Freitag, 29. März 2024

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CO2-Bepreisung
"Die Preise müssen bis zum Jahr 2030 steigen"

Klimaforscher Ottmar Edenhofer hat einen konsequenten anstieg des CO2-Preises gefordert - und dazu klare Ansagen aus der Politik. "Entscheidend ist, dass die Investoren und Konsumenten wissen, was auf sie zukommt", sagte Edenhofer im Dlf.

Ottmar Edenhofer im Gespräch mit Stefan Heinlein | 16.09.2019
Vor dem Congress Center an der Messe Frankfurt haben Greenpeace-Demonstranten zur IAA effektvoll gegen den CO2-Ausstoß großer Fahrzeuge demonstriert.
Ob Tanken, Heizen oder Stromverbrauch - Klimaschutz kostet. Der CO2-Preis sei jetzt die entscheidende Maßnahme, sagt Ottmar Edenhofer (picture alliance / Wolfgang Minich)
Stefan Heinlein: Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Diese Erkenntnis sickert so langsam in das Bewusstsein von uns Bürgern. Auch wenn die Details des Klimapaketes noch nicht auf dem Markt sind – schon die nach der jüngsten Sitzung bekannt gewordenen Eckdaten machen deutlich: Egal ob Steuer oder Zertifikate – den künftigen CO2-Preis wird jeder einzelne zu spüren bekommen, beim Tanken, Heizen oder beim Stromverbrauch. Berichtet wird über ein 40 Milliarden Paket aus Zuckerbrot und Peitsche. Ende der Woche will das sogenannte Klimakabinett die Ergebnisse der Beratungen bekanntgeben. Davor eine Extraschicht am Donnerstag.
Am Telefon ist nun Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Guten Morgen, Herr Professor!
Ottmar Edenhofer: Guten Morgen.
Heinlein: Sie haben Ende vergangener Woche mit den Spitzen der Koalition über das geplante Klimapaket der Bundesregierung diskutiert, mit der Kanzlerin und den Ministern über ihr Gutachten zur CO2-Bepreisung geredet. Herr Edenhofer, welche Eindrücke nehmen Sie mit aus diesem Gespräch, aus dieser Diskussion?
Edenhofer: Einerseits, dass die Frage des Klimaschutzes jetzt endlich dort angekommen ist, wo sie hingehört, nämlich bei der Umsetzung, dass es einen Willen zur Umsetzung gibt, aber natürlich auch, dass es noch erhebliche Streitpunkte gibt und auch die Politik vor der Frage noch ein bisschen zurückschreckt, dass Klimaschutz auch Kosten verursacht und dass steigende Preise notwendig sind, damit wir dann auch unsere Konsum- und Investitionsentscheidungen entsprechend verändern.
CO2-Preis muss eine Hauptrolle spielen
Heinlein: Haben Sie denn nach Ihren Gesprächen mit den Koalitionsspitzen im Kanzleramt den Eindruck, die Bundesregierung ist auf gutem Weg, bis Ende der Woche tatsächlich ein Klimapaket hinzubekommen?
Edenhofer: In dieser Woche müssen schon noch entscheidende Schritte getan werden. Wenn es nur dabei bleibt, dass dort ein großes Förderprogramm aufgelegt wird und eine neue Subventionsorgie stattfindet, dann ist das nicht der richtige Weg. Ich glaube, die entscheidende Frage ist, ob sich die Politik tatsächlich zutraut, dass der CO2-Preis eine Hauptrolle spielt, die entscheidende Rolle, oder ob er nur eine Alibifunktion hat.
Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), beim Weltklimagipfel. 
Ottmar Edenhofer fordert die Einführung eines dauerhaft steigenden CO2-Preises (dpa/ Monika Skolimowska)
Heinlein: CO2-Preis ist das Stichwort. Da gibt es ja anscheinend noch Streit innerhalb der Koalition. Aus Ihrer Sicht, aus der Sicht des Klimaforschers: Steuer- oder Zertifikatehandel – welches Instrument halten Sie für sinnvoll?
Edenhofer: Man kann beide Instrumente so ausgestalten, dass sie gleich wirken. Soweit ich das verstanden habe, ist mit der CDU/CSU eine reine Steuerlösung nicht zu machen. Man kann dann auch einen Zertifikatehandel aufsetzen und das kann man geschickt machen, indem man dann zum Beispiel einen Mindestpreis einführt. Dann hat man eigentlich schon ein Hybridsystem, wo man Steuer und Zertifikatehandel miteinander kombiniert. Das ist aus meiner Sicht ein gangbarer Weg und so könnte sich auch dann im Verlaufe der Woche ein Kompromiss abzeichnen.
Heinlein: Kann man das so verstehen, dass aus Ihrer Sicht es egal ist, ob Steuer oder Zertifikate, Hauptsache es wirkt?
Edenhofer: So ist es vielleicht ein bisschen übertrieben. Entscheidend ist für mich folgendes: Wir brauchen einen Einstiegspreis und wir brauchen eine Verpflichtung zu einem Preispfad. Das heißt, die Politiker müssen klar ankündigen, dass die Preise bis zum Jahr 2030 steigen müssen. Dann werden die Investoren und Konsumenten ihre Entscheidungen danach ausrichten. Das ist entscheidend.
Ob das jetzt durch einen Steuerpfad geschieht, oder durch einen Zertifikatehandel, ist demgegenüber weniger wichtig. Das ist dann eine Frage des politischen Kompromisses. Entscheidend ist, dass die Investoren, die Konsumenten, die Bürger wissen, was auf sie zukommt, und es muss auch ein klares Signal gesetzt werden, dass wir bis zum Jahr 2030 die europäischen Verpflichtungen erreichen müssen. Denn wenn wir die verfehlen, müssen wir Strafzahlungen leisten, und das kann ziemlich teuer werden.
"Alle anderen Wege kosten viel mehr"
Heinlein: Könnte sich, Herr Professor Edenhofer, die breite gesellschaftliche Unterstützung für den Klimaschutz ändern, wenn jeder Verbraucher, jeder Einzelne am Ende merkt, das Ganze wird teuer, Klimaschutz, das kostet mich Geld an der Zapfsäule oder beim Strom oder bei der Heizung?
Edenhofer: Ich glaube, da muss jetzt die Politik klar sagen, was sie macht und was sie will. Wenn die Leute den Eindruck haben, Klimaschutz läuft auf Schröpfen und Gängeln hinaus, dann werden die Leute nicht mitmachen. Wenn man aber den Leuten klarmacht, wozu das ist, nämlich dass wir steigende CO2-Preise benötigen, damit die Emissionen sinken, damit wir einen effektiven und vor allem einen kosteneffizienten Beitrag zum Klimaschutz leisten, dann werden das die Leute auch verstehen. Und dann muss man ihnen auch erklären, dass das der günstigste, der kosteneffizienteste Weg ist, dass alle anderen Wege sehr viel mehr kosten und sehr viel teurer sind. Ich glaube, Politik hat hier eine Aufgabe, das zu erklären, was sie machen, und die Zeiten, in denen Klimapolitik gewissermaßen unterm Radarschirm durchgewunken wird und die Leute davon nichts merken, die sind jetzt vorbei.
Heinlein: Haben Sie denn den Eindruck, dass Politik und Parteien diesen Mut haben, dem Wähler reinen Wein einzuschänken?
Edenhofer: Das ist schwer zu beurteilen. Ich hoffe, dass sie den Mut dazu haben, denn ansonsten kann der Schuss in der Tat nach hinten losgehen. Und wir wissen ja auch aus anderen Ländern, wo erfolgreich CO2-Steuern oder Zertifikatssysteme eingeführt worden sind, dass eine Grundvoraussetzung ist, dass die Politik transparent sein muss, und zwar nicht nur, was sie beabsichtigt mit der Steuer, nämlich dass man Investitionen in die richtige Richtung lenken will, sondern vor allem auch, was mit den Einnahmen geschieht. Wenn die Leute das Gefühl haben, hier werden einfach zusätzliche Steuertatbestände geschaffen, um irgendwelche Haushaltslöcher zu stopfen, das ist keine gute Idee. Deswegen sind wir auch der Auffassung, dass begleitend zu dieser CO2-Bepreisung die Stromsteuer gesenkt werden soll und dass man auch das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus den Einnahmen dieser CO2-Bepreisung finanzieren soll. Was hat das für einen Effekt? Das hat den Effekt, dass Haushalte mit geringem Einkommen dann entsprechend entlastet werden.
