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Clowns auf der Oppositionsbank

Die Partei "Die Partei" will in Deutschland die Mauer wieder aufbauen und "Inhalte überwinden". Manchen Wähler überzeugt dieser Humor. Spaßpolitiker, die es wirklich ins Parlament schaffen, haben dort aber keinen leichten Stand.

Von Dietrich Mohaupt | 17.10.2013
    Die Provokation ist das Metier von Bastian Langbehn. Als Bühne dafür muss auch schon mal der ehrwürdige Sitzungssaal der Lübecker Bürgerschaft herhalten. Kurz nach Sitzungsbeginn – die Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer ist noch mit Formalitäten wie der Sprachaufzeichnung für das Protokoll und der üblichen Liveübertragung im Offenen Kanal Lübeck beschäftigt.

    "Über die Sitzung wird wie immer eine Sprachaufzeichnung erfolgen – ist jemand dagegen? Das sehe ich nicht. Der Offene Kanal Lübeck …"

    Moment – eine Wortmeldung gibt es dann doch.

    "Hierzu? – Gut! Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin, liebe Bürgerschaft. Der Hauptausschuss hat gesagt, dass unsere persönlichen Rechte dadurch beschnitten werden, dass wir das aufzeichnen und in eine Mediathek stellen oder so was. Und jetzt schicken wir das aber öffentlich über den Äther, völlig ungeschnitten – das verstehe ich nicht, das würde ich gerne erklärt wissen."

    Irritiertes Schweigen bei der Stadtpräsidentin und in den Reihen der Bürgerschaft. Das gab es ja noch nie, Bastian Langbehn war hier bisher überhaupt nicht wahrnehmbar, wundert sich SPD-Fraktionschef Jan Lindenau.

    "Er hat bisher nicht ein einziges Mal in der Bürgerschaft gesprochen, deswegen haben wir vom Kandidaten von "Die Partei" – oder vom Bürgerschaftsmitglied "Die Partei" – bis heute nichts wahrnehmen können."

    Soso - dabei ist der 30-jährige Neu-Kommunalpolitiker Langbehn doch nun wirklich nicht zu übersehen: Bullige 1,90 Meter, das Gesicht umrahmt von einem kräftig rotblonden Piratenvollbart. Bekleidet ist er mit einem dunklen Sakko und Hemd – mit eingesticktem Parteilogo. Dazu trägt er eine rote Krawatte, ausgetretene Turnschuhe und eine knallrote Baseball-Kappe. Unscheinbar ist anders. Der gelernte Einzelhandelskaufmann stellt klar:

    "So langsam laufe ich heiß!"

    Und die Folge ist dann notfalls auch mal eine offizielle Rüge, die er gleich für seine allererste Wortmeldung in der Bürgerschaft kassiert. Er habe die Anwesenheit überregionaler Medien für ein "inszeniertes Happening" nutzen wollen. Das beschädige die Würde des hohen Hauses, so die Begründung der Stadtpräsidentin. Die Reaktion des derart Gescholtenen: alles halb so wild. Zugegeben: Bei der ersten Bürgerschaftssitzung sei er noch recht nervös gewesen …

    "… aber als es dann losging, habe ich gedacht: Na, das ist ja was – also lächerlicher als die sich hier machen, kann ich mich beileibe nicht machen, selbst wenn ich ohne Hose komme."

    Darauf hat er allerdings bisher verzichtet. Sonst lässt er aber keine Gelegenheit aus, sich als Spaßpolitiker auch ganz medienwirksam zu inszenieren. Weit mehr als 20 Fernseh- und Fototermine hat Bastian Langbehn seit seiner Wahl Ende Mai absolviert – teilweise argwöhnisch beäugt von anderen Mitgliedern der Bürgerschaft, denen so viel Medienrummel reichlich suspekt ist. Thomas Furter von den Grünen zum Beispiel hat so seine Zweifel, ob das alles wirklich sein muss.

