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CO2-Preis
"Emissionshandel in den Vordergrund stellen"

Das "Klimakabinett" des Bundesregierung will am Freitag seine Beschlüsse zur Klimaschutzpolitik vorlegen. Der Fokus sollte auf der CO2-Bepreisung liegen, sagte der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt im Dlf. Ein Emissionshandelsmodell mit Mindest- und Höchstpreis sei für den Anfang eine gute Lösung.

Christoph Schmidt im Gespräch mit Jasper Barenberg | 19.09.2019
Schornsteine eines Kohlekraftwerks
Der CO2-Emmissionshandel sei ein gutes Mittel für die Erreichung von mehr Klimaschutz, sagte Christoph Schmidt im Dlf (imago images / Jannis Große)
Jasper Barenberg: Zu einem großen Wurf in der Klimapolitik hat sich die Regierung in Berlin ja auch verpflichtet. Am Abend treffen sich Union und SPD zu einer letzten Verhandlungsrunde. Morgen soll dann das sogenannte Klimakabinett die ankündigt weitreichenden Entscheidungen präsentieren. In die Beratungen zum Klimapaket eingebunden waren auch die sogenannten Wirtschaftsweisen, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
- Ihr Vorsitzender Christoph Schmidt ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Schmidt.
Christoph Schmidt: Guten Morgen aus Wiesbaden!
Barenberg: Herr Schmidt, Sie haben vor der letzten Runde der Verhandlungen ja vor einem Sammelsurium an Einzelmaßnahmen gewarnt. Warum haben Sie das gemacht?
Schmidt: Ich glaube, wir sollten erst mal kurz einsammeln, was an positiven Nachrichten hier rauszulesen ist. Es gibt eine wirklich große Aufmerksamkeit für dieses Thema, die man vor einem Jahr nicht für möglich gehalten hätte. Und wir kriegen tatsächlich einen Preis für CO2. Und das ist eigentlich das Steuerungs- und Koordinationssignal, das wir dringend brauchen. Das ist erst mal positiv.
Barenberg: Herr Schmidt, wenn ich da gleich nachhaken darf? Sie haben ja vorab und in Ihrem Gutachten auch offen gelassen, ob das nun eine CO2-Steuer, eine Abgabe sein soll, oder ob man auf diesen Zertifikatehandel setzt. Jetzt zeichnet sich ab, dass es quasi eine Mischform werden könnte, nämlich ein Zertifikatehandel, ein Handel mit Verschmutzungsrechten, aber ergänzt um einen Mindestpreis und einen Höchstpreis. Ist das ganz in Ihrem Sinne der goldene Mittelweg?
Schmidt: Für den Anfang sind die beiden Lösungen Steuer und Emissionshandel mit Ober- und Untergrenze recht ähnlich. Entscheidend ist ja, wie die Sache auf Dauer angelegt ist. Und was wir hier haben, soweit es sich abzeichnet, ist ein System, bei dem der Korridor der Ober- und Untergrenzen schrittweise dann reduziert wird, wenn wir uns erst mal klargemacht haben, wie teuer ist es eigentlich, Emissionen zu vermeiden in den neu in den Emissionshandel einbezogenen Bereichen Gebäude und Verkehr. Und damit sind die Vorzüge des Emissionshandels gewahrt und bei der Einführung ist es relativ milde und die Anpassung kann sanft erfolgen. Das ist eigentlich eine ganz gute Lösung, dieses Mischmodell am Anfang zu haben und dann den Emissionshandel immer mehr in den Vordergrund zu stellen. Das ist schon in unserem Sinne.
"Es ist ein lernendes System"
Barenberg: Aber ein milder Einstieg, wenn Sie das sagen, heißt auch, so richtig spürbar wäre das am Anfang nicht. Aber würde das nicht wiederum heißen, dass der Effekt verpufft?
