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Cineastisches Imperium

Die Ufa wurde von einem General ins Leben gerufen, von genialen Künstlern zu Weltgeltung gebracht und von einem Reichspropagandaminister in den Abgrund geführt. Zu ihrer Geschichte gehören Meisterwerke der Filmkunst, glänzende Unterhaltung und perfide Machwerke der nationalsozialistischen Propaganda.

Von Ulrike Rückert | 18.12.2007
    "Je länger der Krieg dauert, desto notwendiger wird die planmäßige Beeinflussung der Massen im Inland. [...] Bei dem Film hat bisher nur eine gelegentliche Beeinflussung der Volksstimmung stattgefunden. [...] aus diesen Gesichtspunkten heraus ist es dringend erforderlich, dass die deutsche Filmindustrie vereinheitlicht wird, um nicht eine wirkungsvolle Kriegswaffe durch Zersplitterung wirkungslos zu machen."

    Im Juli 1917 verlangte General Erich Ludendorff die kinematografische Mobilmachung: Die deutsche Filmindustrie sollte unter staatlicher Kontrolle zentralisiert werden. Am 18. Dezember gründete ein Konsortium aus Banken und Industriekonzernen die Universum Film AG, kurz Ufa. Dass das Reich Hauptaktionär war, blieb geheim. Durch Firmenaufkäufe entstand das größte deutsche Filmimperium mit eigenem Verleih und einer Kinokette. Mit dem Kriegsende wurde Ludendorffs "Kriegswaffe" allerdings obsolet. Die Deutsche Bank übernahm die Anteile des Reichs.

    Die 20er Jahre waren die große Zeit der Ufa. Spektakuläre Historienfilme von Ernst Lubitsch waren sogar in Amerika Kassenhits. Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang schufen Klassiker der Filmgeschichte: "Der letzte Mann" und "Faust", "Dr. Mabuse", "Die Nibelungen" und "Metropolis". Die Ära des Tonfilms begann. "Die drei von der Tankstelle" war 1930 der erste von vielen Ufa-Musikfilmen, und mit "Der blaue Engel" wurde das Sternchen Marlene Dietrich zum Weltstar.

    Seit 1927 gehörte die Ufa zum Medienkonzern des deutschnationalen Politikers Alfred Hugenberg, eines Steigbügelhalters für Hitler. Schon im März 1933 entließ die Ufa ihre jüdischen Mitarbeiter. Und als der Konzern 1937 verstaatlicht wurde, griff Goebbels persönlich auch in Details ein. Goebbels verlangte Propaganda mit Kunstanspruch:

    "Wenn ich heute einen Film sehe wie 'Der Choral von Leuthen', dann muss ich sagen, sieht ein Kommunist diesen Film, dann wird er nur angewidert und abgestoßen aus diesem Film herausgehen. Das Gegenbeispiel: Sieht heute ein Nationalist den Film 'Panzerkreuzer Potemkin', dann ist er in Gefahr, Kommunist zu werden, weil der Film so gut gedreht ist."

    Doch vor allem sollten Filme Opium fürs Volk sein. Die Ufa produzierte nur wenige Propagandafilme wie "Hitlerjunge Quex" oder "Pour le Mérite". Sie brachte Komödien, Operetten und Melodramen ins Kino. Hans Albers und Heinz Rühmann, Marika Rökk und Zarah Leander waren die Stars, und das Traumpaar Lilian Harvey und Willy Fritsch tanzte durch die 30er Jahre.

    Als der Krieg ausbrach, klingelten die Kinokassen wie nie zuvor. Die Ufa machte glänzende Gewinne. Das Publikum suchte Ablenkung, und die Ufa bot heitere Liebesgeschichten und glitzernde Traumwelten. Nun schwappte aber auch eine Welle von Kriegs- und antisemitischen Hetzfilmen in die Lichtspielhäuser. Die Ufa drehte Filme wie "Die Rothschilds", "U-Boote westwärts" und "Stukas". Zuschauerrekorde brach "Die große Liebe", der Durchhaltefilm mit Zarah Leander als Soldatenbraut.

    Seit 1942 stand das Rhombus-Zeichen der Ufa auch für die Dachgesellschaft der gesamten verstaatlichten Filmindustrie. In Babelsberg wurde gedreht, bis russische Soldaten das Studiogelände besetzten.

    Nach dem Krieg war auch das Erbe der Ufa zweigeteilt. Im Sowjetsektor wurde schon 1946 die DEFA gegründet und übernahm die Filmstadt Babelsberg. Im Westen wollten die Alliierten den Ufa-Konzern zerschlagen. Das Vermögen stand unter Treuhandverwaltung, der Name durfte nicht verwendet werden. In den 50er Jahren konnte die Ufa wieder auferstehen - und steuerte in den Ruin. Die Überreste kaufte 1964 der Bertelsmann-Konzern. Unter dem Namen Ufa firmiert heute die größte deutsche TV-Produktionsgesellschaft. Das Filmerbe der alten Ufa verwaltet die Friedrich-Murnau-Stiftung.