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CO2-Emissionhandel wieder unter Kontrolle

Die EU war bislang zu großzügig mit der Obergrenze für den europäischen CO2-Ausstoß: Unternehmen sitzen derzeit auf überschüssigen Zertifikaten, denn die Tonne CO2 kostet nur fünf Euro. Das Europäische Parlament hat nun die Beschränkung des Handels mit Verschmutzungsrechten beschlossen.

Von Jörg Münchenberg | 19.02.2013
    Am Ende fiel die Entscheidung im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments relativ deutlich aus. 38 Abgeordnete stimmten heute für den Kompromissvorschlag zu einer kurzfristigen Beschränkung des Handels mit Verschmutzungsrechten, 26 dagegen. Peter Liese von der Fraktion der Konservativen begrüßte die Entscheidung:

    "Ich unterstütze den Vorschlag der Kommission. Wenn wir untätig sind, wird es sich auf viele Jahre lohnen, in verschmutzende klimaschädliche Technologie zu investieren. Wird es sich nicht lohnen, in klimafreundliche Technologie zu investieren. Deshalb müssen wir was machen."

    Hintergrund ist der dramatische Preisverfall beim europaweiten Handel mit CO2-Emissionsrechten, der wiederum als Drehscheibe für den Ausbau einer umweltfreundlichen Wirtschaft gilt. Kraftwerke und große CO2-Produzenten benötigen entsprechende Zertifikate für den Emissionsausstoß. Diese werden zugeteilt, aber auch versteigert. Stößt ein Unternehmen mehr Kohlendioxid aus als erwartet, muss es zusätzlich entsprechende Verschmutzungsrechte kaufen.

    Überflüssige Zertifikate wiederum können die Unternehmen veräußern. Durch diesen Mechanismus sollen Investitionen in umweltfreundliche Technologien gefördert werden. Durch den Preisverfall bei den Zertifikaten droht die Lenkungswirkung zu verpuffen, weshalb die EU-Kommission 900 Millionen Verschmutzungsrechte vom Markt nehmen will. Ursprünglich hatte die Brüsseler Behörde ein unbeschränktes Interventionsrecht gefordert – der Umweltausschuss des Parlaments will der Kommission jedoch zunächst nur einen einmaligen Eingriff gestatten. Peter Liese:

    "Ich denke, wir sollten es bei einem einmaligen Eingriff lassen. Wenn es dann nicht funktioniert, müssen wir eine Grundsatzdebatte führen und das System noch einmal grundsätzlich überarbeiten. Aber jeden Monat oder jedes Jahr einzugreifen, wie das die Kommission fordert, halte ich für falsch. Und deswegen wird der Umweltausschuss eine entsprechende Präzisierung beschließen. Und ich erwarte, dass das auch im Ministerrat in diese Richtung geht."

    Doch noch ist offen, wie sich die Mitgliedstaaten positionieren werden. Polen lehnt eine Beschränkung der CO2-Zertifikate ab, aber auch innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit über die Reform bei den Verschmutzungsrechten. Die Union ist dafür, die FDP dagegen, die wiederum höhere Kosten für die Industrie befürchtet. Auch der neue Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo lehnt das Vorhaben ab:

    "Das lag auch daran, dass die Industrie ihre Hausaufgaben gemacht hat. Das heißt, dass sie Emissionen mehr als geplant reduziert hat durch entsprechende Investitionen. Jetzt die Industrie zu bestrafen, indem man jetzt einfach in den Markt eingreift, um die Preise zu erhöhen – ich glaube, das ist das Falsche."

    Allerdings gibt es innerhalb der deutschen Industrie keine einheitliche Position. So haben sich sechs große Unternehmen, darunter Alstom, Shell, EnBW und E.ON in einer gemeinsamen Erklärung dafür ausgesprochen, überschüssige Emissionsrechte vom Markt zu nehmen, um den Preisverfall zu stoppen.

    Nach der heutigen Entscheidung muss das EU-Parlament zunächst klären, ob das Votum des Umweltausschusses ausreicht oder noch einmal das gesamte Plenum abstimmen soll. Danach beginnen die Verhandlungen mit Kommission und Rat. Die geplante Reform beim Handel mit Verschmutzungsrechten muss letztlich mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden.