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Comic über einen "katholischen Buddhisten"
Zen ohne Meister

Schon als Kind war der Niederländer Frenk Meeuwsen vom Zen-Buddhismus fasziniert, den er durch die Bücher im Regal seines Vaters kennen gelernt hatte. Später wird er selbst Buddhist und zeichnet einen Comic, der Zen in seinen unterschiedlichen Facetten zeigt.

Von Andrea Heinze | 20.07.2018
    "Zen ohne Meister" von Frenk Meeuwsen
    In "Zen ohne Meister" verarbeitet Frenk Meeuwsen seine eigenen Erfahrungen mit dem Zen-Buddhismus (avant-verlag/imago/AFLO)
    Es braucht nur wenige Bilder, dann ist man schon ganz drin im Comic "Zen ohne Meister", weil Frenk Meeuwsen mit ganz einfachen Strichen zeichnet - und dabei treffsichere Milieustudien liefert: vom Japan der 90er-Jahre ebenso wie von den Niederlanden seiner Kindheit und Jugend in den 70er-Jahren. Der Comic "Zen ohne Meister" ist aber auch deshalb so leicht zugänglich, weil er von einem feinen Humor durchzogen ist, meint Jürgen Mohn, Ordinarius für Religionswissenschaft an der Universität Basel:
    "Er sagt zum Beispiel: Es kommt gar nicht darauf an, dass man das Ziel der Übung erreicht, sondern es kommt darauf an, dass man es mit der richtigen Haltung tut. Das steht im Text – und was ist im Bild? Er steht auf dem Kopf, versucht zu meditieren - und fliegt hin."
    Das Interesse beginnt am Küchentisch
    "Spiritualität und Humor gehen sehr gut zusammen, weil man ohne Humor das Leben kaum verstehen kann. Manche Konflikte sind so groß, dass nur ein Lachen die Spannung lösen kann. Eine Erkenntnis, die auch für traditionelle Zen-Rätsel gilt: 'Wie klingt das Klatschen einer Hand?' oder 'Wie sah das Gesicht deines Vaters aus, bevor er geboren wurde?' Als ich das mit 12 Jahren gelesen habe, dachte ich: 'Wow, das hat Tiefe' - und ich wollte das unbedingt lösen. Und vielleicht ist die Lösung einfach ein Lachen, weil das nicht zu lösen ist."
    Die Zen-Rätsel hat Frenk Meeuwsen im Bücherregal seines Vaters gefunden, zwischen Romanen und philosophischen Schriften. Meeuwsen wächst in einem katholischen Haushalt auf. Der Vater ist Automechaniker, liest viel und diskutiert darüber mit seiner Familie am Küchentisch. Der Zen-Buddhismus nimmt Frenk Meeuwsen besonders gefangen. Als Erwachsener wird er sich in Japan auf die Spuren der Zen-Tradition begeben. Von all dem erzählt Frenk Meeuwsen in seinem Comic in kleinen Episoden, die er bunt durcheinander mischt. Religionswissenschaftler Jürgen Mohn:
    "Es ist eine ganz moderne europäische Autobiografie eines Niederländers, der nach Japan gegangen ist, und dabei immer wieder autobiografische Elemente einbaut aus seiner eigenen Geschichte der Begegnung mit ersten buddhistischen Texten - und das sind meistens Texte aus der europäischen Literatur, es ist 'Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten', das er gelesen hat. Es ist ein Buch, das in der Bibliothek seines Vaters ist über Zen-Gärten, was ihn ästhetisch sehr angesprochen hat, denn er hat sich sehr früh schon mit Comics, mit Zeichnungen auseinandergesetzt. Es ist also die Geschichte des langsam sich steigernden Interesses an dem, was im Westen über den Buddhismus vermittelt wird und was er dann in Japan erlebt hat."
    "Unsere Kultur ist heute ziemlich harmlos"
    Dazu gehören so irritierende Erfahrungen wie die mit dem Mönch, mit dem sich Meeuwsen über den Sinn des Lebens unterhalten will und der ihm die niederländische Nationalhymne entgegen schmettert. Später wird Meeuwsen verstehen, dass der Mönch dem Nationalstolz aller Touristen schmeichelt, um mehr Spenden für den Erhalt seines Tempels zu sammeln. Besonders irritierend ist aber die Episode aus der niederländischen Kindheit, als Meeuwsen einem Klassenkameraden den Tod wünscht - und der wenig später tatsächlich ums Leben kommt.