Erfolge der AfD auch für die Wissenschaft gefährlich
Heinlein: Es gibt ja im Bundestag und in allen Länderparlamenten mittlerweile mit der AfD eine Partei, die den Klimawandel in Frage stellt. Herr Professor Edenhofer, wie gefährlich sind die Erfolge dieser Partei für einen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel, für die gesellschaftliche Akzeptanz der Kosten des Kampfes gegen den Klimawandel?
Edenhofer: Ich glaube, die Erfolge dieser Partei sind nicht nur für die Klimapolitik und den Klimaschutz gefährlich. Die sind für die Wissenschaft, für das, was wir moderne liberale Demokratie nennen, gefährlich. Das ist ein Kampf, den wir antreten müssen und wo wir zeigen müssen, dass man mit liberalen Demokratien die Zukunft gewinnen kann, mit den Wegen, die die AfD vorschlägt, die Zukunft verspielt.
Heinlein: Nun ist, Herr Professor Edenhofer, die AfD ja nicht allein mit ihrer Skepsis. In den USA gibt es Donald Trump oder in Brasilien Bolsonaro. Gibt es weltweit aktuell einen politischen Trend, der Ihnen als Wissenschaftler, als Klimaforscher Sorgen bereitet?
Edenhofer: Ja, das bereitet mir schon Sorgen. Aber wir müssen auch sehen, dass in der Breite der Gesellschaft die Tatsache des Klimawandels zunehmend zur Kenntnis genommen wird. Man würde gar nicht vermuten, dass zum Beispiel in Russland die Einsicht, dass es menschengemachten Klimawandel gibt, dass wir mit gefährlichen Folgen zu rechnen haben, dass das an Breite gewinnt in der Gesellschaft, und so ist es auch in anderen Gesellschaften.
Natürlich gibt es dort jetzt eine große Gegenbewegung, aber man darf sich von diesen Gegenbewegungen nicht irre machen lassen. Denn eines bleibt ja: Der Amazonas brennt, es gibt Dürren, es gibt Überschwemmungen. Überall auf der Welt spüren die Menschen die Folgen des Klimawandels. Man darf ja nicht vergessen, das ist erst ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur von einem Grad. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird die globale Mitteltemperatur um vier Grad steigen. Das ist dann eine Welt, in der wir dann tatsächlich mit gefährlichem Klimawandel zu tun haben, und das ist ein Temperaturanstieg, den wir in der Kulturgeschichte der Menschheit so noch nie erlebt haben.
Heinlein: Sie sagen, die gesellschaftliche Akzeptanz für den Kampf gegen den Klimawandel ist gestiegen in vielen Ländern. Es gibt die Proteste jetzt am kommenden Freitag auch wieder von Fridays for Future. Wie wichtig sind diese Aktionen, um der Politik in vielen Ländern Beine zu machen beim Thema Klimaschutz?
Edenhofer: Ich glaube, Fridays for Future war extrem wichtig, weil die Bewegung hat ja nicht zu einer Radikalisierung beigetragen, sondern diese Bewegung hat die Klimapolitik, die Fragen des Klimawandels in die Mitte der Gesellschaft getragen. Das ist aus meiner Sicht ein großer Fortschritt gewesen. Und die Bewegung hat bislang immer Wert darauf gelegt, dass sie auf der Basis wissenschaftlicher Fakten argumentiert und Vorschläge unterbreitet. Das ist aus meiner Sicht ein großer Schritt gewesen. Ich glaube, Fridays for Future und natürlich auch die europäischen Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist und die jetzt auch sanktionsbewährt sind, dass wir dafür Strafzahlungen leisten müssen, wenn wir sie nicht erfüllen, diese beiden Aspekte haben dazu geführt, dass wir jetzt in Deutschland doch eine sehr, sehr ernsthafte Debatte zur Klimapolitik und zum Klimaschutz haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.