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Chronobiologisches Doping
Leistungsvermögen hängt von Innerer Uhr ab

Jeder Mensch hat eine Innere Uhr. Sie bestimmt, wann wir wach sind und wann wir müde werden. Solche Muster zeigen sich auch in der körperlichen Fitness: Forscher aus Großbritannien haben den Einfluss der Inneren Uhr auf das Leistungsvermögen von Sportlern untersucht. Die ermittelte Schwankungsbreite über den Tag ist erstaunlich hoch.

Von Lucian Haas | 30.01.2015
    Eine leere rote Laufbahn auf einem Sportfeld
    "Die größte Überraschung war, dass die Leistungsunterschiede im Laufe eines Tages bis zu 26 Prozent sind." (picture alliance / dpa / Romain Fellens)
    Jeder Mensch hat eine Innere Uhr. Sie bestimmt wann wir wach sind und wann wir müde werden. Manche Menschen sind von Natur aus Frühaufsteher, andere wiederum Langschläfer, die erst zum Abend hin so richtig fit werden. Solche Muster zeigen sich auch in der körperlichen Fitness: Forscher aus Großbritannien haben den Einfluss der Inneren Uhr auf das Leistungsvermögen von Sportlern untersucht.
    Die ermittelte Schwankungsbreite über den Tag ist erstaunlich hoch. Manchmal könnte allein die Tatsache, ob ein Wettkampf früher oder später am Tag angesetzt ist, den entscheidenden Ausschlag geben, wer gewinnt.
    Leistungsunterschiede im Laufe eines Tages bis zu 26 Prozent
    Das Finale im 100 Meter Sprint bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin. Der Sieger nach 9,58 Sekunden hieß Usain Bolt. Der Viertplatzierte Daniel Bailey war nur drei zehntel Sekunden langsamer. Das entspricht einem Leistungsunterschied von knapp vier Prozent. Vielleicht wäre das Ergebnis ein anderes gewesen, wäre das Rennen nicht um 21.43 Uhr, sondern früher am Tag gestartet. Nach Erkenntnissen von Roland Brandstaetter werden sportliche Leistungen deutlich stärker von der Inneren Uhr eines Athleten beeinflusst als bisher gedacht.
    "Die größte Überraschung war, dass die Leistungsunterschiede im Laufe eines Tages bis zu 26 Prozent sind."
    Roland Brandstaetter ist Chronobiologe an der Universität von Birmingham. Er erforscht, wie die Innere Uhr der Menschen tickt – beziehungsweise der sogenannte circadiane Rhythmus von Wachsein und Schlafen. Schon länger ist bekannt, dass es genetisch veranlagt verschiedene Chronotypen gibt. Die klassischen Frühaufsteher beispielsweise, die schon morgens sehr aktiv sind, oder die Langschläfertypen, die erst spät am Tag so richtig in Schwung kommen.
    Lerchen und Eulen.
    Chronobiologen nennen sie in Anlehnung an die Vogelwelt Lerchen und Eulen. Roland Brandstaetter hat sich Sportler verschiedener Chronotypen als Probanden gesucht. Er machte Versuche, wann sie im Tagesverlauf die größte Leistung bringen können.
    "Wenn wir uns die Leistungskurven einer Lerche anschauen, dann sehen wir, dass schon am frühen Morgen im Prinzip die Leistung bei ungefähr 90 Prozent der Maximalleistung ist. Das heißt, die Schwankung ist eigentlich relativ gering. Das Leistungsmaximum wird dann erreicht, ungefähr mittags. Und dann nimmt es wieder ab im Laufe des Nachmittags."
    Bei den Eulen zeigt sich ein anderer Verlauf. In den Tag starten sie spät und relativ schlapp. Sie steigern sich langsam von Stunde zu Stunde, um schließlich am Abend ihre Maximalleistung zu erreichen. Und die kann dann sogar um gut ein Viertel höher liegen als in der ersten Zeit nach dem Aufwachen.
    "Was man daraus schließen kann ist: Eine Eule, die ein guter Marathonläufer ist, wird an einem Marathon, der am Morgen stattfindet, nicht die Bestleistung bringen können."
    In ähnlicher Weise wären bei Sportarten, deren Wettkämpfe erst am Abend stattfinden, Sportler mit einem frühen Chronotypus im Nachteil. Allerdings gäbe es Möglichkeiten, dieses Problem zumindest ein wenig einzudämmen, sagt Roland Brandstaetter.
    Die innere Uhr kann man ein bisschen hin und her schieben. Wir können im Prinzip einer Eule helfen, mehr zu einer Lerche zu werden. Wir können einer Lerche helfen, mehr zu einer Eule zu werden.
    Gezielter Einsatz von Licht
    Das geht unter anderem mit dem gezielten Einsatz von Licht. Auch körperliches Training zu bestimmten Zeiten am Tag oder eine angepasste Ernährung geben der Inneren Uhr Anreize, etwas schneller oder langsamer zu ticken. Roland Brandstaetter glaubt, dass auf den circadianen Rhythmus hin optimierte Trainingspläne künftig bei Hochleistungssportlern hoch im Kurs stehen könnten.
    "Wenn sie wissen, zu welchen Zeiten die Wettbewerbe stattfinden, besteht die Möglichkeit, sich auf einen Wettkampf vorzubereiten, indem man den Schlaf-Wach-Rhythmus anpasst. Meiner Meinung nach ist der Weg zum Erfolg in der Zukunft mit Sicherheit etwas, das einen circadian Coach durchaus benötigt."
    Roland Brandstaetter arbeitet in England schon mit verschiedenen Sportlern zusammen. Seinen Angaben nach wird die chronobiologische Beratung von den Athleten sehr gut angenommen.