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CO2-Abtrennung in der Kritik

Umwelt. - Die sogenannte CCS-Technik wird vor allem von Kraftwerksbetreibern gepriesen: Bei diesem Kraftwerkstyp wird das Klimagas aus dem Abgas entfernt und anschließend unter Tage deponiert. Dabei sind viele Fragen der CO2-Abtrennung und unterirdischen Speicherung ungeklärt. Darauf weist jetzt der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hin.

Von Volker Mrasek | 06.05.2009
    Aus Sicht des Sachverständigenrates für Umweltfragen handelt die Bundesregierung voreilig, wenn sie noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur CCS-Technologie beschließt. Die Abkürzung steht für Carbon Capture & Storage, für die Abscheidung und Deponierung von Kohlendioxid. Die Umweltgutachter üben in ihrer heute veröffentlichten Stellungnahme deutliche Kritik. Ein Auszug daraus:

    "Es sind derzeit noch viele technische, ökologische und finanzielle Fragen im Zusammenhang mit der CCS-Technologie ungeklärt. Und es ist offen, ob ihre Anwendung in Deutschland sinnvoll ist. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen plädiert deshalb für ein Forschungsgesetz, das die Erprobung von CCS in einer begrenzten Anzahl von Demonstrationsprojekten ermöglicht. Damit würde vermieden, eine grundsätzliche Entscheidung über die Anwendung der Technologie zu treffen, bevor ihre Chancen und Risiken ausreichend untersucht sind."

    Der unterirdische Speicherraum in Deutschland sei begrenzt, heißt es im Papier der Sachverständigen. Sie warnen deshalb vor einer "überstürzten Weichenstellung" durch das geplante CCS-Gesetz:

    "Würde der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form verabschiedet, wäre damit zu rechnen, dass CCS gegenüber anderen Nutzungen wie beispielsweise der tiefen Geothermie bevorzugt wird. Es kann darüber hinaus zukünftig nötig werden, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Solche 'negativen Emissionen' können durch die Kombination von Energieerzeugung aus Biomasse mit CCS erreicht werden. Hierfür müssen Speicher freigehalten werden."

    CCS kämpft aber noch mit einem anderen großen Problem. Kohlekraftwerke mit einer CO2-Abscheidung aus- oder nachzurüsten, ist äußerst kostspielig. Es würde Milliardensummen verschlingen, den Strompreis kräftig hochtreiben und außerdem den Wirkungsgrad der Anlagen um gut und gerne zehn Prozent schmälern. Weil dafür zusätzliche Energie aufgewendet werden muss. Und noch etwas kommt hinzu: Auch Kohle entpuppt sich langsam, aber sicher als begrenzte Ressource, die sich schon bald verteuern dürfte. Vielen sei das noch gar nicht bewusst, hieß es jetzt auf einer Klimatagung an der Universität von Columbia in den USA. Einer der Redner dort: Richard Heinberg, Energieexperte am Post Carbon Institute in Sonoma County in Kalifornien:

    "In den letzten zwei Jahren ist ein halbes Dutzend Studien zur Reichwerte der Kohle-Vorräte veröffentlicht worden. Und alle kommen zum gleichen Schluss: Die kommerziell abbaubaren Ressourcen sind stark überschätzt worden. Die globale Kohle-Produktion könnte schon zwischen 2025 und 2030 ihren Höhepunkt erreichen."

    Alle reden von Peak Oil, vom Gipfel der Erdöl-Produktion, der erreicht ist, weil die Welt inzwischen von Jahr zu Jahr mehr Öl verbraucht, als aus neu erschlossenen Quellen nachsprudelt. Heinberg spricht nun auch von Peak Coal - von einer Kohle-Förderung, die schon bald nicht mehr mit dem Weltverbrauch Schritt halte. Dadurch werde die Einführung von CCS in Kohlekraftwerken noch unwahrscheinlicher:

    "Der mögliche Gipfel der Kohleförderung liegt zeitlich so nahe, dass er in die Phase fällt, in der CCS vielleicht gerade anwendungsreif ist. Das heißt: Noch während wir diese Technologie entwickeln, wird Kohle sich verknappen und teurer werden. Man muss davon ausgehen, dass sie dann sowieso nicht mehr wettbewerbsfähig ist, etwa zu alternativen Energiequellen wie Wind, Sonne und Geothermie."

    Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat, wie er jetzt schreibt,

    "berechtigte Zweifel, ob es sich bei CCS im Vergleich zu anderen Klimaschutzoptionen um eine kosteneffiziente Lösung handelt."

    Der Sachverständigenrat will in dieser Sache nachlegen, mit einem Sondergutachten. Darin wollen die SRU-Experten in Kürze analysieren, inwiefern weitere Kohlekraftwerke überhaupt vereinbar sind mit dem Ziel, Erneuerbare Energieträger voranzutreiben.