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Comicszene in Kenia
Superhelden - nicht nur aus Amerika

Allen Vorurteilen der Eltern und der Übermacht des Westens zum Trotz: In Kenia erwacht die Welt der Comics zum Leben. Es gibt spezielle Buchläden, eigene Conventions und eine Handvoll talentierter Zeichner. Um ihre Leserinnen und Leser zu erreichen, müssen die Autoren einiges Leisten.

Von Dorothee Werkman | 12.08.2019
"Viele Eltern hier meinen, dass Comics nicht wirklich geeignet sind für ihre Kinder. Weil sie glauben, es geht nur ums Bildchen gucken. Oder sie stecken sie in eine Schublade mit Cartoons im Fernsehen. Dabei bieten Comics für jeden etwas, egal wie alt man ist."
Zain Manji ist so etwas wie ein Comicmissionar in Kenia. Dem 31-Jährigen und seinem Bruder gehört einer von gerade mal zwei Comicbuchläden in der Vier-Millionen-Metropole Nairobi. Und das auch nur, weil die Mutter den beiden ein Eckchen in ihrem Geschäft für "normale" Bücher überlassen hat. Gewinn bringen die Comics bisher nicht. Aber die Importe der großen US-Verlage decken zumindest die Kosten:
"Jeder Comicfan, der hier reinkommt, verlangt nur nach seinem Marvel-, DC- oder Dark-Horse-Comic. Ich weise dann immer noch extra darauf hin, dass es hier auch Comics von Künstlern vor Ort gibt, die man sich mal ansehen sollte."
Kenianische Comics brauchen besseres Marketing
Superman, Spider-Man oder Hellboy – die amerikanischen Superhelden kennt auch in Kenia jeder. Wenn nicht als Comic, dann als Blockbuster im Kino. Davon können kenianische Comicautoren bisher nur träumen.
"Ich glaube, das geht noch auf die Kolonialzeit zurück. Alle Filme, die wir später im Fernsehen oder im Kino gesehen haben, kamen aus dem Westen oder Osten. Aber nie von hier. Wenn man mit dem ganzen internationalen Angebot aufwächst, denkt man irgendwann, dass man nur noch so etwas konsumieren sollte", meint Harto Muhato. Ihm gehört in Nairobi ein eigenes Studio für Animation und Sound. Aus seiner Sicht bräuchten kenianische Comics vor allem besseres Marketing.
Das können wir aber nicht auch noch bezahlen, wendet Comicautor Salim Busuru ein:
"Vor allem der Druck ist sehr teuer. Man muss erstmal jemanden finden, der es auch wirklich kann. Danach sucht man dann Läden, die die Comics für einen verkaufen. Überhaupt Gewinn zu machen, ist dann sehr schwer."
Salim muss wie die meisten Comicautoren in Kenia alles selbst machen: vom Kreativen bis zum Vertrieb. Eine Notlösung.
Die Verlage haben genaue Vorstellungen davon, was sie drucken wollen und Comics gehören nicht dazu, sagt Autor Morietz Muthui. Er und seine Kollegen müssen ihr Geld also mit anderen Jobs verdienen. Um wirklich einmal von den Comics leben zu können, müsste Morietz 10.000 Ausgaben verkaufen. 550 waren es bisher. Aber: Die Zahlen steigen, vor allem dank der Conventions.
Effie Wambui stülpt sich den schwarzen Helm aus Schaumstoff und Pappmaché über den Kopf. Der Star-Wars-Nachbau passt immer noch, freut sich die 23-Jährige. Das Outfit für die nächste Comic-Convention steht. Die Mischung aus Party und Messe findet inzwischen regelmäßig in Nairobi statt. Effie trifft man dort immer – nur nie als Effie:
"Das Kind in mir hat gesagt: Dieses Kostüm musst du machen! Wie ich’s dann gebastelt habe, war ziemlich verrückt, aber am Ende war ich ziemlich zufrieden."
Comic-Convention in Nairobi
Effie spricht von ihrem ersten selbstgemachten Kostüm: Wonder Woman. Die Teile aus Leder hat sie damals schlicht zusammengeklebt. Die Medizinstudentin ist Cosplayerin, rund 20 Kostüme ihrer Lieblingscomichelden hat sie schon nachgeschneidert und auf den Conventions getragen. Dort finden sich immer mehr Gleichgesinnte.
"Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, wo gerade mal fünf oder zehn Cosplayer rumliefen. Heute, wann immer ich auf eine Convention gehe, treffe ich eine Menge und es kommen immer neue dazu!"
Auf einer der Conventions konnte Comicautor Morietz dann Effie beweisen, dass Superhelden nicht nur aus Amerika stammen.
"Ich war richtig überrascht: Ein richtiger Comic von einem kenianischen Autoren! Vorher hab ich immer gedacht: Nur die im Westen können so etwas!"
Kenianische Comicautoren zeichnen auch Science-Fiction und Mangas, die ihren Ursprung in Japan haben. Manche Leser erwarten politische Statements oder die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte, sagt Morietz. Aber afrikanische Comics bedeuten eben nicht nur afrikanische Themen.
"Das hat mich nie großartig interessiert. Mir geht es nur darum, authentisch zu sein, zu wissen, wo das eigene Talent liegt. Eigentlich so, wie schon Shakespeare gesagt hat: Bleib' dir selbst treu."