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Computerspiel "State of Mind"
Wie ein Blade Runner in Berlin

Roboter, Drohnen, düstere Hochhausschluchten: Das Computerspiel "State of Mind" schickt den Spieler in das cyberpunkige Berlin der Zukunft - und stellt dabei eine der ganz großen Fragen: Was ist Realität?

Von Christian Schiffer | 13.08.2018
    Eine Szene aus dem Spiel "State of Mind" - der Protagonist geht durch eine dunkle und dystopische Stadtszenerie
    "State of Mind" ist virtuos erzählt - der Spieler schlüpft in die Rolle eines halben Dutzend Charaktere (Daedalic Entertainment)
    "Guten Abend Richard! Ich bin Simon, ihr Base-5-Homeassistant. Heute ist der 11. Januar 2048. Es ist 19:33. Raumtemperatur 20 Grad Celius. Die haben heute keine Termine mehr."
    In der Zukunft des Computerspiels "State of Mind" gibt es zwar hilfsbereite Haus-Androiden, Drohnen, fliegende Autos und kleine viereckige Kästen, die einem auf Knopfdruck Essen zubereiten, kulinarische 3D-Drucker quasi. Doch all das hilft Richard Nolan jetzt nicht, denn seine Frau ist weg mitsamt seinem Sohn, was eigentlich gar nicht mal so erstaunlich ist, denn leider gibt es auch im Jahr 2048 noch Ehekrisen, und vermutlich hat die Möglichkeit, schnellen Cybersex zu haben, das Problem sogar noch verschärft. Aber natürlich steckt hinter dem Verschwinden sehr viel mehr, und so macht sich Nolan auf in das cyberpunkige Berlin, wo in dunklen Clubs immer noch Drogen genommen werden und sich auf der Straße allerlei zwielichtige Gestalten herumtreiben:
    "Hey man, warte doch mal! Passwörter, Whistles, Dark-Cloud-Logins - JC besorgt Dir alles!"
    Ganteföhrs neuestes Werk spielt in Berlin
    "State of Mind" ist ein Adventure-Spiel aus Deutschland und die Geschichte dazu hat Martin Ganteföhr geschrieben, der wohl wichtigste Computerspielautor hierzulande. Sein neuestes Werk spielt dabei nicht nur in Berlin, sondern auch in City 5, einer cleanen Parallelwelt in einer virtuellen Realität. Und hier lebt eine Person, die ein ganz ähnliches Leben hat wie Richard Nolan und mit ihm über mysteriöse Datenfragmente verbunden ist:
    "Hallo, wer sind Sie?!"
    "Ich bin Richard Nolan, ich melde mich aus Berlin."
    "Von wo?!"
    "Hören Sie zu, es ist wichtig. Ich melde mich, weil ich glaube, dass Sie ... das Du … ein Teil von mir bist."
    Maschinenstürmer gegen Tech-Utopisten
    "State of Mind" diskutiert vor allem die Idee des Transhumanismus, eine Denkrichtung, die seit Jahren von einigen Tech-Utopisten im Silicon Valley propagiert wird und bei der es darum geht, die Möglichkeiten des Menschen mittels Technologie zu erweitern - bis hin zur Unsterblichkeit. Eine Idee hierbei: Das Hirn auf einen Computer hochladen, und genau um diesen Gedanken dreht sich so einiges in "State of Mind". Das nachdenkliche Spiel stellt dabei die ganz großen Fragen: Was ist Realität? Gibt es eine "richtige" Realität? Und was macht uns als Menschen überhaupt aus? Der Körper? Oder doch nur das Bewusstsein? In der Welt von "State of Mind" stehen sich Maschinenstürmer und Technik-Utopisten unversöhnlich gegenüber. Die Handlung des Adventures nimmt unterdessen an Fahrt auf und schon bald wird eine globale Verschwörung aufgedeckt:
    "Wo ist Tracey?! Wo ist mein Junge?!"
    "Sie hatten recht, er versteht gar nichts ... danke, dass Sie ihn hergebracht haben.
    "Was?!"
    "Es tut mir leid Richard."
    "Ihre kleine Freundin ist eines von unseren Produkten … und künstlich."
    Mehr Film als Spiel
    "State of Mind" ist geradezu virtuos erzählt, der Spieler schlüpft in die Rolle eines halben Dutzend Charaktere, die Handlung wird in mehreren Rückblenden vorangetrieben. Umso bedauerlicher ist es, dass die Spielmechanik nicht schritthalten kann mit der Qualität der Narration, oft geht es dröge und repetitiv zu. Als Spieler muss man Bilder zusammenpuzzlen, irgendwelche Schalterrätsel lösen oder Drohnen mit Lasern abschießen. Naja. Und so muss man am Ende sagen: Ja, die Story von "State of Mind" ist toll, der Titel wäre sicher ein guter Film geworden, ist aber nun mal leider ein Computerspiel – und verschenkt damit ein wenig das Potenzial dieses Mediums.