauf mit verschärften Sanktionen.

    Eines ist sehr klar herauszustellen. Das Scheitern der Freilassung aller Geiseln wird schwerwiegende Folgen für Iran und seine Interessen haben. Ich habe heute folgende Anordnungen gegeben: Erstens haben die Vereinigten Staaten die diplomatischen Beziehungen zur iranischen Regierung beendet. Der Außenminister hat die iranische Regierung darüber informiert, dass ihre Botschaft und alle Konsulate ab sofort geschlossen werden müssen. Der Botschafter und das gesamte iranische Botschaftspersonal sind zu unerwünschten Personen erklärt worden und sie müssen die USA bis morgen um Mitternacht verlassen haben. Zweitens ist der Finanzminister beauftragt, offiziell Exportsanktionen von amerikanischen Gütern durchzuführen.

    Aber als einige Monate später auch ein militärischer Befreiungsversuch scheitert, ist klar, dass die USA ihren Einfluss in Iran endgültig verloren haben. Die politische Landkarte des Nahen Ostens hat ihre bis heute gültigen Konturen angenommen. Und die Geiseln? Erst 14 Monate, genau 444 Tage später wurden die letzten 52 Amerikaner freigelassen. Der Schah war schon längst seinem Krebsleiden erlegen, und Jimmy Carter von Ronald Reagan abgelöst worden.