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CO2-Sammler
Künstliche Bäume gehen in Serie

Kohlendioxid gilt als gefährliches Treibhausgas. An der ETH Zürich entstand die Idee, das CO2 mit künstlichen Bäumen aus der Luft zu filtern. Ein Spin-Off der Universität hat diese Idee nun realisiert - allerdings sehen die künstlichen Bäume den echten Bäumen so gar nicht ähnlich. Ein Gang durch die Produktionshallen.

Von Bernd Schlupeck | 31.05.2016
    Zwischen unzähligen Baumriesen ist ein kleiner Ausschnitt blauer Himmel zu sehen.
    Bäume sind natürliche CO2-Senken, es gibt aber auch künstliche CO2-Sammler (imago stock&people)
    "Closing the Carbon Cycle" steht auf einem Schild, das an der Außenseite einer blechverkleideten Industriehalle mit rot gestrichenen Toren in Zürich-Oerlikon hängt. Der Claim gehört zur Firma "Climeworks" und bedeutet so viel wie "Den Kohlenstoff-Kreislauf schließen". Die Technik dafür steht außerhalb der Halle auf dem Innenhof. Gründer und Geschäftsführer Jan Wurzbacher muss vom Büro aus einen Flur entlang, mit dem Fahrstuhl nach unten, und ein paar Schritte laufen, bis er vor dem Prototyp eines CO2-Sammlers steht. Mit der Anlage will er das Klimagas aus der Luft fangen - ähnlich wie die Blätter eines Baums.
    "Von der Größe her ein Platz circa drei mal vier Meter Größe, wobei das Kernstück hier vorn diese Stahlkiste ist: Das ist der CO2-Kollektor, ein Behälter circa 1,5 mal 1,5 Meter Grundfläche. Und diese Einheit hier, die bildet quasi das Grundmodul größerer Climeworks-Anlagen und fängt circa 50 Tonnen CO2 aus der Luft pro Jahr."
    20.000 Kubikmeter Luft werden pro Stunde gefiltert
    Der CO2-Sammler ist im Prinzip ein Luftfilter, wie er in der Klimatechnik eingesetzt wird. Auf der einen Seite der Stahlkiste befindet sich ein kreisförmiger Lufteinlass mit einem Durchmesser von einem Meter. Hier wird die Umgebungsluft eingesaugt. Dafür sorgt ein großer Ventilator, der anderthalb Meter weiter rechts installiert ist. Damit können pro Stunde 20.000 Kubikmeter Luft durch die Kiste geschleust werden. Im schwarz-lackierten Teil dazwischen wird das Kohlendioxid an einen Filter gebunden.
    "Das ist ein hoch poröses Material. Man kann sich das vorstellen wie ein Schwamm, der an Oberfläche chemisch beschichtet ist. Und diese chemischen Gruppen binden das CO2 aus der Luft. Das heißt: Während die Luft hindurch strömt, kommt quasi alles wieder hinten raus bis auf das CO2. Das bleibt an dem Schwamm kleben."
    Das System haben Jan Wurzbacher und seine Kollegen vor Jahren an der ETH Zürich gemeinsam mit Wissenschaftlern an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) entwickelt. Es besteht aus einem Stapel mit mehreren Einzelfiltern, in die Strömungskanäle eingearbeitet sind, um die Luft zu verteilen. Aufgebaut sind die Filter aus cellulosehaltigen Fasern, die mit Aminen beschichtet werden. Diese binden besonders effektiv CO2-Moleküle, das ist bekannt. Flüssige Amine werden etwa für die Wäsche von Rauchgasen in Kohlekraftwerken genutzt. Der Climeworks-Chef verlässt den Innenhof in Richtung Filterproduktion. Derzeit produziert das Unternehmen die ersten 20 Stück des CO2-Sammlers.
    "Wir werden jetzt einen kurzen Blick in die Climeworks-Produktion werfen. Es wird sehr laut sein. Denn bei einer der Produktionsschritte, dort wird mit Druckluft dieses Filtermaterial in die Filterstruktur hineingefüllt."
    Aufgefangenes CO2 wird weiterverarbeitet
    Bleibt nur noch die Frage, wie das CO2 wieder aus dem Container herauskommt. Dafür sind zwischen den Filterrahmen Schläuche eingebaut. Fließt dort circa 100 Grad heißes Wasser hindurch, löst sich das Gas vom Filter, wird anschließend abgesaugt und in Tanks gespeichert. In dieser Form geht es an Getränkehersteller oder Produzenten von Trockeneis, erklärt Jan Wurzbacher wenig später in seinem Büro. Langfristig haben die Filtererfinder aber etwas anderes mit dem Klimagas vor.
    "Die wichtigste Anwendung, die wir im Moment im Auge haben, ist die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Wir arbeiten vor dem Hintergrund auch mit Audi zusammen. Audi hat in Norddeutschland eine Fabrik, wo sie einen so genannten "Power-to-Gas"-Prozess betreiben. Sprich: Erneuerbaren Strom verwenden, um damit CO2 und Wasser zu spalten, um dann daraus CO2-neutrales Erdgas herzustellen."