Schmidt: Wir wissen das doch alles gar nicht. Die Gebäude- und Verkehrssektoren sind ja noch gar nicht in dieses ganze Geschehen mit einbezogen worden. Wir ahnen, dass die Vermeidungskosten, wie teuer ist es, die nächste Tonne CO2 nicht auszustoßen, dass diese Vermeidungskosten relativ hoch sind. Wir wissen es aber nicht genau, wie hoch sie sind. Und deswegen ist das schon auch ein lernendes System. Es kann gar nicht anders sein. Heute oder vielmehr morgen kann das Klimakabinett auch nicht schlussendlich den Plan hinlegen, den man nur einhalten muss, und dann wird alles gut. Sondern was das Klimakabinett tatsächlich tun sollte, wäre klarzumachen, dass dieser Preis nun im Mittelpunkt der Klimapolitik steht. Genau da setzt auch meine Kritik oder meine Befürchtung an, dass dieser eigentlich wichtige Kern, nämlich den Preis in den Mittelpunkt zu stellen, ertränkt in einer Fülle von Dingen, die wir gar nicht überschauen können. Was kostet wieviel? Wo wird wieviel eingespart? Wie teuer kommt das alles? Das ist schwer zu sehen. Wenn man den Preis in den Mittelpunkt stellt und sagt, wir lassen den wirken und gucken dann, wo er die Wirkung nicht bringt, beispielsweise im Gebäudebereich, wenn Vermieter keine hinreichenden Anreize haben, tatsächlich sich für klimaschonende Investitionen zu entscheiden, dann kann man noch nachfüttern. Aber jetzt schon bereits eine Fülle von Einzelmaßnahmen festzulegen, die teilweise einander auch gar nicht helfen, sondern einander möglicherweise sogar widersprechen, das ist bedauerlich, denn eigentlich geht es doch darum, das Ganze kosteneffizient zu machen. Dafür ist dieser Preis das ideale Signal, denn man hat ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder macht man es marktwirtschaftlich über ein Koordinationssignal namens Preis, oder man macht es durch eine planwirtschaftliche Gestaltung, und das ist unglücklich.
Stromsteuersenkung und Klimadividende
Barenberg: Wenn Sie diese Fülle von Subventionen und Förderprogrammen kritisieren, in der Vielzahl, die jetzt auf dem Tisch liegen, dann muss man wahrscheinlich sagen: Auslöser dafür ist zum einen die Sorge, es geht nicht schnell genug in Gang, wir schaffen nicht schnell genug die Ziele, deswegen braucht es Förderung an der einen oder anderen Stelle. Und zum anderen die Sorge vor sozialen Verwerfungen, die damit einhergehen könnten. Ist das beides nicht durchaus berechtigt?
Schmidt: Natürlich kann man das verstehen. Aber ich glaube, die entscheidende Einsicht muss sein: Die Kosten sind im Grundsatz schon längst entstanden. Die sind in dem Augenblick entstanden, als man sich verpflichtet hat, bestimmte Ziele einzuhalten. Jetzt muss es vor allem darum gehen, diese im Grundsatz bereits bestehenden Kosten so klein wie möglich auszugestalten, und das geht mit einem Preis. Was ist denn sozial ausgewogener, als die Kosten insgesamt erst einmal so klein wie möglich zu halten? In dem Versuch, bereits jetzt Einzelfallgerechtigkeit möglichst herzustellen und möglichst keinem mehr weh zu tun als dem anderen, könnte es dabei dann so enden, dass die Kosten so explodieren, dass jeder sehr tief in die Tasche greifen muss. Denn es ist ja nicht die Politik, die das Ganze bezahlt. Letztendlich zahlt die Wende, zahlt die Transformation des Energiesystems natürlich der Bürger, die Gesamtheit der Bürger. Deswegen wäre Kosteneffizienz an erster Stelle, und das kann man aber auch sozial ausgewogen gestalten, indem man die Einnahmen, die man erzielt, dann wiederum zum Beispiel durch eine Klimadividende ausschüttet, oder durch die Verminderung der EEG-Umlage. Da gibt es viele Möglichkeiten. Aber erst müsste die Effizienz kommen und dann kann man auch den sozialen Ausgleich besonders gut gestalten.
Barenberg: Und hätten Sie da Präferenzen? Ökodividende oder Energiesteuern runter?
Schmidt: Ich glaube, dass eine Mischung der beiden Ansätze ganz gut wäre, insbesondere die Stromsteuer runterzunehmen, die ja eigentlich die Lenkungswirkung genau verfehlt, die wir haben wollten. Wir wollten ja gerne eine Lenkungswirkung haben, dass Strom in den Bereichen Mobilität und Gebäude, Wärmeerzeugung mehr genutzt wird als jetzt. Wenn man die Stromsteuer und die EEG-Umlage sieht, dann sind das Hemmnisse dafür. Einen Teil der Einnahmen könnte man dafür verwenden. Einen Teil sollte man, denke ich, auch ausschütten über eine Pauschale, Ausschüttung einer sogenannten Klimadividende, und zwar allein schon deswegen, weil man den Menschen ja versprochen hat, dass man sich um den sozialen Ausgleich bemüht. Das ist transparent, sehr stark sichtbar. Und dann sieht man, die Politik ist glaubwürdig. Das wäre der Rat, den ich der Bundesregierung geben würde, da eine Mischung anzustreben.
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