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Christen und Muslime in Mazedonien
Die brüllende Kirche von Bitola

In Mazedonien leben die mehrheitlich muslimischen Albaner und orthodoxe Mazedonier oft in Parallelwelten, was immer wieder zu Spannungen zwischen beiden Gruppen führt – aber auch zu friedlichen Versuchen, sich gegenüber den Anderen zu behaupten. In der Stadt Bitola hat der orthodoxe Bischof Lautsprecher an seiner Kirche anbringen lassen, die lauter sind, als die der benachbarten Moschee.

Von Karla Engelhard | 17.12.2015
    Vögel fliegen neben einem Kirchturm in Bitola, Mazedonien
    Vögel fliegen neben einem Kirchturm in Bitola, Mazedonien (dpa / picture alliance / Georgi Licovski)
    Im Süden von Mazedonien, an der griechischen Grenze liegt Bitola. Mit rund 95000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Die meisten Bewohner sind ethnische Mazedonier, meist mazedonisch-orthodoxe Kirchgänger, muslimische Albaner sind eine verschwindende Minderheit.
    Seit Anfang Dezember ertönt jeden Mittag 12 Uhr ein lautes Glockenspiel von der größten Kirche der Stadt, dazu über Lautsprecher eine Kirchenhymne und an Festtagen die gesamte Predigt. Alles schallt lauter als der ebenfalls Lautsprecherverstärkte Muezzin von der Isak Mosche gegenüber. Der Muezzin wartet ab, bis die der letzte Kirchenton verklungen ist.
    Erst dann ruft er die Muslime zum Gebet ruft. Dennoch gab es Beschwerden, Bischof Petar, in schwarzem Gewand und beeindruckend langem grauen Bart, meint diplomatisch:
    "Leider, es kann Beschwerden gegeben haben, aber im konkreten Fall muss ich die Muslime loben. Die Beschwerden kamen nicht von Muslime, sondern von Christen. Trotz alledem wollen wir Gleichberechtigung. Muslimische Gebete dröhnen über Lautsprecher mehrmals am Tag. Wir wollen darüber diskutieren können. Wenn es für die einen geht, warum sollte es nicht auch für Anderen erlaubt sein. Die Muslime zeigen damit Stärke, wenn sie das machen und wir?"
    In Bitola reden Bischof Petar und Mufti Velui kaum miteinander. Mufti Velui spricht sogar von gestörten Beziehungen.
    Die Gründe sind persönlich. Darüber hinaus hat die islamische Gemeinde viele wertvolle Gebäude vor Jahrzehnten verloren und will sie zurück, wie die Jahrhunderte alte Neue Moschee. Sie wird heutzutage als Kunstgalerie benutzt. Die ethnischen, meist orthodoxen Mazedonier, die gut zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, und ethnische Albaner leben in Mazedonien noch immer in Parallelwelten, nicht nur in Bitola. Ethnische Konflikte eskalieren leicht, zuletzt im Sommer in Kumanowo, wo es mehr als 20 Tote gab. Dagegen ist es in Bitola ruhig, ob aus der Moschee oder der Kirche über Lautsprecher schallt ist den meisten Bewohnern ziemlich egal:
    "Es stört nicht, es ist reine Gewöhnungssache."
    "Ich bin für die Übertragung der Kirchengebete nur zu den Feiertagen, wie Ostern, Weinachten oder andere orthodoxe Feste. Aber bitte nicht täglich, dass stört die Ruhe, es gibt Menschen die wollen schlafen oder sich ausruhen."
    "Es geht gut, solange sich die Politik nicht einmischt. Die Parteien in der Regierung verbreiten Hass zwischen den Ethnien. Ich habe keinen Hass gegenüber Niemandem und will nur leben wie ich will."