    "Wenn man immer nur die positiven Dinge im Blick hat, dann vergisst man leicht, dass unsere Kultur heute ziemlich harmlos ist. Die Natur aber ist unglaublich grausam. Jedes Geschöpf ist die Nahrung eines anderen. Und wenn man versucht, diese Grausamkeit und Härte zu verstehen, dann ist das ein Weg um zu verstehen, wie das Leben ist."
    Der Junge, dem Meeuwsen den Tod wünschte, war tatsächlich grausam. Vermutlich war er es, der die geliebte Katze des Comiczeichners umgebracht hat. Und er ist es, der immer wieder den Unterricht stört und den kleinen Frenk erniedrigt, weil der so unsportlich ist.
    "Ich liebe die Idee des Pazifismus. Aber wenn man ein Jahrhundert früher gelebt hätte, als der Faschismus immer mächtiger wurde, da war Pazifismus verdammt nutzlos. Da muss man was tun, man muss die Faschisten stoppen. Und natürlich muss man darüber nachdenken, was man tun würde, wie weit man gehen würde. Ich liebe Menschen mit Idealen - aber die können auch sehr gefährlich sein."
    "Trau keinem Lehrer, kauf mein Buch"
    "Zen ohne Meister" - der Name des Comics ist Programm. Denn Meeuwsen beobachtet auf seiner spirituellen Suche auch die Auswüchse des Zen-Booms. Etwa dass Zen-Meister - vor allem im Westen - zum Teil ausgesprochen reich geworden sind und dabei nicht unbedingt einen buddhistischen Lebensstil pflegen.
    "Wenn man sich auf die spirituelle Suche begibt, dann liest man immer wieder: 'Geh zu einem Meister' - ganz gleich, ob es sich dabei um Yoga handelt oder was auch immer. Und ich habe immer wieder erlebt, dass Meister die Leute enttäuschen. Und okay, mein Buch ist nicht perfekt - aber ich versuche, Menschen von den Meistern wegzubringen. Manchmal sage ich so im Spaß: 'Wenn Du das Buch liest, wirst Du nicht mehr nach anderen spirituellen Meistern suchen - das Buch wird Dich leiten. Trau keinem Lehrer, kauf mein Buch.'"
    "Die Botschaft ist immer die gleiche - bei allen Religionen"
    Religiöse Lehren können sehr widersprüchlich sein - das hat Frenk Meeuwsen immer wieder erfahren. Überhaupt könne die Lehre im Zen nur Anstoß sein - weil Zen vor allem Erfahrung bedeutet: beim Meditieren, aber auch beim achtsamen Umgang mit dem Alltag. Das macht Frenk Meeuwsen in seinem Comic deutlich, indem er zeigt, dass all die Erkenntnisse, die ihn weitergebracht haben, aus der unvoreingenommenen Beobachtung seines alltäglichen Lebens geboren werden. Dazu gehört auch die eigene katholische Herkunft, meint der Religionswissenschaftler Jürgen Mohn:
    "Er hat ein kleines Kapitel über Franziskus, er hat ein kleines Kapitel über Jesus und versucht, die Art und Weise wie er Jesus, Franziskus kennengelernt, wie er Geschichten über sie gehört hat, in seine Biografie genauso einzubauen, wie er die Meister aus dem Zen-Buddhismus einbaut und reflektiert. Und damit vergleicht er sie. Das macht er auf bildlicher Ebene und das macht er auf sprachlicher Ebene."
    In ästhetischer Hinsicht fühlt sich Meeuwsen dem Zen näher als seiner katholischen Herkunft. Barocke Schnörkel sind ihm ein Graus, genauso wie die üppigen Bildwelten der katholischen Tradition. Das wird auch an seinem Comic deutlich: da ist kein Strich zu viel gesetzt, manches Bild wirkt schroff und wenig elaboriert, als sei es ein Gebrauchsgegenstand. Seiner katholischen Herkunft fühlt sich Frenk Meeuwsen aber trotzdem verbunden.
    "Wenn man als Katholik aufwächst, wird man auch als Zen-Buddhist katholisch bleiben. Du suchst einfach nach Geschichten, die denen ähnlich sind, mit denen Du aufgewachsen bist. Und am Ende macht es keinen Unterschied. Die Botschaft ist immer die gleiche - bei allen Religionen. Und genau darum geht es in meinem Buch."
    Frenk Meeuwsen: "Zen ohne Meister"
    Avant-Verlag, 304 Seiten , schwarzweiß , Softcover, 25 Euro