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Corona auf Island
Mit den Touristen kommt die Angst

Island galt bislang als eines der Länder, das die Corona-Krise sehr gut gemeistert hat. Auf der Insel im Nordatlantik gab es insgesamt nur 10 Todesfälle. Im letzten Monat wurde fast keine Neuinfektion mehr gemeldet. Doch jetzt kommen die Touristen wieder ins Land und mit ihnen die Angst.

Von Jessica Sturmberg | 03.08.2020
Milchigblaues Wasser in der blauen Lagune in Island, die inmitten von Lavafelden liegt.
Aufgrund der Coronapandemie sind in diesem Jahr weniger Gäste in der Blauen Lagune, einem Thermalfreibad, das inmitten von Lavafeldern liegt. (DLF / Jessica Sturmberg)
Am Wochenende war Verslunarmannahelgi, eigentlich das große Reisewochenende, an dem die Isländer aufs Land fahren und feiern. Das größte Festival findet traditionell auf den Westmänner-Inseln statt. In diesem Jahr war ohnehin schon alles eine Nummer kleiner geplant, Versammlungen bis 500 Menschen waren noch erlaubt, die Zahl sollte auf 1.000 erhöht werden. Doch mit den neuen Covid-Fällen wird alles zurückgenommen, es dürfen nur noch maximal 100 Menschen zusammenkommen, und dabei müssen zwei Meter Abstand gehalten werden.
Feiern ist so unmöglich geworden. Es ist das erste Mal seit 105 Jahren, dass dieses Fest nun gar nicht stattfindet.
Nachdem es fast einen Monat lang gar keinen Corona-Fall mehr im Land gab, war das Virus auch aus den Köpfen verschwunden und tauchte nur noch in den Auslandsnachrichten auf. Die Insellage und Abgeschiedenheit hoch im Norden vermittelte nicht nur ein Gefühl von Sicherheit. Und zudem haben die Isländer durch Corona ihre Insel zurückbekommen. Nun können sie in Ruhe in der Natur wandern, Orte besuchen, die ihnen wichtig sind, aber die in den letzten Jahren vom Massentourismus vereinnahmt worden waren. Wie den Nationalpark Thingvellir, wo ein junges Pärchen die Abendsonne genießt:
Isländer entdecken ihre Insel wieder
"Es ist halb 10 am Abend und es ist keiner hier. Das ist so toll. Sonst stehen hier 10 Busse zu der Uhrzeit und jetzt kann ich das hier genießen."
Ein einsamer Vogel sitzt auf dem Geländer auf der Aufsichtsplattform, wo sich sonst viele Touristen tummeln
Im Nationalpark Thingvellir in Island sind gewöhnlich viele Touristen. Wegen Corona sind in diesem Sommer nur wenige Besucher da. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
"Viele Isländer erkunden in diesem Jahr ihr eigenes Land."
Und stellen fest, wie viel sich verändert hat. Einar war jahrelang nicht mehr am Thingvellir und auch nicht am populären Wasserfall Gullfoss. Zu viele Menschen, zu viel Rummel fand er und jetzt ist er erstaunt, was er hier alles sieht:
"Es ist so viel Asphalt, so viele Parkplätze, Verkaufsläden. Riesengroße Verkaufsläden. Das ist unglaublich, da wohnt doch keiner, und da sind Verkaufsläden! Aber wenn da eben 10, 20, 30 Busse mit Touristen kommen, die isländische Waren kaufen wollen, dann ist es eben so."
Tourismus ist größte Einnahmequelle
Nur dass die in diesem Jahr so nicht kommen. Und das Geld nun im Haushalt fehlt. Der Tourismus war in den letzten Jahren zur größten Einnahmequelle geworden, hatte die Fisch- und Energiewirtschaft überholt. Um die finanziellen Ausfälle zumindest etwas aufzufangen, bezuschusst die Regierung Inlandsreisen mit einem kleinen Reisegutschein. Hotels locken mit Sommerpaketen, Wohnwagen waren ausverkauft.
Aber die Reisezeit klingt bei den Isländern mit dem Verslunarmannahelgi-Festivalwochenende aus. Die Hoffnung war groß, dass die zuletzt wieder ins Land kommenden ausländischen Touristen den Spätsommer zumindest etwas retten. Mitte Juni kamen die ersten, hauptsächlich aus Europa. Am Flughafen mussten sie sich auf eigene Kosten testen lassen. Aber viele Gäste fühlten sich angesichts der guten Corona-Lage in Island schon zu sicher, findet Carlos, Wirt im Restaurant Jörgensen in Reykjavíks Innenstadt. Masken und Abstände waren kein Thema mehr im Land. Und so wurden auch die Touristen unvorsichtig, erzählt er. Noch ohne ihr Testergebnis zu kennen, saßen sie schon bei ihm im Restaurant und wollten bestellen.
"Du weißt nicht, wo sie gewesen sind. Sie sollten Masken tragen, und in ihrem Hotel bleiben, bis sie wissen, sind sie infiziert Ja oder Nein?"
Auf einem Hinweisschild werden Einreisende nach Island darauf hingewiesen, dass Sie sich registrieren müssen
Am Flughafen in Keflavík müssen sich Einreisende auf COVID-19 testen lassen (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Inzwischen waren es aber schon wieder so viele Touristen, dass mit der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren täglichen Testkapazität von rund 2.000 nicht mehr alle am Flughafen getestet werden konnten. Die Regierung beschloss vor zwei Wochen, Reisende aus Deutschland, Dänemark, Finnland und Norwegen von den obligatorischen Tests auszunehmen.
Doch das wird jetzt alles wieder zurückgenommen. Die Unsicherheit ist wieder da, COVID-19 bestimmt wieder die Nachrichten.
Aus welchem Land kommt das Virus?
Nachrichten-Info: "Vor anderthalb Wochen waren es zwei, momentan sind es 58 Infizierte."
Und was dem Chef-Epidemiologen Þórólfur Guðnason Sorgen bereitet: es ist noch nicht herausgefunden, wo das Virus genau herkommt. Bei zwei Isländern, die keinerlei Verbindung zueinander hatten, ist der gleiche Virenstamm gefunden worden. Und dieser ist außerdem noch nicht in der weltweiten Datenbank erfasst. Humangenetiker Kári Stefánsson, schließt daraus, dass dieses Virus aus einem Land kommen muss, in dem nicht viel getestet und entsprechend auch nicht entschlüsselt wird. Er drängt nun darauf, jetzt noch mehr Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Erst einmal hofft die Regierung mit den jetzigen Verschärfungen die weitere Verbreitung von Covid19 eindämmen zu können.
Und viele Isländer hoffen, dass dieser Sommer auch ein Anstoß ist, den Tourismus in Zukunft anders zu organisieren - und wieder verstärkt auf den Naturschutz zu achten.
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2