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"Clean Eating"
Essen ohne Zusatzstoffe

Nach "paleo", "vegan" oder "roh" heißt der neueste Trend "clean". "Clean Eating" bedeutet sauber essen. Ohne irgendwas Weiterverarbeitetes. Ohne Zusatzstoffe, ohne künstliche Aromen, ohne raffinierte Dinge wie weißen Zucker. Keine Überraschung also, dass "Clean Eating" derzeit der Lieblingsbegriff der Gesundheits- und Sportblogger ist.

Von Gesine Kühne | 06.10.2014
    Ein Gemüse-Korb mit Fenchel, Schnitt-Lauch, Kürbissen und Auberginen.
    "Clean Eating" heißt sauber essen. Auch Verpacktes im Supermarkt wird verachtet. (picture-alliance / dpa / Jens Büttner)
    Energie - das verspricht der "Choc-Choc Raw"-Smoothie auf der Karte des "Daluma", eine ganz neue Saftbar im hippen Berlin Mitte mit vielen, sehr gesunden Speisen und natürlich auch Smoothies. Denn gesund ernähren geht heutzutage ja gar nicht mehr, ohne meist grüne Zutaten durch einen kraftvollen Mixer zu jagen, um sie dann durch einen Strohhalm aufzusaugen.
    Roher Kakao, Banane, Datteln, Avocado, Reiscreme - dazu sogenannte Superfoods: Maca und Moringa. Mein Smoothie ist nicht grün, sondern braun. Er ist dickflüssig wie ein Schokopudding, meine Zähne haben also nichts zu mahlen und dürfen einen Mittagsschlaf einlegen. Die braune Pampe schmeckt erschreckend gut nach Schokoshake. Ist aber sauber und gesund wie eine geputzte Karotte. Würde ich den Smoothie bei Instagram mit der restlichen Welt teilen, hätte er neben #raw und #vegan auch noch #cleaneating verdient.
    "Wir glauben, dass in Deutschland und in Westeuropa gesunde Ernährung eine Entwicklung in der Gesellschaft bedeutet, und es wird auch nicht mehr zurückgehen", sagt Daluma-Mitbegründer Marian Cocis.
    Clean gleich gesund also. Was heißt das aber für meine Ernährungsgewohnheiten? Ist Omas warmer Hafermatsch, von mir mit Banane und Zimt gepimpt, etwa nicht gesund?
    Das Internet weiß die Antwort: "Clean Eating" heißt sauber essen. Ohne irgendwas Weiterverarbeitetes. Ohne Zusatzstoffe, ohne künstliche Aromen, ohne raffinierte Dinge wie weißen Zucker. An dieser Stelle haben Omis Haferflocken übrigens das Hashtag "Clean Eating" verloren.
    Die Saubermänner und Frauen verachten auch Verpacktes im Supermarkt. Und wenn es doch mal ne Packung sein muss, dann wird die Lupe aufs Kleingedruckte aka Zutatenliste gehalten.
    "Ich hab hier nach einem Käse ohne Milch geguckt, aber da gehe ich mit manchen Inhaltsstoffen nicht konform: Kartoffelstärke und modifizierte Stärke gefällt mir nicht."
    Clean Eater sind oft auch Veganer
    Clean Eater sind oft auch Veganer, aber nicht so wie ich. Denn niemals würde eine künstlich hergestellte Möchtegernwurst aus Tofu in deren Pfanne landen. Denn die arme Sojabohne wurde ja mehrfach zerpflückt, gepresst, gemahlen, mit Gewürzen angereichert, dann noch mit Bindemitteln gebunden, damit sie in Wurstform bleibt und irgendwie auch danach schmeckt. Clean Eating ist - keine Überraschung - derzeit der Lieblingsbegriff der Gesundheits- und Sportblogger. So hab ich Julia Schultz gefunden und mich bei ihr zum Essen eingeladen. Zum sauber Essen, versteht sich.
    Ich: "O.k., was machen wir?
    Julia: "Das kennste bestimmt als Veganerin: Zucchini-Spaghetti."
    Ich: "Nee."
    Das Rezept hat Julia aus einem Vegankochbuch. Zwiebeln, Paprika, getrocknete Tomate, passierte Tomate und Gewürz. Öl wird beim Clean Eating auch benutzt, aber kein Raps- oder Sonnenblumenöl. Sogar Zwiebeln und Co anbraten, ist erlaubt. Die Lieblingsnudel Spaghetti aus Hartweizen wird allerdings durch grünes Gemüse ersetzt.
    Die Regeln kommen von einer Amerikanerin. Tosca Reno hat sie aufgestellt. Die blonde Mitfünfzigerin hat mit ihrem Sauber-Ess-Wahn übrigens nicht nur ein neues Hashtag erfunden, sie hat die Welt um eine Rexie reicher gemacht. Orthorexie. Sich zwanghaft gesund ernähren und sich mit nichts anderem mehr beschäftigen Können als mit dem Auffinden von künstlichen Zusatzstoffen im Essen. Der Kopf kontrolliert die ungesunden Gelüste. Und: Tschüssie Pizza, Erdbeerjoghurt und Cornflakes!!!