Dienstag, 26. März 2024

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Christian Bernhard Tauchnitz
Wegbereiter des englischen Taschenbuchs

Englische Originalausgaben waren teuer im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Bis Christian Bernhard Tauchnitz 1841 begann, sie als Taschenbücher herauszugeben. Der gelernte Schriftsetzer brachte es zu einem Vermögen - und zu politischem Ansehen. Vor 125 Jahren starb er, sein Verlag überdauerte.

Von Christian Blees | 13.08.2020
    "Tauchnitz ist zwar ein professioneller Verleger — der größte in Deutschland, glaube ich —, aber auch ein ehrenvoller und integrer Gentleman. Ich habe mit ihm schon einige Geschäfte gemacht, die alle mit meinen Büchern zu tun hatten, und bin mit ihm nicht nur persönlich sehr gut vertraut, sondern auch mit seiner durch und durch guten Reputation."
    Als der berühmte Schriftsteller Charles Dickens Mitte der 1840er-Jahre diese Zeilen an einen befreundeten Kollegen schickte, war englischsprachige Literatur auf dem europäischen Festland oft unerschwinglich. Das lag unter anderem daran, dass englische Bücher meist sehr hochwertig ausgestattet waren.
    Taschenbuchausgaben teurer Bücher
    Christian Bernhard Tauchnitz, einen jungen Verleger aus Leipzig, brachte dies auf eine Geschäftsidee. Er beschloss, die Werke englischer Autoren in Originalsprache deutlich günstiger anzubieten — und zwar, indem er sie als Taschenbücher herausbrachte. Die sogenannte Tauchnitz Edition sollte ihren Namensgeber innerhalb weniger Jahre zu einem wohlhabenden Mann machen.
    Geboren wurde Christian Bernhard Tauchnitz am 25. August 1816 in Schleinitz, rund 50 Kilometer südwestlich von Leipzig. Nach dem Abschluss einer Schriftsetzerlehre gründete er im Alter von 21 Jahren eine Druckerei — und um diese besser auszulasten, gleich auch noch einen Verlag. Elisabeth Herrmann, Autorin einer Studienarbeit über den Tauchnitz Verlag:
    "Der Verlag, der hat angefangen mit einem ganz kuriosen Verlagsprogramm. Also, es kamen Bücher heraus wie ein 'Handbuch zur Behandlung von Scheintoten', aber auch ganz viele Wörterbücher, unter anderem dann später auch eine Shakespeare-Ausgabe, Shakespeares Dramen, bevor er sich dann eben 1841 auf diese 'Collection of British Authors' eingeschossen hat. Das war durch Reisen nach Großbritannien bedingt. Dort kam er natürlich in Kontakt mit englischer Literatur und hat diese Begeisterung dann auch mit nach Deutschland oder mit nach Leipzig gebracht."
    Zunächst keine Honorare an die Autoren
    Ein nationales Urheberrecht schützte englische Autoren zwar vor Raubdrucken ihrer Werke im eigenen Land. Was aber mit diesen im Ausland passierte, darauf hatten sie keinen Einfluss. Darum veröffentlichte auch Christian Bernhard Tauchnitz ab Herbst 1841 zunächst rund 50 Bände in Englisch, ohne den Urhebern dafür etwas zu bezahlen.
    Elisabeth Herrmann "Es gab von Autorenseite und teilweise auch von Verlegerseite durchaus Bestrebungen, dieses Urheberrecht auch auf den internationalen Rahmen auszuweiten. Und das hat Tauchnitz auch sehr früh erkannt. Deswegen hat er 1843 Verträge mit Autoren abgeschlossen. Auf der anderen Seite hat er ihnen Honorare bezahlt, und er hat das Versprechen abgegeben, die Bücher nicht in Großbritannien und britischen Kolonien zu verkaufen. Durch diese Verträge hat er sich dann natürlich einen enormen Marktvorsprung gesichert, den seine Konkurrenten auch nicht mehr einholen konnten. Deswegen war Tauchnitz quasi Monopolist auf dem Gebiet der englischsprachigen Literatur in Deutschland."
    Britischer Generalkonsul und sächsischer Politiker
    Die englischen Taschenbuchausgaben liefen nicht nur in Deutschland hervorragend, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Dadurch konnte es sich Christian Bernhard Tauchnitz leisten, 1848 nahe Leipzig gleich ein ganzes Rittergut zu kaufen. Hier empfing er regelmäßig Vertreter des Leipziger Bürgertums zum Gedankenaustausch. Auch erweiterte Tauchnitz seine Reihe schon bald um Autoren aus den USA. Ebenso rasch wie das Programm wuchs zudem das politische und gesellschaftliche Ansehen des Verlegers.
    Elisabeth Herrmann: "1860 wurde Bernhard Tauchnitz in den Erbadel aufgenommen, 1872 zum britischen Generalkonsul ernannt. Und dieser Aufstieg in die Adelskreise hat ihm natürlich eine gesellschaftliche Stellung eingebracht, die er vorher nicht hatte. So wurde er 1866 zum Mitglied der ersten sächsischen Ständekammer ernannt und konnte dort eben politisch wirken."
    Christian Bernhard Tauchnitz starb mit knapp 79 Jahren, am 13. August 1895, auf seinem Rittergut bei Leipzig. Die nach ihm benannte Taschenbuchreihe sollte den Verleger fast sieben weitere Jahrzehnte überdauern. Als 1963 der letzte Band der Tauchnitz Edition erschien, betrug die Druckauflage der mehr als 5.300 Ausgaben über 40 Millionen Exemplare.