    "Glücklich bin ich – das muss ich ganz ehrlich sagen – darüber nicht. Die Frage ist ja: Was erwarten eigentlich die Leute, die ihn gewählt haben, von ihm politisch? Er nimmt – wie jedes andere Bürgerschaftsmitglied – an den Abstimmungen teil, und bei den meisten Fragen geht es nicht um Witzigkeit, sondern um Inhalte. Und deswegen finde ich so Satireparteien eigentlich …, ja, da bin ich humorlos."

    Und auch SPD-Mann Jan Lindenau stellt gerne noch einmal klar, dass es ihm nicht ganz leicht fällt, den "Neuen" in der Bürgerschaft so richtig ernst zu nehmen.

    "Ich nehme zunächst mal jeden ernst, der sich für Kommunalpolitik interessiert und etwas erreichen will. Das Problem ist: Wir können im Moment nicht so ganz erkennen, was er denn erreichen will. Das Programm war ja doch eher spaßig angelegt, und jetzt muss man sich offenkundig erst einmal finden und gucken, was man denn überhaupt erreichen will. Von daher warten wir das erst einmal ab – im ersten halben Jahr war es eher: Still ruht der See."

    Achselzuckend nimmt Bastian Langbehn solche Äußerungen zur Kenntnis – er hat sich inzwischen ein ziemlich dickes Fell zugelegt. Nur manchmal bricht die Enttäuschung über das, seiner Meinung nach, reichlich kindische Verhalten seiner Mitstreiter in der Bürgerschaft durch.

    "Ich dachte halt, es wäre wirklich so, wie alle im Vorfeld immer gesagt haben, dass es etwas Erhabenes ist, da als Ratsherr herumzustolzieren. Aber – wie die sich da halt aufführen, also da habe ich Krabbelgruppen gesehen, die sind irgendwie weiter in ihrem sozialen Gefüge."

    Und überhaupt: Nicht alles im Programm der "Partei" sei Mumpitz, betont Langbehn. Die 831 Stimmen bei der Kommunalwahl habe man sich hart erarbeitet, unter anderem mit Themen, die im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stinken.

    "Wir sind halt damals im Wahlkampf immer schwer auf die Schultoiletten losgegangen, weil – die sind wirklich für ’n Arsch. Da müssen wir immer noch was tun, da haben uns jetzt auch die Grünen ein bisschen unter den Arm, oder die Arme – wir haben ja mehrere – gegriffen. Und da geht es auch voran. Dann gibt es natürlich noch so Geschichten wie Vergabepraxis, dann Geschichten vom Senat, dann – jetzt wollen sie die Hubbrücke da platt machen und … ach, da gibt es so viel … ich kriege noch einen Blutsturz, wenn ich mich da jetzt ernsthaft rein steigere."

    Ernsthaft – da ist es wieder, das Stichwort, um das sich immer wieder alles dreht, wenn es um "Die Partei" geht. Irgendwie fuchst es das Bürgerschaftsmitglied Langbehn doch gewaltig, dass offenbar niemand ihn so recht ernst nehmen will.

    "Wir sind immer die Spaßpartei. Uns wird vorgeworfen: Das ist aber Demokratie, und die hat man natürlich ernst zu nehmen! – Es nimmt aber keiner Demokratie wirklich ernst, da können selbst wir nicht viel falsch machen. Und deswegen versuchen wir einfach das Gegenteil - und machen viel richtig."

    Dass die Lübeckerinnen und Lübecker diese Einstellung honorieren werden – davon ist Bastian Langbehn fest überzeugt. Spätestens bei der nächsten Kommunalwahl in fünf Jahren sieht er die "Die Partei" als absoluten Machtfaktor in Lübeck.

    "Ich schätze mal, wir werden die nächste Kommunalwahl – die ja mit der Bürgermeisterwahl zusammenfällt – komplett abräumen. Wir stellen dann den Bürgermeister und mindestens 25 Personen in der Bürgerschaft."