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Computer fährt selbst

Technik. – Autofahren soll sicher wie in Abrahams Schoß werden. Ein Sonderforschungsbereich der Technischen Universitäten Karlsruhe und München will die Fahrzeuge mit Sensorik und Rechnerkapazität so weit aufrüsten, dass sie sich untereinander verständigen und gefährliche Situationen entschärfen können. In wenigen Jahren soll es soweit sein.

Von Klaus Herbst | 14.12.2005
    Verkehrsunfälle sollen künftig durch die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander vermieden werden.
    Verkehrsunfälle sollen künftig durch die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander vermieden werden. (Unsplash / Ram Mindrofram)
    "Wenn nun die Fahrzeuge selber sehen können, dann wird es interessant, wenn die Fahrzeuge auch kommunizieren miteinander über das was sie sehen und über das Verhalten, was sie daraus ableiten und sich abstimmen","

    sagt der Ingenieur Professor Christoph Stiller von der Universität Karlsruhe. Am Institut für Mess- und Regeltechnik wollen die Forscher die heute noch viel zu hohen Unfallzahlen möglichst auf Null senken. Deswegen arbeiten sie nun an wirklich intelligenten Autos, die dank Computerunterstützung ihre Umwelt kognitiv wahrnehmen, also verstehen. Außerdem werden neue Fahrzeug-Generationen erstmals in der Lage sein, sich miteinander zu verständigen - sukzessive und in drei bis maximal fünf Jahren, so Stiller. Im Labor funktioniert dies bereits. Stiller:

    ""Wir haben den großen Vorteil, dass unsere Fahrzeuge in der Lage sein werden, per Funk zu kommunizieren. Das geht nicht nur sehr schnell, sondern auch um eine Ecke herum, so dass man zum Beispiel einen Kontakt aufnehmen kann mit einem Verkehrsteilnehmer, den man noch gar nicht sehen kann, einfach per Funk. Dann wird es interessant, die Information von dem zu bekommen, was der sieht und ob vielleicht aus einer Querstraße, einer Kreuzung, ein Fahrzeug herausschießt, das für uns selber gefährlich werden könnte, oder ob ein Unfall passiert ist, jemand liegengeblieben ist oder eine besondere Situation sich ergibt, aufgrund derer man gesondert reagieren möchte."

    Die computergesteuerte Stotterbremse ABS gehört heute schon zum Standard und hilft in ungezählten Situationen - gerade in der kalten Jahreszeit. Die Satelliten-Navigation setzt sich gerade durch. Auch sie dient der Sicherheit, denn Fahrzeuge müssen einander möglichst genau orten können, um sich gegenseitig automatisch über Gefahren zu informieren. In Kürze werden die Informationen sämtlicher Fahrzeuge in der Nähe in die Bordcomputer eingespeist, verarbeitet und in sinnvolles Handeln umgesetzt - im so genannten Hidden Computing, also ohne dass der Fahrer dies merkt. Selbständig erkennt das Auto beispielsweise einen Stau und verlangsamt rechtzeitig seine Geschwindigkeit. Das Ergebnis: Zu den gefürchteten, häufigen und gefährlichen Auffahrunfällen kann es dann zumindest theoretisch gar nicht mehr kommen. Der Bordrechner stützt sich dabei nicht nur auf einen eigenen Laserscanner, der ihm eine Art Sehsinn verleiht. Er verarbeitet auch Informationen aus einer Vielzahl von Quellen: Verkehrswarnsysteme, fremde Fahrzeuge und deren elektronisch gesammelte Erfahrungen sowie die Summe aller Erfahrungen - das alles digital und über Funk. Stiller:

    "Wenn ein anderes Fahrzeug eine gefährliche Situation wahrnimmt, dann wird es die natürlich auch an den umliegenden Verkehr mitteilen, und dieser Verkehr wird diese Information weitergeben, so dass zum Beispiel auch über meinen Gegenverkehr ich gewarnt werde, wenn auf der Autobahn vor mir zum Beispiel ein Hindernis liegen geblieben ist oder wenn sich irgendeine andere, für mich gefährliche Situation ergibt. Das heißt, ich tausche in der Tat nicht nur direkt mit Partnern aus, die ich sehe, oder zu denen ich Funkkontakt habe, sondern man kann auch Information von Dritten wahrnehmen."

    Fahrzeuge, die ihre Umwelt erkennen, miteinander Daten austauschen und dies in einen optimierten, unfallfreien Verkehrsfluss umsetzen, brauchen nicht nur Sensoren, also Laserscanner, Infrarotdetektoren und Videokameras, sondern vor allem Künstliche Intelligenz. Die zu verbessern ist eines der Hauptforschungsthemen, sagt Christoph Stiller. Aber wie werden die intelligent interagierenden Fahrzeugsysteme organisiert - zentral oder dezentral? Nur dezentral kann die Lösung heißen, so der Karlsruher Forscher. Jedes einzelne Fahrzeug braucht eigene Rechner sowie Sende- und Empfangseinheiten. Schon heute arbeitet ein internationales Gremium unter Karlsruher Leitung mit Beteiligung der Automobilhersteller an international einheitlichen und verbindlichen Standards. Ein modernes, dezentrales Fahrzeug-Kommunikationssystem rettet auch dann noch Leben, wenn es selbst doch einmal an seine Grenzen stößt. Auch Fußgänger werden einbezogen. Sie bekommen rechtzeitig laute Warnsignale aufs Mobiltelefon, PDA oder ähnliche mobile Geräte. Stiller:

    "Das wird auch dann noch nutzen, wenn es eigentlich zu spät erfolgt. Wenn man also einen Unfall schon gar nicht mehr vermeiden kann, lohnt es natürlich immer noch, wenn man auf den letzten zehn Metern noch eine Vollbremsung macht und dann einen Unfall nicht mehr mit fünfzig Stundenkilometern, sondern mit zehn Stundenkilometern in Kauf nehmen muss."