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CO2-Bepreisung
Belastungen der Armen "kann man abfedern"

Eine CO2-Bepreisung würde zwar einkommensschwache Haushalte belasten, aber man könne diese sozial verträglich gestalten, sagte die Energieexpertin des DIW, Claudia Kemfert, im Dlf. Auch dürfe man keine Zeit mehr bei der Einführung von CO2-Preisen verlieren, nur weil man auf europäische Lösungen warte.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Rainer Brandes | 13.07.2019
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Einkommensschwache Familien können durch eine Pro-Kopf-Klimaprämie oder Senkung der Stromkosten entlastet werden (Deutschlandradio)
Die Wirtschaftsweisen schlagen ja vor, dass der europäische Emissionshandel bis 2030 auch auf den Verkehrssektor und die Heizenergie ausgeweitet werden soll. Claudia Kemfert ist Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, und ich habe sie vor der Sendung gefragt, ob wir denn so lange, also bis 2030, warten können?
Claudia Kemfert: Nein, wir können überhaupt nicht so lange warten, insofern ist es auch keine gute Idee, dass man sich jetzt allein auf die Erweiterung des europäischen Emissionsrechtehandels konzentriert, sondern wirklich schaut, dass es nationale Möglichkeiten gibt und nationale Umsetzungsmöglichkeiten. Da schlägt der Sachverständigenrat ja auch zwei Optionen vor, also einmal entweder den Emissionsrechtehandel nur auf Deutschland ausrichten, was sehr kostenintensiv wäre und auch lange dauern würde, oder eine CO2-Bepreisung direkt durch eine Energiesteuerreform, ähnlich wie wir das ja auch fordern, und das scheint auch wirklich die praktikabelste Lösung zu sein, transparent und kosteneffizient.
Brandes: Wenn Sie jetzt also für eine CO2-Steuer auf nationaler Ebene plädieren, zumindest als Übergangslösung, dann ist aber ja das Problem, dass das vor allem die kleinen Leute besonders hart trifft, nämlich die, die keine neuen Autos kaufen können, oder es trifft Menschen, die in schlecht isolierten Wohnungen leben. Da sagt jetzt der Sachverständigenrat zwar, das muss sozial abgefedert werden, aber Sylvia Kotting-Uhl, die Energieexpertin der Grünen, die hat gestern Mittag im Deutschlandfunk gesagt, wir brauchten uns da keine Illusionen zu machen. Das hören wir uns mal an:
Sylvia Kotting-Uhl: Veränderungen tun erst mal weh. Das muss man ausgleichen, das muss man abfedern, aber zu versuchen, es sozusagen ohne Einschnitte fertigzubringen, die CO2-Ziele zu erreichen, das ist eine Fehlannahme.
"Die Armen sind nicht diejenigen, die den hohen CO2-Fußabdruck haben"
Brandes: Bedeutet das denn also, wir bekommen einen Klimaschutz bezahlt von den Armen?
Kemfert: Nein, überhaupt nicht. Ich sehe es auch komplett anders, weil die Armen nicht diejenigen sind, die den hohen CO2-Fußabdruck haben, sondern die einkommensstarken Haushalte, die meistens drei Autos haben und auch weit in der Welt umherfliegen. Also hier geht es wirklich darum, um einen sozialen Ausgleich.
Wenn man die CO2-Bepreisung erhöht oder CO2-Preise einführt, heißt das in der Tat, Benzin und Dieselpreise, Heizöl und Heizkosten erhöhen sich, und das führt in der Tat dazu, dass auch einkommensschwache Haushalte hier Belastungen haben, die man aber abfedern kann, und unsere Modellrechnungen zeigen sehr deutlich, dass dies gut funktioniert, entweder über eine Pro-Kopf-Klimaprämie und auch eine Senkung der Stromkosten, der Stromsteuer beispielsweise, und man muss auch gleichzeitig die Alternativen fördern, wie die nachhaltige Mobilität und Elektromobilität, energetische Gebäudesanierung, sodass auch gerade hier die einkommensschwachen Haushalte entlastet werden, und so schafft man eine soziale Fairness.
Brandes: Ja, aber so in Maßnahmen wie zum Beispiel Gebäudesanierung, da hat ja jetzt die alleinerziehende Mutter, die in einem schlecht isolierten Haus zur Miete wohnt, wenig Einfluss drauf, wann das ihr Vermieter macht. Das heißt, das ist eine langfristige Lösung.
Kemfert: Die Gebäudesanierung, aber auch in der Mobilität sind immer relativ langfristige Lösungen, deswegen muss man ja so früh beginnen oder hätte auch schon längst beginnen müssen, und in der Tat geht es darum, dass man hier finanzielle Anreize schafft, einmal für die Hausbesitzer, damit die energetische Gebäudesanierung finanziell attraktiv wird oder auch im Mobilitätssektor, in dem man den Schienenverkehr fördert, indem man die Elektromobilität fördert, sodass auch alle Menschen immer überall mobil sein können und auch von diesen Vorteilen profitieren können.
"Totschlagargumente haben uns die letzten 20 Jahre gekostet"
Brandes: Fürchten Sie denn nicht, dass trotzdem bei der Bevölkerung hängenbleiben wird, da kommen jetzt neue Belastungen auf uns zu und wir hier so eine Protestwelle erleben werden wie in Frankreich, die Gelbwesten?
Kemfert: Diese Sorgen sind in der Tat da, deswegen macht man sich ja auch von Anfang an Gedanken darüber, wie man das vermeiden kann, und die Klimaprämie würde in der Tat dazu führen, dass einkommensschwache Haushalte entlastet werden. Die sehr einkommensstarken Haushalte, die auch einen sehr hohen CO2-Fußabdruck haben, werden etwas belastet, aber hier gibt es auch genügend Möglichkeiten, auf Alternativen umzusteigen oder auch die Alternativen dann entsprechend zu fördern, sodass man genau diese sozialen Diskussionen gar nicht zu haben braucht, wenn man es von Anfang an klug eintütet und auch so umsetzt, dass man einkommensschwachen Haushalten von Anfang an hilft.
Brandes: Jetzt gibt es aber auch Kritiker, die sagen, wir sollten doch lieber bis 2030 warten, bis wir da eine vernünftige europäische Lösung haben, denn alles andere ist Aktionismus. Selbst wenn Deutschland jetzt eine ordentliche CO2-Steuer einführt, wird das für die globale Klimaschutzbilanz im Prinzip gar keine Auswirkungen haben.
Kemfert: Ja, diese Art der Totschlagargumente haben uns leider die letzten 20 Jahre auch schon die Handlungen gekostet, weil wir schon hätten viel früher beginnen müssen, wir jetzt sogar die 2020er-Ziele verfehlen, dann auch die 2030er-Ziele verfehlen würden, wenn man diesen Ratschlägen folgt, die eines nur im Sinn haben, nämlich die fossilen Energien möglichst lange im System zu halten und nichts zu tun.
Das können wir nicht mehr machen, weil jetzt gerade auch im Zuge des Paris-Abkommen wir uns verpflichtet haben, die Emissionen zu senken, und wenn wir auch im europäischen Kontext nicht handeln, wird es sogar richtig teuer. Also bis 2030 drohen da Strafzahlungen von bis zu 60 Milliarden Euro. Das müssen wir wirklich vermeiden. Wir können es auch klug machen, indem wir jetzt investieren in die richtigen Bereiche, und dann zahlt es sich auch für die Wirtschaft aus.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.