Samstag, 20. April 2024

Archiv

Commonwealth Games
Höher, schneller, patriotisch?

Am 23. Juli beginnen in Glasgow die Commonwealth Games. Mehr als 6000 Athleten aus siebzig Ländern und Regionen feiern die britische Krone auf sportliche Art. Überlagert wird das Ereignis vom schottischen Unabhängigkeitsstreben.

Von Ronny Blaschke | 20.07.2014
    Clyde - das offizielle Maskottchen der Commonwealth Games in Glasgow, 2014
    Clyde - das offizielle Maskottchen der Commonwealth Games in Glasgow, 2014 (picture alliance / dpa)
    Rutherglen, ein Vorort von Glasgow. Alex Salmond betritt ein vollbesetztes Gemeindezentrum. Salmond führt die schottische Regierung an, seit 2011 mit absoluter Mehrheit für seine SNP, die Schottische Nationalpartei. Die Schotten hatten 1997 für ein regionales Parlament gestimmt, mit begrenzten Kompetenzen. Doch der SNP reicht das nicht: Am 18. September können fünf Millionen Schotten darüber abstimmen, ob sie das Vereinigte Königreich verlassen. Nach dann 307 Jahren. In Rutherglen wirbt Salmond wieder einmal für einen unabhängigen Staat.
    "Das Vereinigte Königreich hat sich in zwei Systeme gespalten. Es gibt eine florierende Wirtschaft im Großraum London, die vorne weggeht. Und es gibt eine stagnierende Wirtschaft in einigen Regionen Englands. Gemessen daran liegt Schottland über dem Durchschnitt, aber weit hinter London. Was noch wichtiger ist: Schottland liegt auch hinter anderen Ländern von vergleichbarer Größe. Wenn wir jedoch unabhängig wären, würde sich das ändern: Was den Wohlstand angeht, würden wir in der Welt an 14. Stelle stehen. Die Ratingagentur Standard & Poors, die nicht gerade als optimistisch bekannt ist, sagt einem unabhängigen Schottland selbst ohne die großen Ölvorkommen eine blühende Wirtschaft voraus."
    Nicht wenige Schotten bemängeln ein Demokratiedefizit. Die konservativen Torys haben in Schottland immer wieder Wahlen verloren – trotzdem stellten sie in London die Regierung. Ob Schottland als eigenständiger Staat in der EU bleiben darf, ist ungewiss. Ob es an der britischen Währung festhalten kann, ebenfalls. Lange sprach sich nur etwa ein Drittel der schottischen Bevölkerung für die Unabhängigkeit aus. Können die Commonwealth Games die Zustimmung erhöhen? Kann die Regierung während der Spiele patriotische Gefühle schüren? Shona Robison ist im Regionalparlament Ministerin für Sport und Gesundheit.
    "Ich würde den Einfluss der Spiele auf das Referendum nicht überbewerten. Wir sind uns doch klar darüber, dass wir Parteipolitik und Sport trennen. Aber es wird mir doch keiner widersprechen, wenn ich sage: Die Schotten sollten sich über ihre Leistungen freuen dürfen. Die Spiele sind für die Menschen ein verbindendes Ereignis, egal welche Meinung sie zum Referendum haben. Ich hoffe, dass alle Schotten unser Team unterstützen. Und wir uns dann über viele Medaillen freuen können."
    Immer wieder lässt die Regierung die positiven Effekte der Commonwealth Games in ihren Wahlkampf einfließen: Die Investitionen in die Infrastruktur belaufen sich auf eine Milliarde Pfund. Das Athletendorf soll bald 700 Wohnungen und einem Seniorenheim Platz bieten. Achtzig Prozent der beteiligten Firmen haben ihren Sitz in Schottland. Es wurden 6000 Jobs geschaffen, von denen viele erhalten bleiben werden. Die Unterstützung für die Spiele in Schottland ist groß. Das Referendum findet nicht einmal sieben Wochen nach den Spielen statt.
    Alex Salmond, der so genannte Erste Minister Schottlands, wollte sich auch bei den letzten Commonwealth Games 2010 in Neu Delhi in Szene setzen. Er bat darum, in der Abschlussfeier die Fahne der Spiele entgegen nehmen zu dürfen. Doch diese Aufgabe war traditionell dem Bürgermeister vorbehalten. In Glasgow ist Salmonds Nationalpartei nicht so einflussreich wie in anderen Regionen, im Stadtrat dominiert Labour seit Jahrzehnten. George Redmond ist seit bald dreißig Jahren Mitglied der Arbeiterpartei, seit 1999 sitzt er im Stadtrat der größten schottischen Stadt.
    "Alex Salmond ist ein guter Politiker. Er wird jede Gelegenheit nutzen, um für die Unabhängigkeit zu werben, und er macht das nicht mal diskret. Ich erinnere an die Rückkehr der schottischen Athleten nach Olympia 2012. Warum wurden sie nicht im Rathaus von Glasgow empfangen, dem zentralen Anlaufpunkt der Stadt? Warum fand die Zeremonie im Fruitmarket statt? Die Antwort ist doch klar: Die SNP will eine Labour geführte Stadtverwaltung so klein wie möglich halten."
    Die Schotten nutzen den Sport, die Engländer auch. Premierminister David Cameron hielt ein emotionales Fernsehplädoyer für die britische Gemeinschaft. Als Schauplatz wählte er das Velodrom im Olympia-Park von London, hinter ihm waren Rennräder aufgestellt. Sieben Goldmedaillen hatte das Team Großbritannien 2012 gewonnen, mit dabei: schottische Vorbilder wie Chris Hoy. Cameron schwärmte in seiner Ansprache von Siegen und Blau-Weiß-Rot, die Farben des Union Jacks, der britischen Flagge. Würde es jedoch nach Alex Salmond gehen, so würden die Schotten bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro mit einem eigenen Team antreten. Und dann mit dem Andreaskreuz, der blauweißen schottischen Flagge.