Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Comedy bei Netflix
Streamingdienst mit Humoroffensive

Netflix will mehr sein als eine Abspielstation von Filmen und Serien - der Streamingdienst dringt jetzt auch in den Comedy-Bereich. Dabei setzt Netflix jetzt auch auf deutsche Künstler*innen, Anfang 2019 wird die erste Comedy-Serie aus Deutschland laufen. Ein neuer Markt für die hiesige Szene?

Von Jana Fischer | 14.12.2018
    Enissa Amani
    Enissa Amani – auf Netflix ist sie ein Gesicht der deutschen Comedy (dpa/picture-alliance/ Henning Kaiser)
    "Voll viele wissen gar nicht was das ist, Netflix-Original. Netflix-Original heißt: Erst kommt das Netflix-Zeichen und dann kommt so dieses ‚Tadam!‘ – und das ist eigentlich der ganze Unterschied."
    Enissa Amani – auf Netflix ist sie ein Gesicht der deutschen Comedy. Amani gehört zu den bisher drei deutschen Comedians, die mit dem Streaming-Dienst ein Live-Programm produziert haben, neben Dieter Nuhr und Tedros Teclebrhan. Und Amani ist auch mit dabei, wenn Netflix Anfang 2019 eine internationale Stand-up-Comedy-Offensive startet.
    "Netflix hat sich bei mir gemeldet. Ich hab am Anfang so gesagt: 'Mh, nee, ich weiß nicht. Ich bin jetzt so Künstler und so. Ehrlich, ich will nichts mehr zu tun haben mit so Fernsehen, ich versuch nur noch so Live-Kunst und bla.' Dann hat Netflix mir so eine Summe genannt - und ich schwör, mein Ohr war so: 'Tadam!'"
    Netflix: Der Name steht vor allem für das Streamen von Spielfilmen und Serien.
    Nonsense-Lieder und Stand-up-Programme
    Die großen Aushängeschilder sind zwar Dramaserien wie "House of Cards" und "Stranger Things". Aber auch im Comedy-Bereich hat sich der Video-on-demand-Dienst etabliert mit Eigenproduktionen wie "The Unbreakable Kimmy Schmidt", Tina Feys Serie über ein unverwüstliches Entführungsopfer:
    "Ich arbeite hart, habe Erfahrung in Word und im Zehn-Finger-System – und ich kann meinen Atem anhalten so lange, wie ich will!"
    "Hören Sie, ich gebe niemandem gerne eine zweite Chance. Aber mir gefällt Ihre fehlende Selbstachtung!"
    Die erste deutsche Netflix-Comedyserie ist gerade in Arbeit: "Don’t Try This at Home", eine Produktion der Bildundtonfabrik, bekannt als Produzenten von Jan Böhmermanns "Neomagazin Royale". Aber auch wenn Serien und Filme das Kerngeschäft sind: Anders als Konkurrenten wie Amazon Prime und Maxdome setzt Netflix auf eine breite Formatpalette auch jenseits der Fiction.
    Enissa Amani: "Gibt’s Porno auf Netflix? Gibt’s Nachrichten auf Netflix? Nachrichten wäre cool, ich würd' so eine ganze Staffel im Voraus gucken."
    So weit ist es noch nicht, aber Comedy-Fans finden auf Netflix ein großes Angebot an Stand-up- und sonstigen Bühnenprogrammen, zumindest im englischsprachigen Bereich:
    "We all know a guy who shaves his chest, we all know a guy who wears a leather west..."
    Die inhaltliche Spannbreite reicht von Adam Sandlers Nonsens-Liedern in seinem Programm "100% Fresh" bis zum anderen Extrem:
    "It is time I stop comedy. I think I have to stop comedy."
    "Ich muss mit Comedy aufhören" – der Kernsatz von Hannah Gadsbys Programm "Nanette". Für Netflix war die Show einer der Coups des Jahres 2018. Die Australierin Gadsby präsentierte kein reines Comedy-Programm, sondern über weite Strecken eine scharfsinnige Meta-Auseinandersetzung mit dem Wesen von Humor. Ein Stand-up-Programm, das international in Feuilletons besprochen wurde.
    Hannah Gadsbys: "Versteht ihr, was selbsterniedrigender Humor von jemandem bedeutet? Was es heißt sich selbst schlecht zu machen? Wenn jemand kommt, der selbst sowieso schon ein Außenseiter ist, wenn jemand marginalisiert ist? Es ist keine Demut. Das ist nicht demütig. Es ist Demütigung."
    Comedians der Welt in einem Format
    Jenseits der USA und Großbritannien sieht das Netflix-Sortiment an Live-Comedy bisher viel dünner aus. Am 1. Januar 2019 soll aber die Reihe "Comedians der Welt" gleich 47 Komiker aus 13 Ländern in einem Format präsentieren – jeder in einer halbstündigen Show. Für Deutschland ist wieder Enissa Amani mit dabei, außerdem Kaya Yanar und Ilka Bessin, bekannt geworden in der Rolle "Cindy aus Marzahn":
    "Herzlich Willkommen zu meinem achtstündigen Programm ‚Comedy statt Knast‘."
    Diese Zusammenstellung der deutschen Vertreter kann man durchaus überraschend finden. Netflix hat den Ruf, auch mal Dinge zu testen, die zu abseitig für das klassische Fernsehen sind. Bei der deutschen Bühnen-Comedy aber setzt der Streamingdienst bisher auf etablierte und breitentaugliche Namen. Das gilt auch für die lizenzierten Zukäufe, die Netflix zwar nicht selbst produziert, aber für sein Portfolio einkauft: Nutzer können sich etwa Programme von Luke Mockridge anschauen …
    "Sind Rot-Weiß-Essen-Fans hier? (Rufen aus dem Publikum) Gut, alle acht sind da!"
    … oder Monika Gruber …
    "Ich sag immer: Wenn ich nicht am Flughafen abgetastet würde, hätte ich überhaupt kein Sexualleben mehr."
    Konkurrenz für klassische Programme
    Atze Schröder, Markus Krebs, Carolin Kebekus, Serdar Somuncu und anderen. Geheimtipps sucht man - anders als im englischsprachigen Angebot - vergeblich. Noch, denn Netflix scheint in Sachen Comedy längst nicht am Ende zu sein. In den USA experimentiert der Streamingdienst schon seit längerem mit Shows, testet Politsatireformate, aktuell zum Beispiel "Patriot Act" mit Hasan Minhaj. Minhaj, bekannt aus der Comedy Central-Politsatire "The Daily Show", präsentiert eine Mischung aus Stand-up-Comedy und satirischem Infotainment im Stil von John Oliver:
    "Neulich meinte ich zu meinem Vater: 'Kaum zu glauben, dass sie mir eine Show auf Netflix gegeben haben.' Und darauf er: 'Toll, dann kannst du ja endlich für deinen Master sparen.'"
    Bisher scheinen die Comedy-Show-Versuche von Netflix dem Prinzip Trial-and-Error zu folgen: Nicht alles sieht teuer produziert aus, nicht alles gelingt, einige Formate wurden nach einer Staffel gleich wieder abgesetzt. Trotzdem: Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die erste deutsche Netflix-Show angekündigt wird. Und die gelingt, könnte es für die klassischen Mitbewerber im Fernsehgeschäft ziemlich unlustig werden.