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"Conversations with People Who Hate Me"
Ein Podcast für mehr Diversität

Sie haben ihm den Tod gewünscht und gesagt, sein Schwulsein sei eine Sünde, die Kritiker von Dylan Marron. In seinem Podcast "Conversations with People Who Hate Me" spricht der progressive Videomacher mit ihnen und zeigt: So gespalten sind die USA doch nicht.

Von Christoph Möller | 12.10.2017
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    In seinem Podcast spricht Dylan Marron mit seinen Hatern über Gott und die Welt - und über das Schwulsein. (unsplash.com / Álvaro Serrano)
    Es beginnt immer mit diesem Klingelton. Dylan Marron sagt freundlich: Hallo.
    "Hi, is this Bradley?"
    "This is indeed."
    In jeder Episode die Frage: Do you really hate me? Nein, um Gottes Willen, sagt jeder, ich hasse dich doch nicht! Auch Chris, der ihn online als Stück Scheiße bezeichnet hatte.
    "I no longer hate you, Dylan. You are a nice guy. You’re willing to listen. I am listening to you. You are listening to me and that’s the most important thing."
    Es geht um mehr als Zuhören
    Zuhören, das Wichtigste. Eine Floskel. In "Conversations with People Who Hate Me" geht es um mehr. Marron versucht zu verstehen, woher der Hass wirklich kommt? Was zwischen Klingelton und Abschlussfrage liegt, ist ein Blick auf ein Land, in dem sich Linke und Rechte scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen. Da ist zum Beispiel der 18-jährige Josh, der geschrieben hat.
    "Du bist ein Trottel und der Grund, warum dieses Land so gespalten ist. Deine Videos sind nur Meinung und eine scheußliche noch dazu. Hör einfach auf. Und außerdem: Schwulsein ist eine Sünde."
    Josh und Marron sind bei so ziemlich allem anderer Meinung: Polizeigewalt, Homosexualität, Gleichstellung. Doch sie finden eine Gemeinsamkeit. Josh ist in seiner Highschool ein Außenseiter.
    "Ich bin ein bisschen schwergewichtiger. Ich will nicht sagen, dass ich fett bin, aber eben etwas breiter als meine Mitschüler. Und sie hänseln mich, bevor sie mich kennen."
    Marron versteht das und sagt, auch er wurde als Jugendlicher gemobbt.
    Marron steht für progressive, linke Ansichten. Er bezeichnet sich als queer und äußert offen Kritik an Donald Trumps Politik. Millionenfach geklickt, seine satirischen "Unboxing-Videos", in denen er keine Produkte auspackt, sondern Begriffe, Konzepte und Schlagworte der konservativen USA pointiert auseinander nimmt.
    "Start the countdown to the apocalypse, I’m unboxing Trump’s America."
    "Today, I’m unboxing Transphobia."
    "Today, I’m unboxing Police Brutality."
    Trumps Amerika unterdrückt Diversität. Transphobie, Ausdrucksmittel verängstigter Männer. Polizeigewalt ein Produkt gegen das man sich wehren sollte. Vermeintlich besserwisserische Unruhestifter wie Marron werden im Netz als Social Justice Warrior bezeichnet, also etwa Kämpfer für soziale Gerechtigkeit. Ein Vorwurf, den Marron zumindest nachvollziehen kann.
    "Viele meiner Videos waren in etwa so: Jetzt erkläre ich dir Rassismus und dann verstehst du Rassismus. Aber so läuft das nicht. Und langsam verstehe und lerne ich das. Ich bin trotzdem noch stolz auf die Arbeit, die die Leute zu diesen Hassposts veranlasst hat."
    "Du wirst alle Menschen lieben, sobald du ihre Geschichte kennst"
    Im Podcast sprechen diese Menschen über ihre Wut. Dass Marron überhaupt mit den Leuten redet – obwohl sie ihm teilweise den Tod wünschen. Das liegt auch am Kinderfernsehmoderator Fred Rogers.
    "Er hat dieses tolle Zitat: Du wirst alle Menschen lieben, sobald du ihre Geschichte kennst. Ich möchte Geschichten hören. Ich glaube, nur so können sich die Dinge ändern."
    "Conversations with People Who Hate Me" ist ein hörenswerte Podcast. In kontroversen, halbstündigen Gesprächen zeigt er den Clash und die mögliche Annäherung zwischen dem liberalen und konservativen Amerika. Dass Marron und seine Gäste Verständnis füreinander aufbringen können, ist eine überraschende Erkenntnis. Es ist aber auch Marron selbst, der trotz Mordandrohung und Beleidigungen cool argumentiert – und zumindest im Kleinen die Welt verbessert.
    "Veränderung ist langsam und nicht sexy. Verändert mein Podcast die Welt? An Tagen, an denen ich selbstbewusst bin, würde ich sagen, klar, absolut. Realistisch gesehen will ich einfach nur mitwirken an einer größeren Veränderung, die ich mir wünsche."