Freitag, 29. März 2024

Archiv

"Compressorhead" mit erstem Album
Punkrock von der Roboter-Band

"Roboter" heißt bekanntlich "Arbeiter". Sie können vieles schneller und besser als Menschen. Aber gilt das auch für die Rockmusik-Produktion? Überprüfen konnte man das bei einem Konzert - sechs Punk-Roboter aus Berlin präsentierten ihr Album live auf der Bühne.

Von Jürgen Stratmann | 30.11.2017
    Die Roboter-Punkband "Compressorhead" im September bei einem Liveauftritt in Berlin
    Die Punk-Roboter von "Compressorhead" sind echte Metalheads (imago stock&people / Rolf Zöllner)
    Dass man Robotern heutzutage alles zutraut, wird mir klar, als der DJ im Party-Warm-Up-Programm einen Jimi-Hendrix-Klassiker spielt - und eine Dame vor der Bühne fragt, ob das schon die Band sei? Ich denke: Diese Apparate können sicher viel, aber einen Gitarrengott, ein Genie wie Hendrix? Ist vielleicht doch ein Niveau das hier sicher gar nicht angestrebt wird. Denn hier geht es nicht um genialisch-überdrehte Improvisationsexzesse. "Compressorhead" macht Punk.
    "Okay, HERE WE GO!!!"
    "Mega-Watson hat seine T-Shirt-Kanone an Bord"
    Vom ersten Takt an reißen die Metall-Rocker mit ihren Instrumenten - übrigens laut Compressorhead-Gründer Markus Kolb - alles handelsübliche Ware:

    "Ja genau, Gitarren, Bass, alles Gibson, Fender…"
    Die Roboter mit Gitarren, Bass, Mikro oder Schlagzeugsticks in ihren hypergelenkigen Stahlpranken, mit Organen aus Druckluft-Schläuchen und chromglänzenden, in alle Richtungen beweglichen Hydraulik-Skeletten, die alle gängigen Rocker-Posen inklusive exzessiven Headbangings erlauben, Frontmann-Roboter "Mega-Watson" kann sogar ...
    "…T-Shirts schießen, er hat seine T-Shirt-Kanone an Bord".
    Von Anfang an reißen sie ihr Publikum mit. Allen vorweg Gesangs-Roboter "Mega-Watson": Immer wieder walzt er mit seinem Kettenantrieb wild gestikulierend auf Fans in der ersten Reihe zu, scheint sie durch die schwarzen Gläser seiner Sonnenbrille anzustarren - und anzusingen: Und die Angetanzten reagieren frenetisch auf die mechanische Rampensau.

    "Geil! Ist zwar nur eine Maschine, aber trotzdem, man muss ihn doch ansprechen - am liebsten hätte ich noch gesagt: Gib mir Fünf", sagt eine Zuschauerin.
    Maschinen, die echte Instrumente live spielen
    Es ist eine detailverliebte Konzert-Inszenierung, die sich die Tüftler hinter den Compressorhead-Robotern ausgedacht haben: zwischen den Stücken scherzen die Musik-Maschinen mit dem Publikum:
    "You guys are crazy!"
    Und natürlich stellt der Frontmann seine Band auch selbst vor:
    "On guitar – put your hands together for: Fingers! (lauter Jubel)"

    Wobei, räumt Markus Kolb ein:
    "Die Grundidee war, Maschinen zu bauen, die echte Instrumente live spielen..."
    … und das funktioniert bestens: Gitarrist "Fingers" beispielsweise hat 75 kleine Finger, mit denen er theoretisch gleich mehrere Soli mehrstimmig übereinander spielen könnte, der Schlagzeuger "Stickboy" spielt mit seinen vier Armen sicher jeden menschlichen Konkurrenten an die Wand.
    "Musik von gestern mit der Technik von morgen"
    Maschinen, die Instrumente live spielen - von Maschinen, die live singen war nicht die Rede: Show-Roboter "Mega-Watson" bewegt zwar den Mund, aber der Gesang? Kommt vom Band, eingesungen von der Punkrock-Legende John Wright, Schlagzeuger und Sänger der Band "No Means No", der auch alle Songs des "Party Machine"- Albums geschrieben hat.
    Er war auch bei der Entwicklung des Gesangsroboters dabei und verteidigt die Entscheidung, der Maschine eine echte menschliche Stimme zu leihen, denn:
    "Es soll jedenfalls keine mechanische Roboter-Stimme sein."
    Menschliche Stimmen mechanisch zu imitieren werde zwar versucht, aber Markus Kolb sagt:
    "Das ist total schwierig natürlich. Ich kenne nur ein Roboterlabor, die versuchen, einen Mund nachzubilden, der wie wir Menschen die Töne erzeugt mit so einer Art Kehlkopf, so ein komisches Silikongebilde - und die sind immer noch nicht darüber hinaus, ein paar Laute zu erzeugen."
    Soviel zum Thema "Roboter können alles!" Apropos "Alles Können":
    "Ich liebe Gitarrenmusik. Ich kann nicht Gitarre spielen, deswegen habe ich mir Maschinen dafür gebaut."
    Erklärt Markus Kolb - ein positives Roboterverständnis, das ein wenig an das Daniel Düsentriebs erinnert, dessen emsiges Roböterchen ja auf den Namen "Helferlein" hört: Sind die klappernden, Iro-tragenden Compressorhead-Punks vielleicht die Helferlein Markus Kolbs und seiner Kollegen, konstruiert, deren "Ding" zu realisieren? Und …
    "Unser Ding ist Punkrock. Wir spielen Musik von gestern mit der Technik von morgen."
    Wobei der Compressorhead-Bandleader "Mega-Watson" die Aufgabe des Punk-Roboters wie folgt definiert:
    "Er singt ja: You're a party-animal – I'M A PARTY-MACHINE!"